Inländischer gewöhnlicher Aufenthalt eines ausländischen Piloten

Ein Pilot, der seinen Wohnsitz im Ausland hat, begründet bei einer durchschnittlichen Zahl von 2 Übernachtungen pro Woche im Inland dort noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Hintergrund

Streitig war, ob ein Pilot, der seinen Familienwohnsitz in der Schweiz hat, in Deutschland aufgrund des Umstands, dass er in der Nähe des Flughafens Frankfurt am Main im Wechsel mit anderen Piloten eine sog. Stand-by-Wohnung benutzt, dort einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 9 AO begründet. 

Der Steuerpflichtige erhielt von der Deutschen Lufthansa eine unbefristete Anstellung als Copilot mit Einsatzflughafen Frankfurt am Main. Aufgrund innerbetrieblicher Regelungen der Deutschen Lufthansa war er verpflichtet, in der Nähe des Flughafens Frankfurt am Main eine Unterkunft zu unterhalten, von der er seinen Flugdienst innerhalb eines Zeitraums von 60 Minuten nach einer entsprechenden Benachrichtigung antreten konnte.

Um dieser Verpflichtung zu genügen, traf er mit anderen Piloten die Vereinbarung, eine Wohnung zur wechselseitigen Nutzung anzumieten. Das Finanzamt sah hierin die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 9 AO mit der Folge, dass der Steuerpflichtige mit seinen gesamten Einkünften der inländischen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen würde.

Entscheidung

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren bekam der Steuerpflichtige vor dem FG Recht. Nach § 9 Satz 1 AO hat jemand dort den gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist nach § 9 Satz 2 AO stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben dabei unberücksichtigt.

Die Vorschrift ist im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung zu verstehen. Danach führt ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten zwingend zu der Rechtsfolge, dass sich an dem betreffenden Ort der gewöhnliche Aufenthalt der jeweiligen Person befindet. Ob ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt vorliegt, ist anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung zu beurteilen. An einem zeitlichen Zusammenhang kann es fehlen, wenn der Aufenthalt sehr häufig (wenn auch kurzfristig) unterbrochen wird.

Im Streitfall war die Zahl der Übernachtungen verhältnismäßig gering, so dass der Steuerpflichtige durchschnittlich weniger als zweimal pro Kalenderwoche im Inland übernachtet hatte. Das Finanzgericht hält jedoch zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts mindestens zwei Übernachtungen pro Woche für erforderlich. Da der Steuerpflichtige unter dieser Grenze geblieben war, lagen die Voraussetzungen für die Annahme eines die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht begründenden gewöhnlichen Aufenthalts nicht vor.

Hinweis
Das FG hat dem Umstand, dass der Steuerpflichtige mit steter Regelmäßigkeit, dabei jeweils im Abstand von wenigen Tagen, an seinen Familienwohnsitz zurückgekehrt und sodann "zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen" wieder in das Inland eingereist ist, besonderes Gewicht für die Beurteilung des Streitfalles beigemessen, da diese Aufenthaltswechsel ganz besonders das Gesamtbild geprägt haben. Hinzu kam vor allem auch der Umstand, dass der Steuerpflichtige sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Pilot nicht nur im Inland, sondern (im steten Wechsel) auch im ganzen europäischen Ausland aufgehalten hat.

Hessisches FG, Urteil v. 18.8.2015, 3 K 903/14, Haufe Index 8732094

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