Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Aufhebung der Familienversicherung bei Überschreiten der Gesamteinkommensgrenze

 

Orientierungssatz

1. Überschreitet das Einkommen der familienversicherten Eheleute die Gesamteinkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB 5, so endet die krankenversicherungsrechtliche Familienversicherung. Die Versicherung setzt sich im Rahmen der Versicherungspflicht für bisher nicht versicherte Personen fort, § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB 5. Die Versicherung ist beitragspflichtig.

2. Maßgeblich ist die einkommensteuerrechtliche Zuordnung. Der Nachweis darüber, ob und in welchem Umfang Einkommen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen ist, ist allein mithilfe der Einkommensteuerbescheide zu führen. Nicht nur hinsichtlich der Beitragshöhe, sondern auch hinsichtlich der Zurechnung zur Person der Versicherten ist auf die Einkommensteuerbescheide zurückzugreifen (BSG Urteil vom 30. 10. 2013, B 12 KR 21/11 R).

3. Ist zuvor entgegen der bei den Krankenkassen üblichen Verfahrensweise ein entgegenstehender Verwaltungsakt über das Bestehen der Familienversicherung nicht erteilt worden, so ist die Krankenkasse zur rückwirkenden Feststellung berechtigt, dass eine Familienversicherung in der Vergangenheit nicht bestanden hat. Die aus §§ 45, 48 SGB 10 folgenden Einschränkungen sind insoweit unbeachtlich.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung zum 30.11.2010 und die Feststellung der beitragspflichtigen Mitgliedschaft ab dem 01.12.2010.

Die 1940 geborene Klägerin war über ihren Ehemann familienversichert und ging bis November 2015 einer geringfügigen Beschäftigung bei ihrem Ehemann nach (325 EUR pro Monat). Auf Anforderung der Beklagten wurden 2015 Einkommensteuerbescheide bzw. Vorauszahlungsbescheide für die Jahre 2009 bis 2014 vorgelegt, aus denen sich Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung in der Größenordnung von 20.339 EUR - 29.935 EUR pro Jahr ergaben. Daraufhin erteilte die Beklagte den Bescheid vom 07.10.2015, mit dem sie feststellte, dass die Familienversicherung rückwirkend zum 30.09.2011 beendet wurde, wegen Überschreitung der Einkommensgrenze (2011: 365 EUR pro Monat). Bereits im Jahr 2011 habe das monatliche Einkommen der Klägerin ausweislich des vorgelegten Einkommensteuerbescheides 1.536,58 EUR betragen. Diese Einkünfte seien von der Klägerin nicht angegeben worden. Die Versicherung setze sich ab dem 01.10.2011 im Rahmen der Versicherungspflicht für bisher nicht versicherte Personen fort (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V). Diese Versicherung sei beitragspflichtig, abhängig vom Einkommen. Es werde gebeten, die beigefügten Unterlagen ausgefüllt und unterschrieben zu übersenden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Sie teilte mit, dass sie für eine geringfügige Beschäftigung monatlich 325 EUR erhalte und des Weiteren Unterhalt von ihrem Ehemann. Es würden keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezogen, diese stünden allein dem Ehemann zu. Im weiteren Verlauf erteilte die Beklagte den Bescheid vom 16.10.2015, mit dem sie unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 07.10.2015 gemäß § 45 SGB X die Familienversicherung zum 30.11.2010 beendete. Unter Berücksichtigung der Verjährungsfristen sei die kostenlose Familienversicherung zu diesem Zeitpunkt zu beenden und seien die Beiträge zur freiwilligen Mitgliedschaft ab dem 01.12.2010 nachzuzahlen. Ab dem 01.12.2010 bestehe Versicherungspflicht für bisher nicht versicherte Personen, diese Versicherung sei beitragspflichtig. Im Übrigen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2016 zurück. Für die Berücksichtigung des Gesamteinkommens der Klägerin sei die einkommensteuerrechtliche Einordnung maßgeblich. Der Bescheid vom 16.10.2015 sei rechtmäßig ergangen, Gesetz und Satzung beachtet. Für eine weitergehende Ermessensentscheidung seien keine Gesichtspunkte erkennbar.

Die Klägerin hat gegen die Bescheide Klage erhoben, mit der sie deren Aufhebung und die Fortsetzung der beitragsfreien Familienversicherung geltend macht. Sie sei zwar formal Bruchteilseigentümerin zu 50% an 3 Immobilien. Tatsächlich beziehe sie daraus jedoch kein Einkommen. Alleiniger Gläubiger der Mietforderungen sei ihr Ehemann. Unter Beifügung einer Bescheinigung der Sparkasse X hat sie dargelegt, dass ihr Ehemann Kontoinhaber für die Mietzahlungen sei. Des Weiteren sei die Zusammenveranlagung im Steuerrecht im Sozialversicherungsrecht nicht verbindlich.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 07. und 16.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 zu verpflichten, zu Gunsten der Klägerin eine Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen der Familienversicherung des Stammversicherten Herrn N M über den 30.11.2010 hinaus bis auf weiteres fortzusetzen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

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