Rückforderung von Altersvorsorgezulagen vom Zulageempfänger

Nach Beendigung und Abwicklung des Altersvorsorgevertrages kann die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) rechtsgrundlos geleistete Zulagebeträge vom Zulageempfänger über den nach § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend anzuwendenden § 37 Abs. 2 AO zurückfordern.

Dies ergibt sich aus der BFH-Entscheidung v. 9.7.2019, X R 35/17. Der BFH hat aber die Frage offen gelassen, ob der Gesetzgeber (nunmehr) ggf. mit dem ab 1.1.2018 geltenden § 90 Abs. 3a EStG bewusst und abschließend geregelt hat, wann eine Rückforderung beim Zulageempfänger möglich sein soll, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinere Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO nicht mehr zulässig wäre (so Geisenberger in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 90 Rz 70). Das FG Berlin-Brandenburg hat sich mit dieser Frage beschäftigt.

Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags.

BFH-Entscheidung: § 37 Abs. 2 AO greift

Im Rahmen der BFH-Entscheidung hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass eine Rückforderung nach Beendigung und Abwicklung des Altersvorsorgevertrages bei ihm nicht möglich sei. Die Altersvorsorgezulage sei jeweils vom Anbieter beantragt worden. Hier sei der erste Fehler begangen worden, indem die Zulage beantragt wurde. Zweitens habe die Beklagte einen Fehler gemacht, indem diese den Zulageanträgen entsprochen und die Zulagen ausgezahlt habe. Die Beklagte habe hier die Prüfung der Richtigkeit versäumt.Im § 90 EStG wurde dieser Fall nicht geregelt, sondern nur Absatz 3 beschreibt, wie bei bestehendem Vertragsverhältnis zu verfahren ist.

Der BFH kam aber zu dem Ergebnis, dass § 37 Abs. 2 AO greift, weil die Klägerin als Leistungsempfängerin anzusehen ist. Zwar wurden ihr die Zulagen nicht unmittelbar ausgezahlt, sondern dem Vertragskonto bei ihrem Anbieter gutgeschrieben. Entscheidend sei aber, dass die ZfA die Zulagen für die Beitragsjahre zur Erfüllung eines (vermeintlichen) Anspruchs der Klägerin geleistet hatte. Auf ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin oder ihres Anbieters komme es nicht an.

Neuer § 90 Abs. 3a EStG

Der nun eingeführte § 90 Abs. 3a EStG regelt Fälle, welche Rückforderungen beim Zulageberechtigten betreffen. Erfolgt nach der Durchführung einer versorgungsrechtlichen Teilung eine Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Zulagen, setzt die zentrale Stelle den Rückforderungsbetrag nach Absatz 3 unter Anrechnung bereits vom Anbieter einbehaltener und abgeführter Beträge gegenüber dem Zulageberechtigten fest, soweit das Guthaben auf dem Vertrag des Zulageberechtigten zur Zahlung des Rückforderungsbetrags nach § 90 Abs. 3 Satz 1 nicht ausreicht und im Rückforderungsbetrag ein Zulagebetrag enthalten ist, der in der Ehe- oder Lebenspartnerschaftszeit ausgezahlt wurde (Satz 1 der Vorschrift).

Verdrängung von § 37 Abs. 2 AO?

Aus der neuen Vorschrift hat die Klägerin beim Fall des FG Berlin-Brandenburg geschlossen, dass die Anwendung des § 37 Abs. 2 AO als Anspruchsgrundlage verdrängt sei. Da in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 90 Abs. 3a EStG nicht erfüllt seien, sei der Rückforderungsbescheid rechtswidrig.

FG wendet § 37 Abs. 2 AO weiterhin an

Das FG Berlin-Brandenburg hält § 37 Abs. 2 AO aber weiterhin für anwendbar (Urteil v. 12.4.2021, 15 K 15171/20). Diese Regelung der Abgabenordnung sei nicht durch speziellere Vorschriften verdrängt. Bereits die Systematik des Verfahrens lasse erkennen, dass es eine Rückforderungsmöglichkeit für Zulagen geben muss, die nach Vertragsbeendigung nicht mehr vom Anbieter geleistet bzw. zurückgezahlt werden können.

Der ab 2018 geltende und neu eingeführte § 90 Abs. 3a EStG stehe der Rückforderung nicht entgegen. Denn die in dieser Norm geregelten Sonderfälle zeichnen sich nach Ansicht des FG dadurch aus, dass sie letztlich die direkte Belastung des so im Gesetz auch bezeichneten Zulagenberechtigten vorsehen, weil z. B. eine Rückforderung im Fall einer versorgungsrechtlichen Teilung vorliegt und der (insofern noch bestehende Vertrag) für den Rückforderungsbetrag nicht ausreicht.

Alle Fälle der Vorschrift setzten ein noch bestehendes Vertragsverhältnis voraus und regeln insofern explizit, dass obwohl zwischen Anbieter und Zulagenberechtigten noch Vertragsbeziehungen bestehen, nicht der Anbieter, sondern gerade der Zulagenberechtigte in Anspruch genommen werden soll. Sie sei demnach nicht geeignet, den § 37 Abs. 2 AO zu verdrängen, weil er weiterhin aufgrund des Verfahrens und der insofern fehlenden Sonderregelung in Fällen eines bereits aufgelösten "Riester-Kontos" benötigt wird.

Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Gegen die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (Az X R 9/21). Hier gilt es zu klären, wie Rückforderungsfälle von zu Unrecht gezahlten Altersvorsorgezulagen nach Einführung des § 90 Abs. 3a EStG zu würdigen sind.