Leitsatz (amtlich)

1. Ein Krankengeldanspruch wird von der Ruhensregelung in § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht erfasst.

2. Der Kausalzusammenhang zwischen der Krankheit und der Unfähigkeit, einer Arbeit nachzugehen, ist gegeben, wenn es vor Haftantritt zur Erkrankung kommt.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides, der die Bewilligung des Krankengeldes beinhaltete, sowie entsprechender Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1997 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 26. Juni 1995 bis 11. April 1996 Krankengeld nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 und 2 SGB V in der in diesem Zeitraum geltenden Fassung zu zahlen und eine Verzinsung gemäß § 44 SGB – Allgemeiner Teil – vorzunehmen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 3/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Dauer und Höhe von Krankengeld.

Der Kläger, der an einer chronifizierten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet, war im Rahmen freiheitsentziehender Maßregeln auf der forensisch-psychiatrischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses O. (jetzt: K.) untergebracht gewesen. Nach seiner Freilassung auf Grund einer Aussetzung der weiteren Vollstreckung nahm er im April 1994 eine Teilzeitbeschäftigung als Schlosserhelfer in dem Integrationsbetrieb R. GmbH auf. Am 18. Oktober 1994 wurde er arbeitsunfähig und erhielt nach Ablauf der Entgeltfortzahlung ab dem 24. November 1994 Krankengeld, nach eigenen Angaben bis zum 25. Juni 1995. Der letzte Zahlschein – ausgestellt von dem Arzt Dr. C. – datierte vom 24. Mai 1995. Seit dem 21. Juni 1995 befindet sich der Kläger wieder in der Klinik, anfangs auf der Grundlage eines Sicherungshaftbefehls nach § 453c der Strafprozessordnung (StPO), ab Ende Oktober 1995 erneut gemäß § 63 des Strafgesetzbuches. Herr Dr. C. äußerte unter dem 18. September 1995 die Meinung, dass der Kläger sicherlich weiterhin arbeitsunfähig sei. Die Höhe des Krankengeldes wurde auf der Basis des § 47 Abs. 1 und 2 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in der 1994 geltenden Fassung errechnet. Bescheide liegen nicht mehr vor. Der Kläger hatte eigener Erklärung zufolge Widerspruch eingelegt. Ein entsprechender Vorgang konnte bei der Beklagten nicht aufgefunden werden.

Mit einem am 4. Dezember 1996 bei den Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz erhob der Kläger Klage. Er machte geltend, dass ihm Krankengeld zumindest bis zum Leistungsende zugestanden habe. Er sei allein durch die Krankheit gehindert gewesen, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Das Krankengeld sei außerdem zu niedrig festgesetzt worden. Von einer Lohnersatzfunktion, wie sie grundgesetzlich gesichert sei, könne nur gesprochen werden, wenn es in Höhe des vollen Arbeitsentgelts bei Zugrundelegung eines garantierten monatlichen Mindestlohns von 1.400,– DM netto gewährt werde. Er verwies insoweit auf seine Berufungsbegründung in dem Verfahren OVG Bf 311/91 vor dem Oberverwaltungsgericht Hamburg.

Die Beklagte holte das Vorverfahren nach und erließ am 11. Februar 1997 einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie eine weitere Krankengeldzahlung unter Hinweis auf § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und den fehlenden Nachweis einer längerdauernden Arbeitsunfähigkeit ablehnte. Die Höhe des gewährten Krankengeldes sei mit täglich 36,04 DM korrekt ermittelt worden. Ergänzend trug sie im Klageverfahren vor, es sei nicht hinnehmbar, dass auf der einen Seite Krankengeld geleistet werden solle, auf der anderen Seite wegen der Unterbringung aber darauf verzichtet werden müsse, etwa die Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) prüfen zu lassen oder über § 51 SGB V Rehabilitationsmaßnahmen, gegebenenfalls mit der Folge des § 116 Abs. 1 SGB – Gesetzliche Rentenversicherung –, zu initiieren. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Lohnausfall beim Kläger jedenfalls nicht in erster Linie aus Krankheitsgründen erfolgt sei; selbst bei Arbeitsfähigkeit hätte er wegen der Unterbringung keinen Lohn erzielen können.

Das Gericht hat zu der Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom K. die Auskunft vom 2. Oktober 2001 eingeholt und in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2003 Herrn Dr. T. als medizinischen Sachverständigen gehört.

Zuvor hatte der Kläger eine von ihm unter dem 29. Mai 2003 unterzeichnete Erklärung eingereicht, mit der er den Klageanspruch als Unterhalt an seine Tochter abtrat.

Er beantragt nach Aktenlage,

die Beklagte unter Abänderung der Ausgangsbescheide sowie des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1997 zu verurteilen, ab 26. Juni 1995 Krankengeld zuzüglich Zinsen bis zum Leistungsende in Höhe von monatlich 715,81 EUR (= 1.400,– DM), hilfsweise für die Dauer von zwei Jahren in der gesetzlichen Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

 

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