Die EU-Kommission beabsichtigt seit 2008, eine "Europa-GmbH" (SPE) einzuführen. Insbesondere durch Vorbehalte Deutschlands ist das Projekt jedoch ins Stocken geraten und wurde bei dem Treffen des Ministerrats vom 28.06.2011 gar nicht erst diskutiert.

Eine Verabschiedung der SPE-Verordnung in diesem Jahr ist damit leider nicht zu erwarten.

1. Hintergrund

Um den klein- und mittelständischen Unternehmen die grenzüberschreitende Tätigkeit in der EU zu erleichtern, hat die EU-Kommission bereits 2008 beschlossen, eine den Bedürfnissen dieser Unternehmen entsprechende Gesellschaftsform zu schaffen – die Societas Privata Europaea = SPE, auch „Europa-GmbH“ genannt. Kennzeichnend für die SPE ist, dass EU-weit ein einheitliches Regelungskonzept geschaffen werden soll. Anders als bei der europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea - SE) sollen die SPE unterschiedlicher Mitgliedstaaten im Außenverhältnis den gleichen Regeln (mit Ausnahme des Arbeits-, Steuer und Insolvenzrechts) unterliegen.

Die Organisation im Innenverhältnis unterliegt einer erheblichen Gestaltungsfreiheit der Anteilseigner. Beispielsweise können sie – ein Novum im deutschen Recht – ein „monistisches“ System mit einem Verwaltungsrat einführen, wie es bereits insbesondere durch die englische Limited und durch Schweizer Gesellschaften bekannt ist. Auch sind Strukturen wie in der GmbH sowie der AG möglich. Die SPE soll von der Teilnahme am Kapitalmarkt ausgeschlossen sein.

2. Streitstand

Das Europäische Parlament unterstützt den Vorschlag zur Schaffung der SPE massiv und hat diesem nicht nur zugestimmt, sondern die Mitgliedstaaten in einer Entschließung vom 12.05.2011 zur Zustimmung aufgefordert.

Nationale Interessen im Hinblick auf Sitz / Sitzverlegung, Mindestkapitalausstattung (im Raum stehenden Beträge zwischen 1,00 und 8.000,00 EUR), Arbeitnehmermitbestimmung und die Form der Anteilsübertragung (notarielle Beurkundung – ja/nein) haben bislang jedoch eine Einigung verhindert. Dies betrifft sowohl den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission als auch den im Mai dieses Jahres vorgelegten Kompromissvorschläge der ungarischen Ratspräsidentschaft, der im Europäischen Rat am 30.05.2011 wegen des Vetos Deutschlands und Schwedens nicht die notwendige Mehrheit fand.

Die (fast schon traditionellen) Bedenken Deutschlands gehen wie auch bei der Einführung der großen Schwester der SPE, der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und der grenzüberschreitenden Verschmelzungsrichtlinie dahin, dass mit der Einführung der SPE die im Vergleich zu den übrigen Mitgliedstaaten hohen Standards im Bereich Mindestkapitalausstattung, Arbeitnehmermitbestimmung und Form der Anteilsübertragung umgangen werden könnten. Hinzu kommen Bedenken der Finanzverwaltung, dass über die Möglichkeit der Sitzverlegung der SPE in andere Mitgliedstaaten Steuersubstrat verloren gehen kann oder gar Verlustverrechnungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Diese Position hat Deutschland viel Kritik im In- und Ausland eingebracht, sind die Vorzüge einer europaweit einheitlichen Rechtsform auch für den Mittelstand doch unübersehbar und werden von den entsprechenden Verbänden vehement eingefordert.

3. Ausblick

Für den europäischen Mittelstand bleibt zu hoffen, dass die EU-Mitgliedstaaten eine einheitliche Regelung finden und der Mittelstand nicht mehr mit teils unbekannten nationalen Gesellschaften im ausländischen Markt agieren muss. Durch die SPE ist auch mit einer Senkung der Rechtsberatungskosten bei der Verwaltung mehrerer Auslands-Tochterunternehmen eines Konzerns zu rechnen. Insbesondere ist es wünschenswert, dass der einheitliche Rechtsrahmen bestehen bleibt und keine Zersplitterung der SPE in (zur Zeit) 27 nationale SPEs stattfindet, wie es bei der SE der Fall ist.

Ob noch in diesem Jahr eine Einigung erfolgt, ist nach dem letzten Treffen des zuständigen Europäischen Rates für Wettbewerbsfähigkeit am 30.05.2011 und der dortigen Ablehnung des ungarischen Kompromissvorschlags unwahrscheinlich; beim Ministerratsreffen am 28.06.2011 wurde die SPE dann gar nicht mehr diskutiert. Die aktuelle polnische Ratspräsidentschaft beabsichtigt jedoch, die SPE voranzubringen.

Für deutsche Unternehmen interessant, für die deutschen Interessen jedoch kontraproduktiv wäre es, wenn einige Mitgliedstaaten ihre Ankündigung wahr machten und die SPE bei sich einführen würden. Aufgrund der Niederlassungsfreiheit müsste Deutschland diese Gesellschaften anerkennen und könnte nicht verhindern, dass auch deutsche Unternehmer von dieser Rechtsform Gebrauch machen, wie dies seit Jahren mit der englischen Limited der Fall ist. Gerade dann würden sich die Bedenken der Bundesregierung jedoch realisieren, denn Mindestkapital, Arbeitnehmermitbestimmung und Form der Anteilsübertragung würde sich dann nach ausländischem Recht richten, auf das Deutschland keinen Einfluss hat. Aufgrund des Sitzes im Ausland wäre auch eher zu befürchten, dass deutsches Steuersubstrat reduziert wird. Es ist also im eigenen Interesse Deutschlands, an einer einheitlichen Lösung konstruktiv mitzuarbeiten und seine allzu kritische Sicht auf die SPE und z.T. irrationalen Befürchtungen zurückzustellen und sich dem Wettbewerb der Rechtsordnungen zu stellen. Mut macht, dass auch bei der SE und der Verschmelzungsrichtlinie Kompromisslösungen gefunden wurden, die für die SPE als Vorbild taugen könnten.

Rechtsanwalt Gerhard Manz, Rechtsanwalt Jan Henning Martens, Sozietät Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg