BFH Kommentierung: Zufluss von Arbeitslohn bei sonstigen Bezügen

Der Arbeitnehmer bezieht nicht laufend gezahlten Arbeitslohn (sonstige Bezüge) im Zuflusszeitpunkt. Der 10-Tage-Grundsatz (§ 11 Abs. 1 Satz 2 EStG) ist auf sonstige Bezüge nicht anwendbar.

Hintergrund: Beitrag für eine Direktversicherung 

G war Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Im Dezember 2010 wurden eine Entgeltumwandlung und der Abschluss einer Direktversicherung vereinbart. Die GmbH behielt den Tarifbeitrag für 1.12.2010 bis 30.11.2011 vom Dezemberlohn 2010 des G ein. Die Versicherung zog den Beitrag am 5.1.2011 vom Geschäftskonto der GmbH ein. Die Belastung des Kontos erfolgte am 7.1.2011. Der Beitrag für den Folgezeitraum 1.12.2011 bis 30.11.2012 wurde im Dezember 2011 abgebucht. Die GmbH behandelte beide Beiträge in ihren LSt-Anmeldungen als steuerfreien Arbeitslohn.

Das FA ging davon aus, in 2011 seien Beiträge von insgesamt 8.880 EUR als Arbeitslohn zugeflossen. Steuerfrei seien aber lediglich 4.440 EUR. Der Restbetrag (4.440 EUR) sei steuerpflichtig. Der dagegen gerichteten Klage der GmbH gab das FA mit der Begründung statt, die Beitragszahlung sei zwar kein laufender Arbeitslohn, aber gleichwohl eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme, sodass der Anfang Januar 2011 gezahlte Beitrag für 1.12.2010 bis 30.11.2011 als in 2010 zugeflossen gelte.

Entscheidung: Zufluss mit Belastung des Kontos

Die Beitragszahlungen sind Arbeitslohn, da G daraus Ansprüche auf Versicherungsleistungen erworben hat. Es handelt sich aber nicht um laufenden Arbeitslohn, sondern um einen sonstigen Bezug, da die GmbH die Beiträge nicht fortlaufend, sondern nur einmal jährlich zu entrichten hatte. Bei nur einmal jährlich gezahlten Bezügen handelt es sich nicht um laufenden Arbeitslohn, sondern um sonstige Bezüge, auch wenn sie sich in aufeinander folgenden Jahren wiederholen. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstiger Bezug) wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 11 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Zuflusszeitpunkt ist der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers. Bei Beiträgen zu einer Direktversicherung ist das der Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsbeitrag an die Versicherung gezahlt wird. Denn mit dieser Leistung stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die entsprechenden Mittel zur Verfügung. Die GmbH leistete den Beitrag für Dezember 2010 bis November 2011 am 7.1.2011, da an diesem Tag das Geschäftskonto der GmbH belastet wurde. Mit der Erteilung der Einzugsermächtigung am 7.12.2010 war der Beitrag noch nicht geleistet, da damit die GmbH dem G noch keine Mittel zur Verfügung gestellt hatte.

Zuordnung sonstiger Bezüge nach dem Zuflussprinzip

Für die zeitliche Zuordnung sonstiger Bezüge stellt § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG auf den Zuflusszeitpunkt ab. Eine von dem Zufluss abweichende zeitliche Zuordnung nach der wirtschaftlichen Zugehörigkeit ist der Regelung nicht zu entnehmen. Eine Ausnahme vom Zuflussprinzip, wie sie § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen enthält, sieht § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG für sonstige Bezüge nicht vor.

Dementsprechend sind die Beiträge der GmbH in 2011 nur i. H. v. 4.440 EUR steuerfrei (§ 3 Nr. 63 EStG). Der übersteigende Betrag ist individuell zu versteuern. Der Fall wurde an das FG zurückverwiesen. Dieses hat noch zu prüfen, ob die Inanspruchnahme der GmbH durch Haftungsbescheid frei von Ermessensfehlern ist.

Hinweis: Vereinfachung des LSt-Abzugs

Das FG hatte argumentiert, aus dem Verweis in § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG auf das Zuflussprinzip ergebe sich für sonstige Bezüge ein Rückverweis auf § 11 EStG und damit auf die Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG. Dem widerspricht der BFH mit Hinweis auf den Gesetzeswortlaut. Für die Zuordnung sonstiger Bezüge nach der wirtschaftlichen Zugehörigkeit besteht auch kein sachlicher Grund. Das Zuflussprinzip dient der Vereinfachung des LSt-Abzugs durch den Arbeitgeber. Es erleichtert auch dem Arbeitnehmer die zeitliche Zuordnung bei der Veranlagung. Bei der ausschließlichen Geltung des Zuflussprinzips müssen keine Überlegungen dazu angestellt werden, ob es sich bei dem sonstigen Bezug um eine wiederkehrende Einnahme handelt, ob die Erfordernisse der "kurzen Zeit" (§ 11 Abs. 2 Satz 2 EStG) erfüllt sind und zu welchen Kalenderjahr der sonstige Bezug wirtschaftlich gehört bzw. ob eine Aufteilung zu mehreren Veranlagungszeitrumen erforderlich ist. Im Interesse einer einfachen Handhabung im Massenfallrecht der LSt können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die zeitliche Zuordnung sonstiger Bezüge nur nach dem Zufluss richten.

BFH, Urteil v. 24.8.2017, VI R 58/15, veröffentlicht am 22.11.2017.

Alle am 22.11.2017 veröffentlichten Entscheidungen des BFH​​​​​​​

Schlagworte zum Thema:  Entgelt, Direktversicherung, Zuflussprinzip