Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Fahrtkosten zu Physiotherapie und Rehabilitationssport. Obliegenheit zur Beantragung der Fahrkostenübernahme bei der Krankenkasse. Einlegung von Rechtsbehelfen gegen eine Versagung
Leitsatz (amtlich)
Ein Mehrbedarf ist unter anderem dann nicht unabweisbar iS von § 21 Abs 6 SGB 2, wenn der Leistungsberechtigte nicht die ihm zumutbaren Versuche unternommen hat, den Bedarf auf anderem Wege zu decken. Ihm obliegt es insbesondere, gegen ablehnende Entscheidungen anderer Leistungsträger mit Rechtsbehelfen vorzugehen, jedenfalls soweit dies nicht von vorneherein offensichtlich aussichtslos erscheint.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung von Fahrtkosten für Fahrten zur Physiotherapie und zum Rehabilitationssport im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der … 1989 geborene Kläger leidet unter anderem an einer erstmals im März 2012 diagnostizierten … Arthritis und einer Schmerzverarbeitungsstörung. Der Beklagte bewilligte ihm erstmals mit Bescheid vom 6. März 2013 für die Zeit vom 1. April 2013 bis zum 30. September 2013 Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2013 bewilligte die Krankenkasse des Klägers ihm entsprechend einer ärztlichen Verordnung 120 Stunden Rehabilitationssport bis zum 29. Februar 2016. Mit Schreiben vom 6. März 2013 bewilligte die Krankenkasse dem Kläger zudem Funktionstraining zwei Mal pro Woche bis zum 28. Februar 2015.
Durch insgesamt 16 Heilmittelverordnungen verordnete der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. zwischen Juli und Dezember 2013 jeweils ein bis drei Behandlungen (Wärme- und Kälteanwendung, Krankengymnastik, Bindegewebemassagen, Manuelle Lymphdrainage, Elektrotherapie, Manuelle Therapie, klassische Massage) wöchentlich. Als medizinische Begründung für die Verordnungen außerhalb des Regelfalles gab Dr. K. in 13 von 16 Verordnungen u. a. die Verhinderung von erneuten Krankenhausaufenthalten an.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 30. März 2013 die Übernahme von Fahrtkosten von seinem Wohnort (…) zunächst nach … (dem Ort seiner Physiotherapiepraxis; Entfernung ca. 26 km). Der Kläger legt diese Wege mit seinem eigenen Personenkraftwagen zurück. Seit August 2013 sucht er eine Physiotherapiepraxis in … (Entfernung ca. 25 km) auf.
Mit Bescheid des Beklagten vom 2. April 2013 wurde der Antrag abgelehnt mit der Begründung, dass kein Mehrbedarf anzuerkennen sei. Es mangele an der Unabweisbarkeit, da der Bedarf - wenn überhaupt - durch Zuwendungen Dritter, hier der Krankenkasse des Klägers, zu decken sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 2. Mai 2013 Widerspruch. Wie er telefonisch erfahren habe, werde die Krankenkasse seinen Antrag auf Fahrtkostenübernahme ablehnen. Dennoch seien die Behandlungen medizinisch zwingend notwendig. Er fahre drei Mal pro Woche nach … zur Physiotherapie und zwei Mal pro Woche nach … zum Rehabilitationssport und zur Massage. Mit eigenen Mitteln könne er die Fahrtkosten nicht tragen.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2013 lehnte die Krankenkasse des Klägers den Antrag auf Fahrtkostenübernahme zur ambulanten Behandlung ab. Die Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 und 2 der Krankentransport-Richtlinien lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 19. Juni 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sofern die Fahrtkosten notwendig seien, würden diese von der Krankenkasse übernommen. Bei Ablehnung der Übernahme der Fahrtkosten von der Krankenkasse wegen fehlender zwingender medizinischer Indikation bestehe auch ein Mehrbedarf nicht.
Mit der am 22. Juli 2013 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und zwar für die gesamte Dauer der ambulanten Behandlung. Diese gehe über den Bewilligungszeitraum für das Arbeitslosengeld II hinaus. Er begehre auch die Erstattung der Fahrtkosten zum Reha-Sport nach … (Entfernung zum Wohnort ca. 34 km). Es fielen etwa 230 Euro Fahrtkosten im Monat an. Eine direkte ÖPNV-Verbindung oder näher gelegene, aber gleich geeignete Einrichtungen gäbe es nicht. Zwar seien hinsichtlich der Fahrtkostenübernahme vorrangig Ansprüche gegen die Krankenkasse zu stellen. Lehne diese den Anspruch - wie vorliegend - allerdings ab, seien die Fahrtkosten seitens der Beklagten als Mehrbedarf anzuerkennen. Die Unabweisbarkeit ergebe sich aus der zwingenden medizinischen Indikation. Das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasse auch die physische Existenz des Menschen. Zur Gewährleistung von Gesundheit gehöre u. a. die Sicherstellung einer notwendigen Krankenbehandlung. Das schließe ein, dass der Behandlungsort tatsächlich erreicht werden könne.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 02.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2013 zu verurteilen, ihm die Fahrtkosten zur Physiotherapie und zum Rehabilitationssport für die Zeit von 1....