Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des SG Düsseldorf vom 5.4.2011 - S 15 R 1531/10, das vollständig dokumentiert ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.02.2012; Aktenzeichen B 5 R 76/11 R)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2010 verurteilt, die Regelaltersrente auch für die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften nachzuzahlen und die Nachzahlung gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu verzinsen.

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin auch für den Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 31.12.2004 die gemäß den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bewilligte Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften (und damit unter Zugrundelegung eines niedrigeren Zugangsfaktors gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung als des für die Berechnung der bisherigen, ab dem 01.01.2005 gewährten Regelaltersrente herangezogenen Zugangsfaktors) zu gewähren ist und ob diese Nachzahlung zu verzinsen ist.

Die Klägerin wurde ... 1927 in K... bei L.../Polen als polnische Staatsbürgerin jüdischer Abstammung geboren. Zumindest von Mai 1940 bis Mai 1945 war sie durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen in ihrer Freiheit beeinträchtigt bzw. ihrer Freiheit beraubt. Während dieses Zeitraumes war sie jedenfalls vom 01.01.1942 bis zum 31.10.1942 gezwungen, im Ghetto Kamionka, das damals zum sogenannten Generalgouvernement gehörte, zu wohnen. In dem vorgenannten Zeitraum ging sie einer ihr durch den Judenrat des Ghettos Kamionka vermittelten Beschäftigung in der Landwirtschaft des Gutes K nach; als Entlohnung bekam sie Bargeld in einer Höhe, die ihr gerade das Überleben ermöglichte. Im Zuge der Liquidierung des Ghettos am 08.10.1942 gelang es ihr zu flüchten. Unter dem Namen H... W... meldete sie sich bei dem Arbeitsamt in L... für eine Arbeitsleistung in Deutschland an. Dieses verschickte sie nach Deutschland, wo sie vom 01.11.1942 bis zu ihrer Befreiung Anfang Mai 1945 in verschiedenen damals sogenannten Polenlagern untergebracht war; während dieser Zeit wurde sie unter dem vorerwähnten Namen geführt. Von diesen Lagern aus ging sie bis zu ihrer Befreiung ihren jeweiligen Arbeitseinsätzen nach. Sie hielt sich von ihrer Befreiung bis April 1949 in Deutschland auf. In diesem Monat verließ sie Deutschland Richtung Israel, wo sie am 25.05.1949 eintraf. Seitdem lebt sie in Israel als israelische Staatsangehörige. Sie hat keine Leistungen nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) und auch keine Leistungen aus einem System der Sozialen Sicherheit für die Zeit ihrer Beschäftigung während ihres Ghettoaufenthaltes geltend gemacht.

Am 27.11.2002 ging bei der israelischen Nationalversicherungsanstalt der Antrag der Klägerin auf die Gewährung der Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter besonderer Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG ein.

Die Beklagte zog die bei der Jewish Claims Conference (JCC), Frankfurt am Main, über die dort von der Klägerin gestellten Anträge verwahrten Unterlagen und die die Klägerin betreffende Bundesentschädigungsgesetz (BEG)-Akte der Oberfinanzdirektion München - Landesentschädigungsamt - bei.

Nach Auswertung dieser Unterlagen lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2004 ab, der Klägerin eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG zu gewähren. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, aus der beigezogenen Entschädigungsakte und den Angaben der Klägerin im Verfahren bei der Claims Conference sei zu entnehmen, dass die Klägerin von Mai 1940 bis Oktober 1942 außerhalb des Ghettos auf einem Gutshof landwirtschaftliche Arbeiten verrichtet habe. Während der Arbeit sei sie nach der Aussage zweier Zeugen von deutschen Soldaten bewacht worden. Die Art der von der Klägerin geleisteten Arbeiten, die Arbeit unter Bewachung und die fehlenden Angaben zum Arbeitgeber ließen auf eine Beschäftigung schließen, die nicht nach dem Modell eines “Normalarbeitsverhältnisses" verrichtet worden sei. Somit sei das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne der Vorschriften des ZRBG nicht glaubhaft. Die Angaben der Klägerin sprächen vielmehr für das Vorliegen eines Zwangsarbeitsverhältnisses. Die Klägerin focht den Bescheid vom 05.01.2004 damals nicht an.

Am 15.05.2009 stellte die Klägerin erneut den Antrag auf die Gewährung einer Regelaltersrente.

Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin durch den Bescheid vom 14.04.2010 ab dem 01.01.2005 die Regelaltersrente. Dieser legte sie gemäß den Vorschriften des ZRBG eine Pflichtbeitragszeit (Ghettobeitragszeit) vom 01.01.1942 bis zum 31.10.1942 und Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI v...

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