Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist. Verfügt der Gesellschafter über keine Sperrminorität, so stellt dieser Umstand regelmäßig ein Indiz dafür dar, dass er als Geschäftsführer abhängig beschäftigt ist.

3. Ist der Gesellschafter-Geschäftsführer trotz seiner formalrechtlichen Stellung als Mehrheitsgesellschafter durch wirksame Treuhandabrede mit den weiteren Gesellschaftern an der Ausübung der ihm grundsätzlich zustehenden Rechtsmacht gehindert, bedarf er für über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Maßnahmen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, ist er in den Betrieb der GmbH eingegliedert, an die Einhaltung einer vorgegebenen Arbeitszeit gebunden, hat er Anspruch auf ein vereinbartes monatliches Gehalt, hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen sowie Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.05.2020; Aktenzeichen B 12 R 11/19 R)

 

Tenor

Es wird unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 7.5.2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19.11.2014 festgestellt, dass für die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) für die Zeit seit dem 1.12.2013 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger dem Grunde nach zur Hälfte.

Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine Kosten selbst.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB IV) über die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Klägerin zu 2) in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit seit dem 1.12.2013.

Der Kläger zu 1) und Herr I.S. gründeten mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 23.10.2013 die Klägerin zu 2), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Gegenstand ausweislich § 2 dieses Gesellschaftsvertrages der Maschinenbau, insbesondere die Fertigung und Veräußerung von Windsichtern und Dosierbunkern, sowie die Vornahme aller Geschäfte, die dem Gesellschaftszweck dienen oder ihn zu fördern geeignet sind, ist. Nach § 3 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 2) übernahmen von deren Stammkapital i.H.v. 25.000 EUR der Kläger zu 1) eine Stammeinlage i.H.v. 22.500 EUR und Herr I.S. eine solche i.H.v. 2.500 EUR. Der genannte Gesellschaftsvertrag enthält im Übrigen insbesondere die folgenden Regelungen:

Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages hat die Gesellschaft "einen oder mehrere Geschäftsführer; bei nur einem Geschäftsführer wird die Gesellschaft durch diesen allein, bei mehreren Geschäftsführern durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Auch wenn mehrere Geschäftsführer vorhanden sind, kann einem Geschäftsführer Einzelvertretungsberechtigung erteilt werden." Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung können zudem die Geschäftsführer gem. § 6 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages "vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) sowie vom Wettbewerbsverbot befreit werden." § 7 des Gesellschaftsvertrages sieht vor, dass ein Geschäftsführer jederzeit abberufen werden kann, wofür ausschließlich die Gesellschafterversammlung zuständig ist. Diese ist gem. § 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zu berufen, "wenn eine Beschlussfassung der Gesellschafter erforderlich wird oder die Einberufung aus sonstigem Grunde im Int[e]resse der Gesellschaft liegt." Die dort gefassten Beschlüsse sind "in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zulässig" (§ 9 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages) und erfolgen gem. § 9 Abs. 2 Hs. 1 des Gesellschaftsvertrages mit einfacher Mehrheit aller Stimmen, wobei das Stimmrecht "einheitlich nach den Nennbeträgen der Geschäftsanteile ausgeübt" wird (§ 9 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages). Ausdrücklich beschließt die Gesellschafterversammlung nach § 9 Abs. 3 des Gesellschafts...

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