Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags bei ausländischen Steuern

Bei der Anrechnung ausländischer Steuern ist der Anrechnungshöchstbetrag zu beachten. Die gesetzliche Formel zu dessen Berechnung verstößt nach einem Urteil des EuGH gegen EU-Recht. Der BFH hat nun ausgeführt, wie der Anrechnungshöchstbetrag unter Beachtung des EuGH-Urteils zu ermitteln ist.

Bei dem Sachverhalt handelt es sich um den Fall, den der BFH mit Beschluss vom 9.2.2011 (I R 71/10, BStBl 2011 II S. 500) dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt hatte. Der EuGH hat hierüber mit Urteil vom 28.2.2013 (C-168/11, "Beker und Beker") entschieden.

Sachverhalt

Die Eheleute Beker sind unbeschränkt steuerpflichtig. Im Jahr 2007 erzielten sie neben ihren inländischen Einkünften noch Dividendeneinkünfte i. H. v. insgesamt ca. 24.000 EUR aus kleinen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften aus mehreren ausländischen Staaten, teils EU-Staaten und teils Drittstaaten. In den verschiedenen Quellenstaaten wurden ausländische Steuern i. H. v. insgesamt ca. 2.900 EUR entrichtet. Mit allen betroffenen Staaten hatte Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen, das für Dividendeneinkünfte jeweils die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer vorsah. Die bei der Anrechnung jeweils zu berücksichtigenden Höchstbeträge beliefen sich auf insgesamt ca. 1.300 EUR. Nur in dieser Höhe wurden die ausländischen Steuern auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet. Die Eheleute Beker beantragten, den Anrechnungshöchstbetrag anders zu berechnen und weitere 1.200 EUR ausländische Steuern anzurechnen.

Rechtslage

Wenn unbeschränkt Steuerpflichtige im Ausland Einkünfte erzielen, kann eine Doppelbesteuerung dadurch vermieden werden, dass die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet wird.

Die Anrechnungsmethode ist die Standardmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wenn mit dem ausländischen Staat kein DBA besteht (§ 34c Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 EStG). Die Anrechnung ist dabei auf einen Höchstbetrag begrenzt, der nach der Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG berechnet wird.

Besteht mit dem ausländischen Staat ein DBA, so kann dieses ebenfalls die Anrechnung der ausländischen Steuer unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrags vorsehen (vgl. Art. 23B Abs. 1 OECD-MA, Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 DE-VG). Regelmäßig wird in den Abkommen für die Durchführung der Anrechnung auf das deutsche Steuerrecht verwiesen. Somit ist auch in DBA-Fällen der Anrechnungshöchstbetrag nach der Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG zu berechnen (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG).

Die Formel für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags lautet vereinfacht:

Anrechnungshöchstbetrag = Tarifliche Einkommensteuer x Ausländische Einkünfte : Summe der Einkünfte

Die ausländische Steuer wird nur bis zur Höhe dieses Höchstbetrags angerechnet. Übersteigt die ausländische Steuer den Höchstbetrag, so wird der übersteigende Betrag nicht mehr angerechnet und kann auch anderweitig nicht mehr berücksichtigt werden (sog. Anrechnungsüberhang). Es verbleibt beim Steuerpflichtigen somit eine effektive (Mehr-)Belastung.

Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 28.2.2013 (a. a. O.) entschieden, dass die Formel für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Begründet wurde dies damit, dass bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags die Summe der Einkünfte zugrunde gelegt werde und in diesem Betrag Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände nicht berücksichtigt würden, was jedoch bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer geschehe.

Das BMF hat daraufhin mit Schreiben vom 30.9.2013 (BStBl 2013 I S. 1612), geregelt, wie bei der Anrechnung ausländischer Steuern bis zu einer gesetzlichen Umsetzung des EuGH-Urteils verfahren werden solle. Danach sollten bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags von der Summe der Einkünfte die folgenden Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände abgezogen werden:

  • der Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG),
  • der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG),
  • Sonderausgaben (§§ 10, 10a, 10b, 10c EStG),
  • außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG) und
  • berücksichtigte Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG).

Diese Berechnung sollte für Steuern aus allen ausländischen Staaten gelten, also nicht beschränkt auf EU-/EWR-Mitgliedstaaten und auch nicht auf Staaten, mit denen ein DBA besteht.

Entscheidung

Der BFH stellt in dem Urteil fest, wie der Anrechnungshöchstbetrag unter Beachtung der vom EuGH aufgestellten unionsrechtlichen Anforderungen zu berechnen ist. Dabei hält er es für erforderlich, in der Formel für den Anrechnungshöchstbetrag nicht nur die in dem BMF-Schreiben aufgeführten steuerrechtlichen Positionen von der Summe der Einkünfte abzuziehen, vor allem die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, sondern darüber hinaus auch noch den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (zur Zeit 8.354 EUR/16.708 EUR). Dies ergebe sich zwar nicht ausdrücklich aus der Entscheidung des EuGH. Die Analyse der Urteilsgründe des EuGH lasse aber keinen Zweifel daran, dass der Wohnsitzstaat dem Steuerpflichtigen sämtliche an seine persönliche und familiäre Situation geknüpften steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren habe. Dazu gehöre auch der Grundfreibetrag.

Der BFH weist darauf hin, dass sich das BMF in dem Verfahren von der Berechnungsweise nach seinem eigenen Schreiben distanziert habe und es nunmehr für richtig halte, die Abzüge nicht nur im Nenner von der Summe der Einkünfte, sondern auch im Zähler von den ausländischen Einkünften vorzunehmen. Dieser neuen Betrachtungsweise folgt der BFH ausdrücklich nicht, da sie den unionsrechtlichen Anforderungen widerspreche.

Nach dem BFH muss daher der Anrechnungshöchstbetrag bis zu der angekündigten und gebotenen gesetzlichen Anpassung wie folgt berechnet werden:

Anrechnungshöchstbetrag = Tarifliche Einkommensteuer x Ausländische Einkünfte : Verminderte Summe der Einkünfte

Dabei berechnet sich die verminderte Summe der Einkünfte wie folgt:

Summe der Einkünfte

./. Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG)

./. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG)

./. Sonderausgaben (§§ 10, 10a, 10b, 10c EStG)

./. außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG)

./. berücksichtigte Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG)

./. Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG)

=  Verminderte Summe der Einkünfte


Diese Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags muss nach Ansicht des BFH für sämtliche ausländischen Staaten gelten. Sie ist damit sowohl für Einkünfte aus EU-/EWR-Mitgliedstaaten als auch für Einkünfte aus Drittstaaten anzuwenden.

Neben der erforderlichen Berechnungsformel enthält das Urteil des BFH noch weitere wichtige Aussagen zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags:

  • Bei der Ermittlung von Einkünften aus Kapitalvermögen wird der Sparerfreibetrag abgezogen (derzeit 801 EUR/1.602 EUR, § 20 Abs. 9 EStG). Dieser vermindert bei aus dem Ausland stammenden Einkünften aus Kapitalvermögen bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags somit die Höhe der ausländischen Einkünfte und der Summe der Einkünfte. Dies verstößt nach dem BFH nicht gegen Unionsrecht. Die Beträge müssen daher nicht um einen abgezogenen Sparerfreibetrag korrigiert werden.
  • Die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags erfolgt getrennt nach Staaten, wenn die ausländischen Einkünfte aus mehreren ausländischen Staaten stammen (sog. per-country-limitation, § 34c Abs. 7 Nr. 1 EStG, § 68a EStDV). Der BFH hält diese Regelung für verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich. Es ist somit nicht erforderlich, für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags eine sog. overall-limitation (weltweit wirkende staatenübergreifende Begrenzung) oder eine sog. per-community-limitation (unionsweit wirkende staatenübergreifende Begrenzung) anzuwenden.

Praxishinweis

Der BFH trifft in dem Urteil wichtige Aussagen zur unionsrechtskonformen Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags. Dabei weicht er von den Ansichten des BMF ab, sowohl vom Schreiben vom 30.9.2013 als auch von den Äußerungen im Verfahren selbst. Ausdrücklich weist der BFH darauf hin, dass die Berechnung nach seinen Maßstäben bis zu einer gebotenen gesetzlichen Anpassung anzuwenden sei. Es bleibt daher abzuwarten, wie Finanzverwaltung und Gesetzgeber auf das Urteil reagieren werden. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier rasch für Klarheit sorgen wird.

Der BFH benennt in dem Urteil die Abzugspositionen, die bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags die Summe der Einkünfte vermindern sollen. Er betont dabei, dass dem Steuerpflichtigen sämtliche an seine persönliche und familiäre Situation geknüpften steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren seien. Nicht erwähnt werden vom BFH in diesem Zusammenhang Verlustvorträge und Verlustrückträge (die im konkreten Fall auch nicht relevant waren). Würden auch diese berücksichtigt, könnte statt der verminderten Summe der Einkünfte im Nenner der Berechnungsformel das um den Grundfreibetrag verminderte zu versteuernde Einkommen stehen. Hierauf geht der BFH jedoch nicht ein, sodass diese Frage offen bleibt.

Auch weiterhin sollten daher Steuerpflichtige, bei denen ausländische Steuern nur begrenzt auf den Anrechnungshöchstbetrag angerechnet wurden, sorgfältig prüfen, nach welchen Methoden der Höchstbetrag ermittelt wurde und ob eine abweichende Berechnung zu einer höheren Anrechnung führen würde. Gegebenenfalls ist die Einlegung von Rechtsmitteln zu erwägen.

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