Abschaffung der Steuerklassen III und V

Im Instagram-Livestream mit dem Steuerexperten Fabian Walter alias "Steuerfabi" hat Bundesfinanzminister Christian Lindner einen Einblick in die Planungen der Regierung, in seine persönlichen Gedanken und zu Diskussionspunkten innerhalb der Koalition gegeben.

Dabei eröffnete der Politiker, dass das geplante Abschaffen der Steuerklassen III und V nicht mehr in diesem Jahr erfolgen werde. Im Koalitionsvertrag ist als Maßnahme zur "Weiterentwicklung der Familienbesteuerung" die Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV vorgesehen. Allerdings sind weder zum 1.7.2023 noch zum 1.1.2024 Änderungen zu erwarten, infomierte Lindner in dem Gespräch mit Steuerfabi bei Instagram Live.

In dem rund einstündigen Gespräch am Mittwochabend, 28.6.2023, sagte er: "Es gibt noch keinen konkreten Zeitplan. Es gibt nur eine politische Absicht, und die ist: Die Steuerklassen III und V werden ersetzt durch die Steuerklasse IV mit dem Faktor-Verfahren."

Im Stream ergänzte Steuerfabi: "Man kann bereits jetzt die Steuerklasse IV  mit Faktor für eine gerechtere Verteilung wählen mit Antrag auf Steuerklassenwechsel bei Elster.de. Mittlerweile, lang hat es gedauert, geht das auch online. Wir kommen voran."

Funktionsweise des Faktorverfahrens

Mit dem Faktorverfahren kann die hohe Abgabenlast der Steuerklasse V beseitigt werden, die in der Praxis überwiegend Ehefrauen nachteilig trifft und der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung entgegenwirkt.

Es beruht auf der Steuerklassenkombination IV/IV in Verbindung mit einem auf 3 Kommastellen berechneten Faktor 0,xxx. Die. Das Faktorverfahren führt beim einzelnen Ehe-/Lebenspartner unterjährig zu einer geringeren Lohnsteuerbelastung als in Steuerklasse IV, aber zu einer höheren Belastung als in Steuerklasse III.

Damit sollen die Nachteile der Steuerklassenkombination III/V bei Doppelverdienern beseitigt werden, deren Jahresbezüge sich der Höhe nach deutlich voneinander unterscheiden. Der Ehe-/Lebenspartner mit den höheren Lohneinkünften schneidet dabei jedoch deutlich schlechter ab als in Steuerklasse III.

Steuerklassenwahl beeinflusst Höhe der Lohnersatzleistungen

Die Anwendung der Steuerklassen bzw. des Faktorverfahrens ist nicht nur unter steuerlichen Gesichtspunkten relevant. Auch Lohnersatzleistungen sind vom zuletzt bezogenen Nettoarbeitslohn abhängig. Diese fallen Für Arbeitnehmer mit Steuerklasse V fallen geringer aus, da durch den höheren Lohnsteuerabzug weniger Nettolohn verbleibt. Dies gilt beispielsweise für die Berechnung des Elterngelds, des Arbeitslosengeld, des Kurzarbeitergeld, des Mutterschaftsgeld und für weitere Lohnersatzleistungen.

Ehegattensplittling soll bleiben

Das Ehegattensplitting soll nach Wunsch von Lindner nicht angetastet werden. Dazu sagte der Minister im Gespräch mit Steuerfabi: "Das Ehegattensplitting ist ja auch Ausdruck der Freiheit eines Paares, zu entscheiden, wie sie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse regeln." Wenn dieses sage, es bilde eine Gemeinschaft vor dem Fiskus, "dann werden sie auch als Gemeinschaft besteuert und eben nicht individuell. Für mich ist das aus vielen Gründen gerechtfertigt." Mit der Ehe seien auch Unterhaltsverpflichtungen verbunden und denen gegenüber stehe daher auch ein steuerlicher Vorteil.

Weitere Erhöhung des Sparer-Pauschbetrages?

Lindner dämpfte auch die Hoffnungen auf eine weitere Erhöhung des Sparer-Pauschbetrages. Zu Beginn des Jahres wurde dieser von 801 auf 1.000 EUR angehoben. Lindner: "Ein erster Schritt ist gemacht und deshalb bitte ich um Verständnis, dass ich nicht schon den nächsten ankündigen und auch politisch durchsetzen kann. Das braucht jetzt ein bisschen." Er habe aber die Absicht, noch einige Jahre Finanzminister zu bleiben.

Uneinigkeit in der Koalition zur Besteuerung von Aktiengewinnen

Konkrete Vorstellungen teilte der Bundesfinanzminister zur Besteuerung von Kapitalerträgen und machte sich hier für eine Haltefrist von drei oder fünf Jahren stark.

"Wer drei oder fünf Jahre ein Wertpapier hält, kann den Veräußerungsgewinn steuerfrei bekommen." Das stärke die Aktienkultur und das sei auch im ersten Entwurf des jetzigen Zukunftsfinanzierungsgesetzes drin gewesen. "Aber um es klar zu sagen: Mit SPD und Grünen ist das gegenwärtig nicht zu machen. Es gibt dafür im Deutschen Bundestag keine parlamentarische Mehrheit. Wir sind da mit dem Vorschlag allein als Finanzministerium. Also der Wille ist da, aber noch keine Mehrheit."

Als möglichen Kompromiss führte Lindner an, einen Freibetrag von 12.000 EUR pro Jahr festzulegen und erst danach zu besteuern.

Entlastung von höheren Einkommen?

Mehrere Zuschauer fragten während des Livestreams bei Instagram, ob der Spitzensteuersatz angepasst wird. Darauf antwortete Lindner:

"Wir haben gerade vollständig die kalte Progression beseitigt. Das heißt, das gesamte Einkommensteuersystem ist mit der Inflation nach rechts verschoben worden." Eine echte Verschiebung des Spitzensteuersatzes mit einer Entlastung sei damit leider aber nicht verbunden gewesen. "Zwar zahlt man weniger Steuern, aber das ist nur der Kaufkraftverlust, der ausgeglichen wird." Für eine tatsächliche Entlastung von höheren Einkommen ab ca. 60.000 EUR gebe es gegenwärtig keine echte Bereitschaft, auch nicht bei der Opposition. "CDU und CSU haben ja sogar Ideen, Steuersätze noch zu erhöhen, was ich ganz falsch finde, weil wir ja bereits ein Höchststeuerland sind."

Besteuerung von Unternehmen

Zur Besteuerung von Unternehmen gab der Bundesfinanzminister zu: "Wir haben eben über die letzten fünf Jahre doch sehr viel Wettbewerbsfähigkeit verloren." Er mache sich dafür stark, den Solidaritätszuschlag auch für Unternehmen abzuschaffen.

Seine ganz private Vorstellung, betonte Lindner, ist allerdings noch eine radikalere Reform. "Ich halte nicht sehr viel von der Gewerbesteuer." Er halte sie für veraltet sowie für Gemeinden schlecht planbar.

Stattdessen würde er den Anteil an der Umsatzsteuer für Gemeinden erhöhen und die Verteilung nach der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einführen. "So dass es einen Anreiz gibt, beschäftigungsintensive Betriebe anzusiedeln, denn die nehmen ja auch die Infrastruktur in Anspruch." Das könnte so ein Modell sein, wie Lindner es sich privat vorstelle. "Das ist gegenwärtig keine konkrete Planung der Bundesregierung."

Dezember-Hilfen möglicherweise steuerfrei

Die ursprünglich geplante Besteuerung der Dezember-Hilfen zur Energiekrise steht nach Wunsch des Ministers auf dem Prüfstand. Lindner berichtete, dass die Verwaltung der Besteuerung rund 260 Mio. EUR kosten werde, während rund 90 Mio. EUR Steuereinnahmen zu erwarten sind. Christian Lindner: "Ein absoluter Schildbürgerstreich! Und deshalb will ich das Gesetz ändern und sagen, wir besteuern das nicht. Die Euros, die die Leute bekommen haben, sollen sie unversteuert behalten, weil es für den Gesamtstaat, für unsere Gesellschaft von Vorteil ist, es nicht zu besteuern."

Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau

Zum Schluss des ungefähr einstündigen Talks fragte Steuerfabi, wie Deutschland wieder attraktiver werden könne.

Lindner: "Wir müssen an allen Stellschrauben für die Wettbewerbsfähigkeit drehen: Fachkräfte, Einwanderung statt Einwanderung in das Sozialsystem, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren für alle privaten und öffentlichen Vorhaben, keine neue Bürokratie, sondern idealerweise bürokratische Lasten reduzieren, Energiepolitik unideologisch gestalten." Weiterhin gebe es auch steuerpolitische Vorhaben, die dabei helfen würden, wettbewerbsfähiger zu werden. "Wir bringen jetzt eine Investitionsprämie auf den Weg. Wenn ich als Betrieb in klimafreundliche Technologie investiere, dann bekomme ich da einen steuerlichen Turbo."

Lindner wolle zudem für die Betriebe Bürokratie reduzieren. "Gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, indem wir bestimmte Aufbewahrungsfristen kürzen." Der FDP-Politiker machte zum Abschluss deutlich: "Auch wenn alle anderen immer über Erhöhungen bei Erbschaftsteuer, Vermögensteuer und Einkommensteuer sprechen: Es wird keine höheren Steuern geben, denn unsere Steuern sind bereits hoch genug."


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