BFH Kommentierung: Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen

Haben die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen von Anfang an nicht vorgelegen, bedarf es auch dann keiner Wegfallmitteilung, wenn das FA die Durchschnittssatz-Gewinnermittlung jahrelang nicht beanstandet hat.

Hintergrund: Besteuerung eines Weinbaubetriebs

Zu entscheiden war, ob für 2011 die Besteuerung noch nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) durchzuführen war. A erzielte aus einem im Nebenerwerb bewirtschafteten Weinbaubetrieb Einkünfte aus LuF. Die selbst bewirtschaftete, zugepachtete Weinbaufläche betrug 38 Ar. Für die Wirtschaftsjahre 2009/2010 und 2010/2011 ermittelte A ihren Gewinn nach Durchschnittssätzen. In der ESt-Erklärung für das Streitjahr 2011 beantragte A wie in den Vorjahren die Durchschnittssatz-Gewinnermittlung und setzte in der Anlage L für 2010/2011 und 2011/2012 jeweils einen Gewinn von 162 EUR an.

Das FA ermittelte den Gewinn für 2011/2012 durch Schätzung nach einer Einnahmen-Überschussrechnung und setzte die Einkünfte aus LuF für 2011 mit rund 4.000 EUR an. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen hätten zwar nicht vorgelegen. Das FA sei jedoch nach Treu und Glauben nicht befugt gewesen, rückwirkend die Gewinnermittlung nach allgemeinen Grundsätzen (§ 4 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG) zu verlangen.

Entscheidung: Mitteilung vom Wegfall der Voraussetzungen für die Durchschnittssatz-Gewinnermittlung

A konnte ihren Gewinn nicht nach Durchschnittssätzen ermitteln, da sich ihre Tätigkeit auf eine Sondernutzung - Weinbau – beschränkte. Liegen die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 EStG nicht vor und ist der Steuerpflichtige vom FA darauf hingewiesen worden (§ 13a Abs. 1 Satz 2 a.F., jetzt Satz 4 EStG) oder ist ein solcher Hinweis nicht erforderlich, ist der Gewinn nach § 4 EStG zu ermitteln, wobei das FA, wenn entsprechende Aufzeichnungen nicht vorliegen, zur Schätzung befugt ist. Eine Mitteilung ist erforderlich, wenn die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 EStG zunächst vorgelegen haben und später weggefallen sind. Der Wegfall der Voraussetzungen allein verpflichtet noch nicht zur Gewinnermittlung nach § 4 EStG. Erst die Mitteilung schließt als rechtsgestaltender Verwaltungsakt die Durchschnittssatz-Gewinnermittlung für die der Bekanntgabe nachfolgenden Wirtschaftsjahre aus. Nicht erforderlich ist eine Mitteilung dagegen im Fall der Neueröffnung eines Betriebs (oder damit vergleichbar der Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG). Außerdem ist eine Mitteilung nicht erforderlich, wenn das FA die Voraussetzungen der Durchschnittssatz-Gewinnermittlung aufgrund wissentlich falscher Angaben des Steuerpflichtigen bejaht hat (BFH v. 29.11.2001, IV R 13/00, BStBl II 2002, 147).

Hiervon ausgehend ist die Auffassung des FG unzutreffend, allein aufgrund der langjährigen rechtswidrigen Verwaltungspraxis habe es im Streitfall einer Mitteilung nicht bedurft. Dem steht bereits der Gesetzeswortlaut entgegen. Haben die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 EStG zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, können sie auch nicht "weggefallen" sein (i. S. d. § 13a Abs. 1 Satz 2 a. F., jetzt Satz 4 EStG). Auch für eine analoge Anwendung besteht kein Raum. Es besteht keine ergänzungsbedürftige Gesetzeslücke. Denn mit dem gesetzgeberischen Ziel, durch Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 13a EStG in der Landwirtschaft frühestmöglich für größere Steuergerechtigkeit zu sorgen, wäre es unvereinbar, die Ermittlung des tatsächlichen Gewinns weiter hinauszuzögern.

Kein Vertrauensschutz bei von der anerkannten Rechtslage abweichendem Verhalten  

Auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergibt sich kein anderes Ergebnis. Es fehlt schon an einem Vertrauenstatbestand, auf den sich A hätte berufen können. Denn die Besteuerung nach Durchschnittssätzen widersprach der Verwaltungsauffassung. Seit 2008 ist die Durchschnittssatz-Gewinnermittlung nur anwendbar, wenn selbst bewirtschaftete Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung – nicht lediglich Sonderkulturen – vorhanden sind (R 13a Abs. 1 EStR 2008). A konnte somit nicht davon ausgehen, das FA werde an seiner bisherigen – der anerkannten Rechtslage widersprechenden – Sachbehandlung festhalten. Außerdem entspricht es der Abschnittsbesteuerung, dass das FA in jedem Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen hat und daher von seiner Rechtsmeinung abrücken muss, sobald sie sich als unzutreffend erweist.

Betriebseröffnung vor oder nach der Rechtsänderung

Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen.  Der BFH hebt die grundlegende Neureglung der Durchschnittssatz-Gewinnermittlung ab dem Wirtschaftsjahr 1999/2000 hervor. Für die davor geltende Fassung unterlag auch ein reiner Sondernutzungsbetrieb der Durchschnittsatz-Gewinnbesteuerung, wenn der Vergleichswert die Grenze von 2.000 DM nicht überstieg. Für den Fall, dass A ihren Weinbaubetrieb bereits zuvor eröffnet hat und der Vergleichswert der bewirtschafteten Flächen weniger als 2.000 EUR betrug, sind somit die Voraussetzungen für die Durchschnittsatz-Gewinnermittlung erst nachträglich durch die Neufassung des § 13a EStG entfallen. Somit war für diesen Fall eine Wegfallmitteilung erforderlich und A durfte wegen Fehlens dieser Mitteilung ihren Gewinn weiterhin nach Durchschnittssätzen ermitteln. Hat sie jedoch ihren Betrieb erst danach eröffnet, war eine Wegfallmitteilung nicht erforderlich und die Durchschnittssatz-Gewinnermittlung kam das Wirtschaftsjahr 2011/2012 nicht in Betracht. Das FA war dann zu einer Gewinnschätzung berechtigt. Das FG hat nunmehr festzustellen, wann A ihren Weinbaubetrieb eröffnet hat.

Hinweis: Grenzen des Vertrauensschutzes

Der BFH betont die Grenzen der Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz setzt einen Vertrauenstatbestand voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige disponiert hat. Der Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere annehmen konnte, jener werde an seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten. Ein Vertrauenstatbestand kann daher nicht entstehen, wenn die Auffassung und das Verhalten des Steuerpflichtigen der allgemein anerkannten Rechtslage und Verwaltungsauffassung widersprechen oder wenn die Rechtslage wegen unterschiedlicher Auffassungen in Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum ungeklärt ist. Abgesehen von dem Ausnahmefall einer Zusage kann der Steuerpflichtige auch wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung nicht davon ausgehen, das FA werde an einer rechtswidrigen (für ihn günstigen) Auffassung festhalten.

BFH, Urteil v. 23.8.2017, VI R 70/15, veröffentlicht am 13.12.2017.

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