Strategische Nachfolgeplanung

Die eigene Nachfolge zu regeln, ist generell keine "einfache Kost", bei Unternehmern aber besonders wichtig, weil von ihnen neben der eigenen Familie oft auch das Unternehmen abhängig ist. Auch steuerliche Folgen spielen eine Rolle; sie sollten daher Teil der strategischen Nachfolgeberatung sein.

Bedeutung der eigenen Nachfolge

Die wenigsten Personen beschäftigen sich damit, obgleich es jeden betrifft und jedem auch bewusst sein könnte, dass die Hinterbliebenen zahlreiche Dinge erledigen müssen (wie z.B. die Benachrichtigungen über den Tod, Ort und Durchführung der Beerdigung), zahlreiche Fragen beantworten werden und Entscheidung treffen müssen (Wer soll das Unternehmen fortführen? Wer darf Entscheidungen treffen? Wie sollen die privaten und beruflichen Rechnungen beglichen werden, das Vermögen verteilt werden?).

Zugleich dürfte den meisten bewusst sein, dass sowohl die eigene Familie mit ihren Mitgliedern im Ganzen, einzelne Personen, aber ggf. auch das Unternehmen selbst, von ihnen in emotionaler Hinsicht und ggf. in finanzieller Hinsicht abhängig sind.

Dies sollte Anlass genug für eine "Auszeit für die eigene Nachfolge" sein, in welcher das besprochen wird, was unbedingt geregelt werden muss. Im Idealfall stellt diese Auszeit den Ausgangspunkt für die strategische Nachfolgeberatung dar, in der das Thema auch unter Berücksichtigung der steuerlichen Aspekte umfassend betrachtet wird.

"Auszeit für die eigene Nachfolge"

Diese Bezeichnung soll verdeutlichen, dass sich die jeweilige Person bewusst eine Auszeit "nimmt", um sich dieser Thematik gemeinsam mit einer fachkundigen Person (z.B. Steuerberater, Anwalt, Vermögensberater) zu widmen. Teil dieser Auszeit kann die Erstellung eines Notfallordners sein. Ziel ist es, damit die Nachfolgeberatung in 5 Schritten einzuleiten. Diese Schritte sind:

  1. Aufnahme der "Ist-Situation", d. h. des Status quo, z. B. durch Erstellung/Aktualisierung eines sog. "Notfallordners", Darstellung der rechtlichen und steuerlichen Folgen bei sofortigem Eintritt des "Fall X" (Tod der jeweiligen Person).
  2. Erarbeitung der "Soll-Situation" ("Notfallplan", "geplante Nachfolge")
  3. Identifikation des Handlungsbedarfs
  4. Auswahl und Umsetzung der Maßnahmen
  5. Kontrolle/Aktualisierung/Überprüfung/Anpassung des gewählten Konzepts.

Die fünf Schritte im Überblick

1. Schritt: Aufnahme der "Ist-Situation"

Im ersten Teil der strategischen Nachfolgeplanung ist zunächst die Ist-Situation zu erfassen und der Notfallordner zu erstellen, in welchem alle wesentlichen Angaben zum privaten und unternehmerischen Bereich enthalten sind. Der Ordner soll den "Status quo" sichtbar machen und im Falle des Todes den Familienmitgliedern sowie ggf. Nachfolger(n) oder Vertrauten im Unternehmen die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Dies setzt voraus, dass die Personen über dessen Existenz und Standort Kenntnis haben.

Zur Person des Erstellenden kann dieser Ordner z.B. Angaben zu den Beerdigungs- und Benachrichtigungswünschen enthalten, zur Familie, zur Ehe, zum Vermögen, zu den vorhandenen Verträgen und Vollmachten, Testamenten etc., auf unternehmerischer Ebene Angaben zum Vermögen, den Vollmachten, Kunden- und Lieferantenverträgen, Mietverträgen, Passwörtern. Ggf. dürfte die Erstellung zweier Ordner (privater und unternehmerischer Bereich) sinnvoll sein.

Im Rahmen des ersten Schritts ist die Ist-Situation zu erfassen. Hier ist darzustellen, wer eigentlich zur Familie gehört, wie die finanzielle Situation ist, welche Verträge bestehen (z.B. Eheverträge, Erbverträge), welche Vollmachten bereits erteilt wurden. Daraus soll ein umfassendes Bild erarbeitet werden, aus dem deutlich wird, was passiert, wenn die Person verstirbt oder durch einen schweren Unfall nicht mehr selbst handlungsfähig ist:

  • Sind die Personen handlungsfähig, finanziell versorgt, abgesichert, können in der Familie und im Unternehmen die notwendigen Entscheidungen getroffen werden?
  • Wer ist erbberechtigt, wer pflichtteilsberechtigt?
  • Wer bekommt das Vermögen?
  • Welche finanziellen Belastungen sind damit verbunden?
  • Können diese beglichen werden?
  • Wer führt das Unternehmen fort?
  • Entsteht eine Erbengemeinschaft?
  • Wurde ein Testamentsvollstrecker benannt?

2. Schritt: Erarbeitung der "Soll-Situation"

Sicherlich wird sich bei der Beantwortung dieser Fragen bereits zeigen, dass die Ist-Situation nicht der gewünschten Situation ("Soll-Situation") entspricht. Dafür ist im Rahmen der Auszeit für die eigene Nachfolge im 2. Schritt zu bestimmen, was sich die Person eigentlich wünscht. Dabei kann auch die Soll-Situation durch geeignete Fragen identifiziert werden. Dazu gehören z.B.:

  • Auf wen soll das Vermögen übergehen?
  • Wer soll wie versorgt werden?
  • Wer soll das Unternehmen erhalten, wer soll das Unternehmen führen?
  • Wer soll nichts bekommen?
  • Was ist dem Unternehmer im privaten und beruflichen Umfeld wichtig?

3. Schritt: Identifikation des Handlungsbedarfs

Im Anschluss kann im 3. Schritt aus dem Abgleich der Ist-Situation und der gewünschten Soll-Situation der Handlungsbedarf identifiziert werden, aus dem dann im vierten Schritt die notwendigen Maßnahmen abgeleitet werden können. Entscheidend ist, dass die strategische Nachfolgeplanung im Hinblick auf die Wünsche der Person auf zwei Zeitpunkte abstellt:

Was soll im "Fall X" gelten, wenn die Person (der Unternehmer) unerwartet verstirbt? Hier geht es weniger um eine strategische Nachfolgeplanung als vielmehr darum, dass eine ungeplante Nachfolge verhindert wird. Dies kann beispielsweise durch ein Notfalltestament und entsprechende Vollmachten erfolgen, immer im Hinblick darauf, was bei unerwartetem Ableben/Ausfall des Unternehmers passieren soll.

Die andere Frage ist, was soll umgesetzt werden, wenn ausreichend Zeit für die Planung der eigenen Nachfolge bleibt? Wie soll/kann eine "geplante Nachfolge" aussehen? Hier können auch steuerliche Aspekte eine Rolle spielen, wenn z. B. das Vermögen aus erbschaftsteuerlicher Sicht "optimiert wird", damit bei Übertragung dieses Vermögens weniger Erbschaft- und Schenkungsteuer ausgelöst wird. Ggf. kann im Rahmen der geplanten Nachfolge bereits Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden.

Die Handlungen, die zum Erreichen der gewünschten Soll-Situation notwendig sind, werden meist ein Maßnahmenpaket notwendig machen. Dieses wird i.d.R. über eine Zusammenstellung der notwendigen Unterlagen und Angaben hinaus sowohl rechtliche Maßnahmen als auch steuerliche Maßnahmen umfassen. Zu denken ist hier an die Optimierung des Vermögens für steuerliche Zwecke, aber auch die Übertragung von Vermögen, sowie in rechtlicher Hinsicht an das Verfassen eines Testaments bzw. dessen Anpassung an die geänderten Rahmenbedingungen, die Unterzeichnung von Verträgen (z.B. auch Erbverzichtsverträge), die Einleitung der Nachfolge im Unternehmen, Erstellung entsprechender Vollmachten, Notfallpläne etc.

4. und 5. Schritt

Die identifizierten Maßnahmen werden im 4. Schritt umgesetzt und nach Umsetzung im 5. Schritt überprüft. Dabei sollte die Auszeit für die eigene Nachfolge in geeigneten Zeitabständen wiederholt werden, gerade weil sich das familiäre, rechtliche, unternehmensbezogene Umfeld, aber auch die Vorstellungen und Wünsche des Unternehmers i.d.R. ändern.

Steuerliche Aspekte der Nachfolgeberatung

Die steuerlichen Aspekte der Nachfolgeberatung eine entscheidende Rolle spielen. Das gilt i.d.R. immer dann, wenn das Vermögen der jeweiligen Person die persönlichen Freibeträge der Begünstigten i.S.d. § 16 ErbStG übersteigen würde, d.h. bei Übertragung des Vermögens auch tatsächlich Erbschaft- oder Schenkungsteuer anfallen würde. Z

Zudem sollten im Zusammenhang mit den Übertragungen von Vermögen stets die ertragsteuerlichen Wechselwirkungen bedacht werden. Denn Vermögensübertragungen – auch erbschaftsteuerfreie Übertragungen – können die Besteuerung stiller Reserven mit Einkommensteuer auslösen (z. B. wenn nach der Übertragung des Vermögens die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung nicht mehr vorliegen oder es zu einer Entnahme von Sonderbetriebsvermögen kommt, weil derjenige, der nunmehr das (bisherige Sonder-)Betriebsvermögen erhält, nicht Gesellschafter der Personengesellschaft wird und es dadurch zu einer Entstrickung kommt). Zudem sollten auch die grunderwerbsteuerlichen Folgen der angedachten Übertragungen geprüft werden.

Prüfung der steuerlichen Folgen in Schritt 1

Im Rahmen des 1. Schritts "Aufnahme der Ist-Situation" sollten dabei die steuerlichen Folgen geprüft und dargestellt werden, welche im "Fall X" eintreten.

Dafür sind die (Erbschaft-)Steuerpflichten zu prüfen und die Erbschaftsteuer zu berechnen, die entstehen würde. Die Vermögenswerte (auch Unternehmen) müssen für erbschaftsteuerliche Zwecke bewertet werden; sofern dies nicht gewünscht ist, sollte eine überschlägige Bewertung nach § 12 ErbStG erfolgen. Zu beachten ist dabei, dass diese Berechnung stets nur auf Grundlage der vorhandenen Daten und der aktuellen Gesetzeslage erfolgen kann. Das Ergebnis, also die Höhe der durch den Erbfall ausgelösten Steuern, bietet einen guten Ausgangspunkt für die Notwendigkeit/Sinnhaftigkeit von Maßnahmen zur Reduzierung ("Optimierung") der Steuern.

Darüber hinaus kann auf Grundlage dieser Größe auch die Finanzierung der Erbschaftsteuer geprüft werden. In einigen Fällen dürfte die Finanzierung der Steuer eine Veräußerung von Vermögen notwendig machen. Dabei kann in diesem Zusammenhang auch überlegt werden, welches Vermögen dafür in Betracht kommt. Zu beachten ist, dass dadurch weitere Steuerzahlungen ausgelöst werden können (z.B. durch Veräußerung von Grundstücken innerhalb der sog. Spekulationsfrist nach § 23 EStG).

Prüfung der steuerlichen Folgen in Schritt 2

Im Anschluss können die steuerlichen Faktoren in die Erarbeitung der "Soll-Situation" einbezogen werden. Hier geht es um die Frage, durch welche Maßnahmen die Steuer, die im "Fall X" ausgelöst wird, optimiert werden kann.

Auch über das Thema der vorweggenommenen Erbfolge sollte gesprochen werden, d.h. inwieweit eine Übertragung des Vermögens zu Lebzeiten überhaupt in Betracht kommt und wenn ja, welches Vermögen unter welchen Voraussetzungen dafür in Betracht kommt. Lebzeitige Übertragungen, also Schenkungen, haben den Vorteil, dass der Übertragungszeitpunkt (jedenfalls i.d.R.) planbar ist, also auch die Struktur des übertragenen Vermögens bekannt ist und gesteuert werden kann.

Zu bedenken ist dabei, dass mit der Übertragung von Vermögen ggf. auch die Einkunftsquelle des Unternehmers (ggf. seiner Familie) übertragen wird. Daher ist stets zu prüfen, ob und inwieweit Gegenleistungen, wie z.B. Nießbrauchrechte oder Versorgungsleistungen, vereinbart werden sollten. Auch die Sicherung von Mitbestimmungs- und Kontrollrechten sowie Rückforderungsrechten sollten thematisiert werden.

Soweit das Vermögen des Unternehmers auch betriebliches Vermögen umfasst, für welches die Steuerbefreiungen nach §§ 13a, 13b ErbStG (ggf. §§ 13c, 28a ErbStG) in Anspruch genommen werden soll, ist insbesondere zu prüfen, ob und inwieweit dieses betriebliche Vermögen "optimiert" werden kann, damit diese in möglichst großem Umfang zur Wirkung kommt. Auch hier sind die Vorstellungen und Wünsche des Unternehmers zu berücksichtigen, insb. ob bereits Vermögen zu Lebzeiten übertragen werden soll.

Typische Ansatzpunkte für eine aus steuerlicher Sicht optimierte Vermögensübertragung sind (z. B. auch im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge):

  • Optimierung der Struktur des Vermögens (Rechtsformwahl, Stiftungsstrukturen, Umqualifizierung des Vermögens in begünstigungsfähiges Vermögen, z. B. Begründung von Betriebsvermögen, Erhöhung der Beteiligung an Kapitalgesellschaften, Errichtung eines Wohnungsunternehmens durch Zusammenfügung von Immobilien in einem Unternehmen)
  • Optimierung des jeweiligen betrieblichen Vermögens (z. B. Senkung des Verwaltungsvermögens in der jeweiligen betrieblichen Einheit, Erstellung eines Investitionsplans als Notfallinstrument)
  • Optimierung des Immobilienvermögens (z.B. Begründung von Betriebsvermögen, begünstigungsfähiges z .B. Wohnungsunternehmen, Familienheim)
  • Allgemeine Aspekte/Möglichkeiten zur Senkung der Erbschaftsteuer, wie z .B. mehrfache Inanspruchnahme der persönlichen Freibeträge i. S. d. § 16 ErbStG, Kettenschenkung, Erwachsenenadoption, Ausnutzung der weiteren sachlichen Freibeträge in § 13 ErbStG, Übernahme der Erbschaftsteuer, Verteilung des Vermögens auf mehrere Personen, Vereinbarung von Nießbrauchgestaltungen, Wahl des Übertragungszeitpunktes, Vermögensübertragungen zwischen Eheleuten (z. B. Familienheim, Güterstandsschaukel).

Autorin: Dipl.-Kffr. Dr. Katrin Dorn, Steuerberaterin und Partnerin bei Möhrle Happ Luther, Fachberaterin für Unternehmensnachfolge (DStV e. V.). Sie ist in verschiedenen Bereichen des Unternehmenssteuerrechts - vor allem in der Gestaltungs- und Nachfolgeberatung und in Grundsatzfragen – sowie als Lehrbeauftragte und Autorin tätig.

Weitere praktische Hinweise zu Fragen der strategischen Nachfolgeplanung und -beratung finden sich in ihrem bei Schäffer-Poeschel erschienenen Buch "Strategische Nachfolgeplanung