Depotübergreifende Verlustverrechnung im Rahmen der Veranlagung

Depotführende Banken haben nach § 43a Abs. 3 EStG im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens auch Verlustverrechnungen durchzuführen. Eine Rückgängigmachung über die Veranlagung war bisher ausgeschlossen. 

Beispiel: Y hat in 2018 bei der A-Bank einen Aktienveräußerungsverlust i. H. v. 15.000 EUR und Gewinne aus Termingeschäften i. H. v. 28.000 EUR. Die A-Bank führt keine Verlustverrechnung durch, weil Aktienveräußerungsverluste nur mit Aktienveräußerungsgewinnen verrechnet werden dürfen. Bei der B-Bank hat Y einen Aktienveräußerungsgewinn i. H. v. 35.000 EUR und Verluste aus Termingeschäften i. H. v. 27.000 EUR. Da eine Verrechnung mit Aktienveräußerungsgewinnen nicht ausgeschlossen ist, verrechnet die B-Bank den Verlust aus Termingeschäften, sodass ein (Aktien-)Veräußerungsgewinn i. H. v. 8.000 EUR verbleibt. Y stellt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2018 einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts, damit der Aktienveräußerungsverlust der A-Bank mit dem Aktienveräußerungsgewinn der B-Bank verrechnet wird. Das Finanzamt verrechnet aber lediglich 8.000 EUR, sodass 7.000 EUR (15.000 ./. 8.000) an Verlust(-vortrag) verbleiben und 28.000 EUR (Termingeschäfte A-Bank) der Abgeltungssteuer unterliegen.

Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG

Die Verlustverrechnung erfolgt nach den Regeln des § 20 Abs. 6 EStG. Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Kapitalvermögen erzielt. Weiter ist zu beachten, dass Verluste aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, dürfen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden dürfen (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG).

Die auszahlende Stelle hat unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG im Kalenderjahr negative Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen (§ 43a Abs. 3 Satz 2 EStG). Die Finanzverwaltung hat diese Regelung bisher so interpretiert (BMF, Schreiben v. 18.1.2016, BStBl 2016 I S. 85 Rz. 118, Haufe Index 9077277), als seien die von den inländischen Kreditinstituten jeweils vorgenommenen depotbezogenen Verlustverrechnungen vorrangig und als bindend zu akzeptieren; sie könnten im Rahmen der Veranlagung durch das Finanzamt nicht mehr (im Wege einer depotübergreifenden Berechnung) rückgängig gemacht werden.

BFH-Entscheidung zu Verrechnung von Altverlusten nach § 23 EStG a. F. (bis 31.12.2013)

Der BFH hat aber mittlerweile entschieden (Urteil v. 29.8.2017, VIII R 23/15, Haufe Index 8141157), dass eine depotübergreifenden Verrechnung bei der (Antrags-)Veranlagung gemäß § 32d Abs. 4 EStG möglich ist. Nach Auffassung des BFH ist die depotbezogene unterjährige Verlustverrechnung der auszahlenden Stelle i. S.d. § 43a Abs. 3 EStG zwar vorrangig, aber nicht endgültig. Aus der gesetzlichen Konzeption der Abgeltungsteuer ergebe sich, dass die Verlustverrechnung bei der Bank nicht endgültig, sondern bei der (Antrags-)Veranlagung eine depotübergreifende günstigere Verrechnung durchzuführen ist.

Nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG ist die Einkommensteuer für Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, mit dem Steuerabzug zwar abgegolten; jedoch werden nach § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG auf Antrag des Gläubigers die Kapitalerträge in die besondere Besteuerung von Kapitalerträgen einbezogen, sodass die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs entfällt. Der hierfür vorgesehene Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, den Steuereinbehalt durch die auszahlende Stelle dem Grunde und der Höhe nach im Veranlagungsverfahren durch das Finanzamt überprüfen zu lassen. Zudem sollen noch nicht im Rahmen des § 43a Abs. 3 EStG berücksichtigte Verluste und Verlustvorträge nach § 20 Abs. 6 EStG genutzt werden können. Danach ist die Verlustverrechnung im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens durch die Kreditinstitute zwar zeitlich vorrangig, jedoch bei einer Antragstellung nach § 32d Abs. 4 EStG nicht endgültig.

Verrechnung der Altverluste: Anpassung durch Finanzverwaltung

Da die Grundsätze des BFH nicht nur für die Verrechnung der Altverluste (bis 31.12.13) gelten, sondern auch für Gewinne aus Aktienveräußerungen, die auf Ebene des depotführenden Instituts mit allgemeinen Verlusten aus Kapitalvermögen ausgeglichen wurden, anzuwenden sind, hat die Finanzverwaltung nun ihre Auffassung (BMF, schreiben v. 17.1.2019, BStBl 2019 I S. 51 Rz. 118 und 119, Haufe Index 12617651) angepasst. Diese institutsbezogene unterjährige Verlustverrechnung ist nur zeitlich vorrangig. Auf Antrag ist im Rahmen der Veranlagung gemäß § 32d Abs. 4 EStG eine institutsübergreifende Verlustverrechnung (zwischen mehreren Depots bei unterschiedlich auszahlenden Stellen) durchzuführen. Um im Rahmen der Veranlagung eine institutsübergreifende Verrechnung von Aktienveräußerungsverlusten mit Aktienveräußerungsgewinnen zu erreichen, hat der Steuerpflichtige von dem jeweils depotführenden Kreditinstitut eine Steuerbescheinigung im Sinne des § 45a Abs. 2 EStG einzureichen, in der "Gewinne aus Aktienveräußerungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Zeile 8 Anlage KAP)" und im nachrichtlichen Teil der "Gewinn aus Aktienveräußerungen vor Verrechnung mit sonstigen Verlusten im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG" aufgeführt werden (bis VZ 2018 auch über geeignete Unterlagen möglich). Daher ist hier wie folgt zu verrechnen

Gewinn aus Termingeschäften A-Bank 28.000 EUR ./.  Verlust aus Termingeschäften B-Bank 27.000 EUR= 1.000 EUR
Aktienveräußerungsgewinn B- Bank 35.000 EUR ./. Aktienveräußerungsverlust A-Bank 15.000 EUR= 20.000 EUR