Riester-Sonderausgabenabzug: Bindungswirkung für Finanzamt

Bei der Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG stellt sich hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen von § 10a Abs. 1 bis 3 EStG die Frage, ob die Prüfungskompetenz hierfür alleine der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) obliegt.

Gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG können in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte Altersvorsorgebeiträge i. S. des § 82 EStG zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI zustehenden Zulage jährlich bis zu 2.100 EUR als Sonderausgaben abziehen, wenn sie spätestens bis zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres, das auf das Beitragsjahr folgt, gegenüber der zuständigen Stelle schriftlich eingewilligt haben, dass diese der ZfA jährlich mitteilt, dass der Steuerpflichtige zum begünstigten Personenkreis gehört, dass die zuständige Stelle der ZfA die für die Ermittlung des Mindesteigenbeitrags und die Gewährung der Kinderzulage erforderlichen Daten übermittelt und die ZfA diese Daten für das Zulageverfahren verwenden darf.

Gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 EStG steht der Abzugsbetrag i. H. v. 2.100 EUR im Fall der Veranlagung von Ehegatten jedem Ehegatten unter den Voraussetzungen des Abs. 1 gesondert zu. Nach Satz 2 der Vorschrift sind bei dem nach Abs. 1 abzugsberechtigten Ehegatten die von beiden Ehegatten geleisteten Altersvorsorgebeiträge und die dafür zustehenden Zulagen zu berücksichtigen, wenn nur dieser Ehegatte zu dem nach Abs. 1 begünstigten Personenkreis gehört und der andere Ehegatte nach § 79 Satz 2 EStG (mittelbar) zulageberechtigt ist.

Beispiel: Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen

A war früher in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und daher auch im Rahmen seines eigenen Altersvorsorgevertrages unmittelbar zulagebegünstigt. Dies gilt auch für seine Ehefrau. Seit einiger Zeit ist er gewerblich tätig und daher nur noch mittelbar zulagebegünstigt. Dies gab er auch in der Steuererklärung an; das Finanzamt erfasste erklärungsgemäß, sodass die Beiträge von A im Rahmen des Höchstbetrages bei B erfasst wurden. Später erhielt das Finanzamt von der ZfA eine Mitteilung, wonach A weder mittelbar noch unmittelbar zulageberechtigt sei.

Daher änderte das Finanzamt den Bescheid nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG. Im Rahmen des Einspruchs konnte A nachweisen, dass er mittelbar zulageberechtigt ist; das Finanzamt vertrat aber die Auffassung, dass die Prüfungskompetenz für die Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG hinsichtlich der Voraussetzungen der ZfA obliege. Eine erneute Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen sei daher nur möglich, wenn die ZfA in einem Festsetzungsverfahren zu dem Ergebnis gelange, dass der Kläger zulageberechtigt sei. Ein solcher Antrag sei nicht gestellt worden (Jahresfrist nach § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG war abgelaufen)

FG Hamburg entscheidet wie Finanzamt 

Das FG Hamburg hat hierzu entschieden (Urteil v. 5.12.2018, 1 K 326/16, Haufe Index 12818350), dass dem Finanzamt kein Ermessen zusteht, weil nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG die Steuerfestsetzung zu ändern ist, soweit die Überprüfung durch die zentrale Stelle im automatisierten Datenabgleich eine Abweichung von dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG ergibt. Nach der gesetzlichen Systematik des XI. Abschnittes des Einkommensteuergesetzes sei die zentrale Stelle die (allein) zuständige Behörde zur Berechnung und Überprüfung der Zulage sowie für die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs.

FG Düsseldorf schließt sich dieser Auffassung nicht an

Das FG Düsseldorf ist hierzu gegenteiliger Auffassung (Urteil v. 21.03.2019, 11 K 311/16 E). Bei der Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG handele es sich um eine Ermächtigungsgrundlage zur Änderung einer Steuerfestsetzung aufgrund gesetzlicher Zulassung im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 d) AO. Aufgrund der gebotenen Auslegung handele es sich um einen Rechtsgrundverweis, der eine Versagung des Sonderausgabenabzugs nur erlaubt, wenn sich im Besteuerungsverfahren ergibt, dass die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 bis 3 EStG nicht vorliegen.

Bei der Mitteilung über eine Abweichung gemäß § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG liegt nach Ansicht des FG mangels Außenwirkung kein Grundlagenbescheid vor, sondern es handelt sich um einen Vorgang innerhalb der Verwaltung. Ähnlich wie bei Ergehen einer Kontrollmitteilung sei das Finanzamt daher im Zweifelsfall verpflichtet, deren Richtigkeit im Besteuerungsverfahren zu überprüfen (so auch FG Niedersachsen, Urteil v. 4.4.2012, 3 K 330/11). Dafür spreche auch, dass der Anspruch auf einen Sonderausgabenabzug gem. § 10a EStG davon unabhängig ist, ob der Steuerpflichtige tatsächlich einen Antrag auf Gewährung der Altersvorsorgezulage gestellt hat. Dies lasse sich dem Wortlaut des § 10a Abs. 2 Satz 1 EStG entnehmen, der für die vorzunehmende Günstigerprüfung allein auf den "Anspruch" auf die Zulage, nicht aber auf die gewährte Zulage abstellt. Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ergebe sich ebenfalls kein Hinweis darauf, dass das Finanzamt bei einer Mitteilung gem. § 91 Abs. 1 Satz 3 EStG eine Änderung ohne eigene Prüfungskompetenz vorzunehmen hätte. 

Revisionsverfahren anhängig

Gegen die Entscheidung des FG Hessen läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (Az. X R 2/19). Auch das FG Düsseldorf hat die Revision zugelassen( Az. der Revision: X R 16/1).