Stolperfalle Reverse Charge: Der Bauunternehmer

In einer 5-teiligen Serie zeigen wir, in welchen Fällen das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt - und wann nicht. Im 2. Teil geht es um Bauleistungen, die von Subunternehmern ausgeführt werden.

Sachverhalt

Bauunternehmer B aus Bautzen führt regelmäßig in Deutschland Rohbau- und Putzarbeiten aus. Teilweise lässt er die Arbeiten – insbesondere kleinere Aufträge – auch durch von ihm beauftragte Subunternehmer ausführen.

Im August 2012 bekommt er den Auftrag, bei der Renovierung eines Einfamilienhauses Innenputzarbeiten auszuführen. Da er wegen eines großen Auftrags kein Personal verfügbar hat, er den Auftrag aber auch nicht ausschlagen will, beauftragt er den ihm bekannten aus Slowenien kommenden Subunternehmer S mit den Putzarbeiten. S hat den Sitz seines Unternehmens nachweislich in Slowenien, B ist aber bekannt, dass sich S häufig bei seiner deutschen Freundin in Bautzen aufhält. Für die Putzarbeiten wird ein Preis von 2.000 EUR ausgehandelt, da B dem S das notwendige Material (Wert 1.000 EUR) an der Baustelle stellt. S versichert ihm – auch unter Vorlage einschlägiger Unterlagen -, dass er in seinem Heimatstaat unter die Begünstigung als Kleinunternehmer fällt; in Deutschland hat S in den vergangenen Jahren nie für mehr als 5.000 EUR gearbeitet.

Im August 2012 sind auch durch einen Sturm Schäden an dem Dach des von B selbst bewohnten Einfamilienhauses entstanden. Da B nicht schwindelfrei ist, beauftragt er den ihm seit Jahren bekannten Dachdecker D mit den Reparaturarbeiten. Da D sich schon im Rentenalter befindet und deshalb nur noch kleine Reparaturarbeiten ausführt, wendet D seit 2010 die Kleinunternehmerbesteuerung nach § 19 UStG an. Nach Abschluss der Arbeiten überweist B dem D 1.000 EUR für die Reparaturarbeiten.

Während der Arbeiten stellt D fest, dass erhebliche Schäden auch an den Regenrinnen entstanden sind, die er nicht beseitigen kann. B beauftragt deshalb ebenfalls noch im August 2012 die Schlosser-GmbH mit der Lieferung und Montage neuer Regenrinnen für netto 3.000 EUR. Alle Arbeiten wurden zur Zufriedenheit des B noch im August 2012 ausgeführt.

Fragestellung

B möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn aus den genannten Sachverhalten ergeben.

Lösung

Alle Beteiligten sind Unternehmer, die selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind; dass es sich teilweise um ausländische Unternehmer handelt, ist dabei ohne Auswirkung.

B ist als Leistungsempfänger ein sog. „bauleistender Unternehmer“ nach § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG, da er regelmäßig Bauleistungen im Sinne der Vorschrift ausführt. Die anderen Unternehmer (S, D, Schlosser-GmbH) führen jeweils Bauleistungen aus, dabei ist unerheblich in welchem Umfang sie solche Bauleistungen ausführen.

Praxis-Tipp: Nur der Leistungsempfänger muss ein „bauleistender Unternehmer“ sein. Dies bedeutet nach der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 13b.3 Abs. 2 UStAE), dass er im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 10 % seiner weltweit ausgeführten Leistungen als Bauleistungen erbracht haben muss. Bei dem leistenden Unternehmer ist es hingegen nur erforderlich, dass die konkret ausgeführte Leistung als „Bauleistung“ anzusehen ist.

Die Putzarbeit des S ist eine in Deutschland ausgeführte Werkleistung. Eine Werklieferung scheidet aus, da das notwendige Material von B beigestellt wird (vgl. Abschn. 3.8 Abs. 2 UStAE). Die Werkleistung wird an dem Grundstück ausgeführt (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG) und ist damit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung ergibt sich nicht.

Im vorliegenden Fall treten 2 Reverse-Charge-Regelungen in Konkurrenz: Die Leistung stellt sowohl eine sonstige Leistung eines ausländischen Unternehmers dar (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG) als auch eine Bauleistung gegenüber einem bauleistenden Unternehmer (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG). Nach der ausdrücklichen Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 UStG geht aber die Nr. 1 der Regelung der Nr. 4 vor. Damit wird B zum Steuerschuldner für die an ihn ausgeführte Leistung (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG).

S ist auch ausländischer Unternehmer nach § 13b Abs. 7 UStG, da er nach den Sachverhaltsangaben den Sitz seines Unternehmens in Slowenien hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch den häufigen Aufenthalt bei seiner deutschen Freundin ein persönlicher Wohnsitz in Deutschland begründet wird. Nach der Entscheidung im Verfahren „Stoppelkamp“ (EuGH, Urteil v. 6.10.2011, C-421/10) geht in einem solchen Fall der Sitz des Unternehmens vor, sodass S als ausländischer Unternehmer gilt und für die von ihm ausgeführte Leistung das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 13b Abs. 5 Satz 4 UStG.

S mag zwar nach slowenischem Recht einer Besteuerung als Kleinunternehmer unterliegen, die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ist aber nach § 13b Abs. 5 Satz 4 UStG nur dann ausgeschlossen, wenn der leistende Unternehmer unter § 19 Abs. 1 UStG fällt.

Wichtig: Ausländische Unternehmer können nie Kleinunternehmer nach § 19 UStG sein, da die Regelung einen im Inland oder in den Gebieten nach § 1 Abs. 3 UStG ansässigen Unternehmer voraussetzt.

Da B an den S 2.000 EUR zahlt, stellt dies die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG dar, auf die die Umsatzsteuer mit 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG) zu berechnen ist. B schuldet damit seinem Finanzamt aufgrund der an ihn ausgeführten Leistung (2.000 EUR x 19 % =) 380 EUR Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer entsteht im Monat der Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Leistungsausführung folgt (§ 13b Abs. 2 UStG). Soweit S keine Rechnung im August oder September 2012 ausstellen sollte, würde die Umsatzsteuer spätestens im VAZ September 2012 bei B entstehen.

Praxis-Tipp: S ist zwar verpflichtet, eine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen, in der die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen ist. Die Steuerschuldnerschaft geht aber auch dann auf den Leistungsempfänger über, wenn der leistende Unternehmer gegen diese Vorschriften verstoßen sollte.

Da B die Leistung offensichtlich für seine besteuerten Umsätze (Werklieferung, steuerbar und steuerpflichtig) verwendet, steht ihm der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG zu. Ein Hinderungsgrund nach § 15 Abs. 2 UStG liegt nicht vor. B kann damit im selben Voranmeldungszeitraum, in dem er die Umsatzsteuer anzumelden hat, auch den Vorsteuerabzug i. H. v. 380 EUR vornehmen.

Wichtig: Der Vorsteuerabzug im Reverse-Charge-Verfahren nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG setzt keine ordnungsgemäße Rechnung voraus – auch ohne Rechnung kann die beim Leistungsempfänger entstandene Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden (Abschn. 15.10 Abs. 1 UStAE).

Die Dachdeckerarbeiten des D sind Werklieferungen, die nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG in Deutschland ausgeführt sind (ruhende Lieferung). Die Leistung des D ist damit steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und unterliegt auch keiner Steuerbefreiung. Da D eine Bauleistung nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG ausführt, würde B zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte Werklieferung werden. Dabei ist unerheblich, dass B die Leistung zwar als Unternehmer aber für seinen privaten Bereich bezieht (vgl. § 13b Abs. 5 Satz 3 UStG). D ist aber nach den Sachverhaltsangaben (zutreffenderweise) als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG anzusehen, sodass keine Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf B erfolgt (§ 13b Abs. 5 Satz 4 UStG). Es ergeben sich für B damit keine umsatzsteuerrechtlichen Folgen aus der an ihn ausgeführten Leistung des D.

Die Erneuerung der Dachrinnen durch die Schlosser-GmbH ist ebenfalls eine Bauleistung nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG. Die Leistung (Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG) wird im Rahmen einer ruhenden Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand der Lieferung im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet – an dem inländischen Grundstück des B. Die Werklieferung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegt keiner Steuerbefreiung.

B wird für die ihm gegenüber ausgeführte Bauleistung zum Steuerschuldner (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 UStG). Auch hier ist unerheblich, dass er die Leis-tung für seinen nichtunternehmerischen Bereich bezieht. Da B an die Schlosser-GmbH offen-sichtlich 3.000 EUR auszahlt, stellt dieser Betrag die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG dar. Es entsteht eine Umsatzsteuer von (3.000 EUR x 19 % =) 570 EUR, die B im Monat der Rechnungsausstellung, spätestens im auf den Monat der Leistungsausführung folgenden Monat, gegenüber seinem Finanzamt anmelden muss.

Praxis-Tipp: Da das (Netto-)Entgelt mehr als 500 EUR beträgt, kommt auch nicht die Ausnahmeregelung nach Abschn. 13b.2 Abs. 7 Nr. 15 UStAE zur Anwendung, nach der Reparaturarbeiten bis zu dieser Grenze nicht unter das Reverse-Charge-Verfahren fallen sollen.

Ein Vorsteuerabzug scheidet für B aus der Erneuerung der Dachrinnen aus. Er bezieht die Leistungen für seinen nichtunternehmerischen Bereich, sodass die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG schon gar nicht besteht. Im Ergebnis hat B eine Zahllast gegenüber seinem Finanzamt von 570 EUR.