Gibt es beim erweiterten Verlustausgleich ein Wahlrecht?

Haftet der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gläubigern der Gesellschaft aufgrund des § 171 HGB, "können" dessen Verluste bis zur Höhe des Betrags, um den seine im Handelsregister eingetragene Einlage seine geleistete Einlage übersteigt, auch ausgeglichen oder abgezogen werden, soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Handelt es sich dabei um ein Wahlrecht?

Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Grundregel) wird die Zurechnung ausgleichsfähiger Verluste "grundsätzlich auf den Betrag der geleisteten Einlage" beschränkt. Ein darüber hinausgehender – d.h. die geleistete Einlage überschreitender – Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (erweiterter Verlustausgleich) ist daran gebunden, dass der Kommanditist mit einer gegenüber der geleisteten Einlage höheren Haftsumme im Handelsregister eingetragen ist und somit im Verhältnis zu den Gläubigern der KG nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB einer sog. überschießenden Außenhaftung unterliegt (BFH Urteil vom 14.10.2013 - VIII R 32/01, Rn. 13).

Wahlrecht laut Fachliteratur

Teilweise wird in der Fachliteratur vertreten, dass § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen enthalte und dieser folglich vom erweiterten Verlustausgleich keinen Gebrauch machen müsse. Begründet wird diese Ansicht mit dem Gesetzeswortlaut "können" und mit der in § 15a Abs. 1 Satz 3 EStG normierten Nachweispflicht (Bitz in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 15a Rz. 29; Wacker in Schmidt, EStG 40. Aufl. 2021 Rn. 87).

Urteil des FG Rheinland-Pfalz

Nach einer neuen Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz räumt § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG der KG kein Wahlrecht zur Geltendmachung des erweiterten Verlustausgleichs ein (Urteil vom 21.04.2021 - 1 K 1443/18). Während § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG den Begriff "können" verwendet, erfolgt nach § 15a Abs. 2 Satz 1 EStG eine Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen nur, soweit der Verlust nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgeglichen werden "darf".

Besonders in der Umgangssprache würden die Begriffe "können" und "dürfen" oftmals synonym verwendet. Der Wortlaut "können" sei daher nicht eindeutig. Verzichtete der Steuerpflichtige im Rahmen eines Wahlrechts nach § 15a  Abs. 1 Satz 2 EStG auf einen Verlustausgleich, so wäre eine spätere Verrechnung nach § 15a Abs. 2 EStG ausgeschlossen, da der Verlust nach § 15a Abs. 1 EStG ausgeglichen werden durfte. Der Gesetzgeber wollte nach Auffassung des Gerichts mit § 15a Abs. 2 Satz 1 EStG nur die Möglichkeit schaffen, entgegen § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG den Verlust auszugleichen bzw. zu verrechnen, ohne damit eine Wahlmöglichkeit für den Steuerpflichtigen zu eröffnen.

Urteil trotz zugelassener Revision rechtskräftig

Gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz wurde die Revision zugelassen, die aber leider nicht eingelegt worden ist, sodass das Urteil rechtskräftig ist. Eine höchstrichterliche Entscheidung bleibt daher zunächst aus. Die Praxis wird sich entweder an dem genannten Urteil oder aber an den entgegenstehenden Literaturmeinungen orientieren.

Schlagworte zum Thema:  Verlustverrechnung, Kommanditist