10-Tages-Zeitraum bei Fälligkeit am Wochenende oder Feiertag

Die Regelung des § 108 Abs. 3 AO ist im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG bei Zahlungsabfluss innerhalb der 10 Tage nicht anzuwenden, wenn der gesetzliche Fälligkeitstermin auf ein Wochenende fällt.

Dies hatte das FG Thüringen mit Urteil vom 27.01.2016 (3 K 791/15, Haufe Index 9735221) entschieden (wir berichteten, Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt). Hintergrund ist, dass § 11 EStG für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, wie z. B. USt-VZ, eine Ausnahmeregelung vorsieht. Diese Ausgaben müssen im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgezogen werden, selbst wenn sie beim Unternehmer schon kurze Zeit vor Beginn oder erst kurze Zeit nach Beendigung dieses Jahres abfließen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 EStG). 

Als "kurze Zeit" definiert die Rechtsprechung des BFH einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen vor bzw. nach dem Jahreswechsel. Dabei gelingt nach Auffassung der Finanzverwaltung (OFD NRW, Kurzinfo 09/2014 v. 29.4.2016) ein Abzug abweichend geleisteter Zahlungen im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nur dann, wenn diese innerhalb des 10-Tages-Zeitraums fällig und geleistet worden sind (vgl. zum Gesamten News v. 5.10.2016). 

Beispiel in News vom 5.10.2016

A hat seine USt-VZ für den Monat Dezember 2015, welche bei Anwendung des § 108 Abs. 3 AO statt am 10.1.2016 (Sonntag), erst am 11.01.2016 fällig war, am 5.01.2016 durch Banküberweisung bezahlt.

Urteil des FG Sachsen

Wie auch schon das das FG Thüringen ist aktuell das FG Sachsen der Auffassung (Urteil v. 30.11.2016, 2 K 1277/16, Haufe Index 10109590), dass bei regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben Zufallsergebnisse vermieden werden sollen. Eine Anwendung der Ausnahmeregelung käme aber nicht in Betracht, wenn dadurch der in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG enthaltene Grundsatz der Zuordnung zum Jahr der Zahlung in erheblichem Umfang außer Kraft gesetzt werden würde. 

Dies wäre aber der Fall, wenn bei USt-VZ, die zum 10. Tag im Januar fällig werden, § 11 Abs. 2 EStG keine Anwendung finden würde, weil wegen der Regelung des § 108 Abs. 3 i. V. m. § 193 BGB die Fälligkeit erst am 11. oder 12. Januar eines Jahres eintritt. Es könne nicht von Umständen, auf die der Steuerpflichtige keinen Einfluss hat, abhängen, ob bei der gleichen Konstellation in einem anderen Jahr einmal eine Zurechnung zum Vorjahr erfolgt und in einem anderen Jahr nicht. Hinsichtlich der Fälligkeit der bewirkten Zahlung sei daher § 11 Abs. 2 EStG auch anzuwenden, wenn der kurze Zeitraum von 10 Tagen wegen der Regelung des § 108 Abs. 3 i. V. m. § 193 BGB in einigen Jahren 11 oder 12 Tage beträgt, wenn die zu erbringende Leistung innerhalb des 10-Tages-Zeitraums erfolgt ist.  

Praxis-Tipp: Revisionsverfahren

Entgegen dem FG Thüringen hat das FG Sachsen die Revision zugelassen, welche auch eingelegt wurde (Az. des BFH: III R 1/17).

Auch Nichtzulassungsbeschwerde war erfolgreich

Wie zu erwarten war, hat der BFH - aufgrund der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde - auch gegen das Urteil des FG Thüringen die Revision mittlerweile zugelassen, welche unter dem Az. X R 44/16 anhängig ist. Vergleichbare Fälle sollten offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. 

Weiteres Urteil des FG Sachsen

Der 3. Senat des FG Sachsen hat aktuell entschieden (Urteil v. 22.11.2016, 3 K 1092/16), dass § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG seinem Wortlaut nach allein auf die wirtschaftliche Zuordnung der wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben abstellt. Mithin käme es bei der Anwendung der Ausnahmeregelung neben der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Wirtschaftsjahr nur darauf an, dass die Ausgaben kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres abgeflossen sind. Dies könnte so zu deuten sein, dass es auf die Fälligkeit nicht (mehr) ankommt (vgl. Ausführungen hierzu in News v. 5.10.2016). Der BFH wird im Revisionsverfahren (Az. des BFH: X R 2/17) Gelegenheit haben, diese Frage zu beantworten. 

Ergänzende Hinweise v. 15.5.2018: 

Dass es auch weiterhin auf die Fälligkeit ankommt, hat der BFH mit Urteil v. 24.8.2017 (VI R 58/15, Haufe Index 11353598) bestätigt. 

Aktuell hat das FG München entschieden (Urteil v. 7.3.2018, 13 K 1029/16), dass der unbestimmte Rechtsbegriff der "kurzen Zeit" in Bezug auf die Leistung und der damit einhergehenden Fälligkeit aus gesetzesimmanenten Gründen - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - mit mindestens 12 Tagen zu bemessen ist. Das FG ist dieser Auffassung, weil er das Auslegungsergebnis, der unbestimmte Begriff "kurze Zeit" umfasse einen Zeitraum von bis zu höchstens 10 Tagen, für modifizierungsbedürftig hält, weil es sich mit der innergesetzlichen steuerlichen Logik, die sich im Zusammenhang mit der möglichen Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen als Aufwand ergibt, nicht in Einklang bringen lässt. 

Dass die Umsatzsteuerzahlungen eines Jahres in ihrer Gesamtheit dem Wirtschaftsjahr und Kalenderjahr ihrer Entstehung zuzurechnen sein sollen, entspreche periodengerechter Besteuerung und dem systematischen Abstellen der Besteuerung auf das Kalenderjahr. Ein plausibler Grund, dass Trennungen des Wirtschaftsjahres hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Umsatzsteuerzahlungen unter gesonderter Betrachtung des letzten Monats für den "Normalfall" vom Gesetzgeber beabsichtigt oder in Kauf genommen werden sollten, sei nicht ersichtlich. Sie widerspreche auch dem natürlichen Rechtsempfinden, weil sich der Aufwand für die Umsatzsteuer eines Jahres als natürliche Gesamtheit ergibt. 

Eine künstliche Trennung dieser Gesamtheit ergäbe sich für den "Normalfall" aber zwangsläufig, wenn an der Rechtsprechung der "kurzen Zeit" im Rahmen des § 11 EStG festgehalten wird, weil durch die Verschiebung der Fälligkeit gem. § 108 Abs. 3 AO in 2 oder einem von 7 Jahren (je nach Schaltjahresauswirkung) eine derartige künstliche Trennung bewirkt wird, als die aufwandsmäßige Zuordnung dann nicht im Rahmen der Einheit des Wirtschaftsjahres erfolgen kann, weil die Fälligkeit der Umsatzsteuerforderung die Festlegung des 10 Tageszeitraumes überschreitet. Soweit daher der Gesetzgeber im Wege des § 108 Abs. 3 AO einen abweichenden Fristablauf festgelegt hat und dieser den "kurzen Zeitraum" der Umsatzsteuerfälligkeit ausdehnt, sei diese Gesetzesabsicht auch in die Auslegung des unbestimmten Begriffs "kurze Zeit" miteinzubeziehen. 

Auch gegen die Entscheidung des FG München wurde Revision eingelegt, welche unter dem Az. VIII R 10/18 beim BFH geführt wird.