Privates Veräußerungsgeschäft nach kurzzeitiger Vermietung

Ausgenommen von der 10-jährigen Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken sind u.a. Wirtschaftsgüter, die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Es stellt sich die Frage, ob diese Voraussetzung auch erfüllt ist, wenn nach einer langjährigen ununterbrochenen Eigennutzung, eine Eigentumswohnung vor dem Verkauf kurzzeitig vermietet wird.

Beispiel: Kurzzeitige Vermietung nach Eigennutzung

A hat seine in 2012 erworbene Eigentumswohnung bis Februar 2019 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Von März bis Juli vermietete er die Wohnung. Im August 2019 wurde sie mit Gewinn veräußert. 

Ausnahmen von der Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts 

Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Die Voraussetzung „Nutzung eigenen Wohnzwecken“ ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut allein, mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten bewohnt hat.

BFH: Bei der 2. Alternative genügt ein zusammenhängender Zeitraum

Im Gegensatz zur 1. Alternative setzt § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative nach dem Gesetzeswortlaut nicht voraus, dass die Wohnung zwischen Anschaffung und Veräußerung „ausschließlich“ zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Nach Auffassung des BFH muss im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht während des gesamten Kalenderjahrs vorgelegen haben. Es genügt ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs – voll auszufüllen (BFH, Urteil v. 27.6.2017, IX R 37/16, BStBl. 2017 II S. 1192).

Finanzverwaltung: Nur Leerstand im Veräußerungsjahr unschädlich

Nach der bisherigen Verwaltungsmeinung muss die Eigennutzung bis zur Veräußerung andauern. Eine – wie hier – Vermietung vor der Veräußerung soll demnach – im Gegensatz zu einem kurzzeitigen Leerstand – keine Nutzung sein durch die eine Ausnahme von der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft möglich ist (BMF, Schreiben v. 5.10.2000, BStBl. 2000 I S. 1383, Rz. 25).

FG Baden-Württemberg: Unterscheidung zwischen Leerstand und Vermietung nicht nachvollziehbar

Dies sieht das FG Baden-Württemberg anders (Urteil v. 7.12.2018, 13 K 289/17).

§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative benennt gerade keine schädlichen Nutzungsarten, sondern fordert lediglich eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in den genannten Jahren.

Für die Unterscheidung zwischen einem „steuerbegünstigten Leerstand“ und einer „steuerschädlichen Vermietung“ ergeben sich weder aus dem Gesetz noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift Anhaltspunkte.

Mit Schaffung der Ausnahmetatbestände wollte der Gesetzgeber ungerechtfertigte Besteuerungen von Veräußerungsgewinnen bei Aufgabe des Wohnsitzes vermeiden. Dieser Zweck würde jedoch bei Annahme der Steuerschädlichkeit einer kurzzeitigen Zwischenvermietung bis zur Veräußerung verfehlt. Denn ein zum Umzug gezwungener Arbeitnehmer (z. B. durch Arbeitsplatzwechsel) müsste dann, um eine steuerpflichtige Veräußerung zu vermeiden, die Wohnung bis zur Veräußerung leer stehen zu lassen. Dies würde dazu führen, dass er rein aus steuerlichen Gründen sowohl die laufenden Kosten der bisherigen Wohnung als auch die Kosten für die Wohnung am neuen Arbeitsort tragen muss, ohne dass es ihm möglich ist, diese Kosten durch eine Zwischenvermietung zu minimieren.

Nach Auffassung des FG stellt sich auch die Frage, warum zwischen einer steuerunschädlichen Vermietung vor Beginn des Dreijahreszeitraums und einer steuerschädlichen am Ende des Dreijahreszeitraums unterschieden werden soll.

Aktualisierung: BFH-Entscheidung

Der BFH hat mit Urteil v. 3.9.2019 (IX R 10/19) die Auffassung des FG bestätigt. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken muss im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung nicht während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben; vielmehr genügt ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über 3 Kalenderjahre erstreckt, ohne sie - mit Ausnahme des ersten Jahres vor der Veräußerung ("mittleres Kalenderjahr") - voll auszufüllen.

Danach sei ausreichend für die Anwendung der Ausnahmevorschrift eine zusammenhängende Nutzung von einem Jahr und zwei Tagen - wobei sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das gesamte mittlere Kalenderjahr erstrecken muss, während die eigene Wohnnutzung im zweiten Jahr vor der Veräußerung und im Veräußerungsjahr nur jeweils einen Tag zu umfassen braucht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine kurzzeitige Zwischenvermietung im Jahr der Veräußerung für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG unschädlich.