Nachträgliche Anrechnung von Kindergeld

Das Niedersächsische FG musste entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn der Kindergeldberechtigte für denselben Zeitraum in Deutschland Kindergeld und im anderen Staat eine Familienförderung erhalten hat, jedoch die Auszahlung der Familienförderung im anderen Staat nicht erfolgt.

Anspruch auf Kindergeld in Deutschland und den Niederlanden 

Im Streitfall hatte die Familienkasse (FK)  für die Zeiträume Januar 2015 bis Dezember 2016 von dem Kläger Kindergeld zurückgefordert, da diesem für diese Zeiträume ein vorrangiger Anspruch auf Familienleistungen in den Niederlanden zugestanden hätte. Die FK begründete dies damit, dass der Kläger zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Kindergeld für die in Deutschland wohnhaften Kinder habe, ihm aber gleichzeitig Familienleistungen in den Niederlanden zustünden. Diese Anspruchskonkurrenz sei anhand der Koordinierungsregelungen der Europäischen Union (EU) zu lösen. Da der Kläger eine Erwerbstätigkeit in den Niederlanden ausübe und seine Ehefrau in Deutschland nicht bzw. nur geringfügig erwerbstätig sei, bestehe ein vorrangiger Anspruch auf Familienleistungen in den Niederlanden (Art. 68 Abs. 1 Buchst. a) VO (EG) 883/2004). Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, auch bei Nachrangigkeit des Kindergeldanspruchs in Deutschland komme eine fiktive Anrechnung von in den Niederlanden – nicht ausgezahltem und damit tatsächlich nicht bezogenem – Kindergeld nicht in Betracht.

Kindergeldfestsetzungen in Deutschland 

Die teilweise Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum ab Januar 2015 und die damit verbundene Rückforderung des anteiligen Kindergeldes von Januar 2015 bis einschließlich Januar 2016 in der Höhe, in der der Kläger für diesen Zeitraum Kindergeld in den Niederlanden bezogen hat, ist zu Recht erfolgt. Die FK war insoweit zu einer nachträglichen Anrechnung des in den Niederlanden gezahlten Kindergeldes auf der Grundlage von § 70 Abs. 2 EStG oder von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berechtigt, da die Auszahlung der Familienförderung im anderen Staat nicht aufgrund des in Art. 68 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 vorgeschrieben Verfahrens erfolgte.

Revision beim BFH 

Die vom FG zugelassene Revision wurde eingelegt, Az. beim BFH III R 73/1. Zur Anwendbarkeit der „Schwemmer”-Rechtsprechung auf Art. 68 VO (EG) 883/2004 liegt soweit ersichtlich noch keine BFH-Rechtsprechung vor. Dies gilt auch für die vorliegend in den Zeiträumen Januar 2015 bis einschließlich März 2016 bejahte Anrechnung niederländischen Kindergeldes auf das deutsche Kindergeld bei eigenständiger Antragstellung durch den Kindergeldberechtigten, d.h. ohne dass dem eine Weiterleitung des Antrags auf Kindergeld durch die FK in dem Art. 68 Abs. 2, 3 VO (EG) 883/2004 vorgesehenen Verfahren zugrunde liegt.

Niedersächsisches FG, Urteil v. 29.10.2018, 2 K 277/17, Haufe Index 13146000

Schlagworte zum Thema:  Kindergeld, Arbeitnehmerbesteuerung