Kosten einer Erstausbildung als Werbungskosten

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat auf Anfrage des BVerfG zu der Frage Stellung genommen, ob § 9 Abs. 6 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit nach dieser Vorschrift Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung bzw. ein erstmaliges Studium nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Ob die Kosten für eine Erstausbildung als vorweggenommene Werbungskosten oder "nur" als Sonderausgaben abzugsfähig sind muss das BVerfG in den Verfahren 2 BvL 23/14 – 26/14 entscheiden. 

Die Stellungnahme Nr. 11/2018 der BRAK vom 11.4.2018 bezieht sich auf mehrere Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des BFH v. 17.7.214 (u. a. VI R 8/12, Haufe Index 7383961). Mit diesen Beschlüssen hat der BFH dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG vom 7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet und auch keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern. 

Stellungnahme der BRAK

Mit ihrer Stellungnahme unterstützt die BRAK nach eingehender Prüfung die vom BFH vertretene Auffassung, wonach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung des Grundsatzes der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verfassungswidrig ist, weil die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine eigene Berufsausbildung einkommensteuerrechtlich unberücksichtigt bleiben. 

Die BRAK stimmt in ihrer Stellungnahme der Auffassung des BFH zu, wonach sich die Annahme, Aufwendungen für das Erststudium oder die erstmalige Berufsausbildung seien stets dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen (und folglich nicht als Werbungskosten absetzbar) nicht mit der Erwägung einer Vereinfachung der Verwaltungspraxis rechtfertigen lasse. Es könne aber keine Rede davon sein, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland die erstmalige Berufsausbildung oder das Erststudium regelmäßig privat veranlasst seien und kein hinreichend konkreter Zusammenhang mit der späteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen bestehe.

Musterverfahren des BdSt – 2 BvL 24/14 – vorgehend VI R 8/12

Auch in diesem Verfahren, welches vom Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützt wird, geht es um die Frage, ob Aufwendungen für ein Erststudium nach dem Abitur, das nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, oder nur mit 6.000 EUR nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben in Form von Berufsausbildungskosten zu berücksichtigen sind.

Der Kläger, welcher nach seinem Abitur in den Jahren 2004 bis 2008 internationale Betriebswirtschaftslehre studierte, machte mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 1.612 EUR und Werbungskosten in Höhe von 19.528 EUR geltend. Die Werbungskosten ergaben sich aus den Aufwendungen für Arbeitsmittel (Absetzungen für Abnutzung auf PC 723 EUR, Fachliteratur pauschal 150 EUR, Studiengebühren 5.120 EUR) sowie aus den Kosten für das Auslandssemester in Australien (Zimmermiete 5.000 EUR; Verpflegungsmehraufwand für 180 Tage x 39 EUR = 7.020 EUR; Flugkosten 1.515 EUR). 

Finanzamt und Finanzgericht berücksichtigten die geltend gemachten Ausbildungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben mit der Folge, dass sich keine steuerliche Auswirkung ergab. Auf die Revision des Klägers hat der BFH mit der o.a. Begründung die Sache dem BVerfG vorgelegt.

Praxis-Tipp: Kosten geltend machen

Unter Hinweis auf die beim BVerfG anhängigen Verfahren 2 BvL 23/14, 24/14, 25/14, 26/14 und 27/14 sollten Betroffene die Kosten ihrer Erstausbildung bzw. ihres Erststudiums auch dann gelten machen, wenn sie vor Beginn der Ausbildung oder des Studiums keine Erstausbildung absolviert haben. Dabei ist zu beachten, dass die Kosten der Ausbildung oder des Studiums durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung bzw. durch einen Antrag auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags geltend zu machen sind. Steuerppflichtige, die bisher noch keine Steuererklärungen abgegeben haben, können bis zum 31.12.2018 noch die Berücksichtigung der Ausbildungskosten als Werbungskosten für die Jahre ab 2014 beantragen. 

Vorläufigkeitsvermerk im Bescheid enthalten?

Da die Finanzämter ngewiesen sind, die Steuerfestsetzungen für die Jahre 2004 bis 2014 und auch für die Jahre ab 2015 wegen der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder eines Studiums als Werbungskosten oder Betriebsausgaben gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig vorzunehmen, sollten Betroffenen darauf achten, dass ihr Steuerbescheide auch diesen Vorläufigkeitsvermerk enthalten. Ist das nicht der Fall, sollten die entsprechenden Steuerbescheide durch einen Einspruch offen gehalten werden.