Das Bundesverfassungsgericht hat am 7.7.2010 entschieden, dass § 17 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG unter bestimmten Voraussetzungen gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt und nichtig ist.

Dies gilt, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.3.1999 entstanden sind und die

  • entweder - bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt - nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind
  • oder - bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes - sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.

Das BVerfG begründet seine Entscheidung damit, dass insoweit bereits eine konkrete Vermögensposition entstanden sei, die durch die rückwirkende Absenkung der Beteiligungsgrenze nachträglich entwertet werde. Das führe zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung im Vergleich zu Anteilseignern, die ihre Anteile noch bis Ende 1998 verkauft hatten, da diese den Gewinn noch steuerfrei vereinnahmen konnten. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der Lastengleichheit nicht zulässig.

Soweit sich der steuerliche Zugriff auf die erst nach der Verkündung der Neuregelung eintretenden Wertsteigerungen beschränke, begegne dies unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes jedoch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn sie bislang steuerfrei gewesen wären. Zwar könne der Erwerb einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe maßgeblich von der Erwartung bestimmt sein, etwaige Wertsteigerungen steuerfrei realisieren zu können. Die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründe aber keine rechtlich geschützte Vertrauensposition, weil damit im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden könne.

Zur Anwendung der Grundsätze dieser Entscheidung auf Fälle des § 17 EStG hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 20.12.2010 (BStBl 2011 I S. 16) Stellung genommen.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze dieser Entscheidung des BVerfG auch auf die Fälle von Einlagen nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG und Einbringungen nach § 22 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. Abs. 2 UmwStG entsprechend anzuwenden, in denen es über den Ansatz der originären Anschaffungskosten zur Erfassung des bis zum 31.3.1999 eingetretenen nicht steuerbaren Wertzuwachses kommt.

Dieses Schreiben ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden.

BMF, Schreiben v. 21.12.2011, IV C 6 - S 2178/11/10001