Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung einer Erstattung der Kosten einer Petö-Therapie durch den Sozialhilfeträger im Wege der Eingliederungshilfe

 

Orientierungssatz

1. Nach § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB 2 ist den in § 13 Abs. 3 genannten Sozialhilfeberechtigten die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten der Lebensführung zuzumuten, soweit es sich um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe zu einer angemessenen Schulbildung handelt.

2. Die Petö-Therapie ist eine umfassende Methode, um Bewegungsstörungen aufgrund einer Hirnschädigung zu behandeln.

3. Soweit eine Therapieform auf Erhaltung der Gehfähigkeit, Verbesserung der Motorik und der Koordinationsfähigkeit gerichtet ist, wird damit ein medizinischer Leistungszweck verfolgt.

4. Soweit die Petö-Therapie daneben auch Teilhabezwecke i. S. der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft verwirklicht, so handelt es sich nicht um eine kostenprivilegierte Maßnahme nach § 92 Abs. 2 S. 1 SGB 12.

5. Die Leistung bei § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB 12 muss unmittelbar mit dem Schulbesuch verknüpft sein und allein dieser spezifischen Fördermaßnahme dienen (BSG Urteil vom 23. 8. 2013, B 8 SO 10/12 R).

6. Besucht ein erwachsener Antragsteller keine Regelschule mehr, so dient bei ihm die Petö-Therapie vorwiegend der Förderung der Beweglichkeit im Allgemeinen. Eine für eine Kostenprivilegierung notwendige Verknüpfung der Therapie mit dem Schulbesuch besteht damit nicht.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten im Wege der Eingliederungshilfe, die die Klägerin für Petö-Therapie im Zeitraum von 2006 bis August 2013 in Höhe von 18.630,00 EUR aufgewandt hat.

Die am 00.00.1993 geborene Klägerin leidet unter den Folgen eines frühkindlichen Hirnschadens und damit einhergehend an einer spastischen Zerebralparese (bleibende neurologische Störung; schlechte Muskelkontrolle, Spastik, Lähmungen, Anfälle und Teilleistungsschwächen). Zum Zeitpunkt der Beantragung der streitgegenständlichen Leistung verfügte sie über einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 80 und den Nachteilsausgleichen G, aG und H. Ferner erhielt sie Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) über Pflegestufe I.

Nachdem die Techniker-Krankenkasse für den Zeitraum von 1996 bis September 2001 die Kosten für eine Petö-Therapie übernommen hatte, lehnte die Krankenkasse eine erneute Übernahme mit Bescheid vom 10.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2002 ab (Bl. 40 VA). Die TKK wies darauf hin, dass die Petö-Therapie keine vertragliche Leistung sei, der medizinische Dienst die Therapie nicht befürwortet habe und der Nachweis der medizinischen Wirksamkeit nicht gegeben sei. Hiergegen legte die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf mit Datum vom 09.12.2002 ein (S 34 KR 364/02), die erfolglos endete.

Am 16.01.2003 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme bei der Beklagten unter Hinweis auf die ablehnende Entscheidung der Techniker-Krankenkasse.

Der medizinische Dienst der Beklagten, H1, untersuchte die Klägerin und führte in seinen Stellungnahmen vom 05.03.2003 und 27.06.2003 Folgendes aus:

"Die oben Genannte leidet an einer spastischen Zerebralparese, einer neurologischen Erkrankung, die auf Dauer eine intensive krankengymnastische Übungsbehandlung erforderlich macht, um Kontrakturen zu vermeiden und die Beweglichkeit soweit wie möglich zu erhalten. Neben einer umfangreichen neurophysiologischen Behandlung (spezielle Form der Physiotherapie nach Bobath bzw. Vojta) ist es in Einzelfällen auch erforderlich, zusätzliche Therapien anzubieten. Die sogenannte Petö-Therapie halte ich zunächst für 3 Stunden wöchentlich erforderlich, und zwar zunächst zeitlich befristet bis Dezember 2003. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird aber auch in den Jahren 2004, 2005 und 2006 eine weitere Petö-Therapie erforderlich sein."

Eine Blocktherapie in den Ferien hielt H1 nicht für erforderlich. Daraufhin bewilligte die Beklagte die Kosten für die Petö-Therapie im Umfang von drei Wochenstunden, letztmalig mit Bescheid vom 05.04.2005 für Therapiekosten bis zum 31.12.2005, nachdem H1 am 22.03.2005 begutachtet hatte, dass es sich um eine sinnvolle Alternative zur üblichen physikalischen Therapie nach Bobath und Vojta handele. Kosten für eine Blocktherapie (Intensiv-Therapie in den Ferien) übernahm die Beklagte auch hier nicht.

Von August 2004 bis Juli 2006 besuchte die Klägerin nach Ende der Grundschule die integrative 5. und 6. Klasse der I1-Q-Gesamtschule in E1.

Mit Schreiben vom 24.11.2005, bei der Beklagten am 08.12.2005 eingegangen, beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der Kosten für die Petö-Therapie ab 01.01.2006 und wies darauf hin, dass sich seit der ersten Antragstellung an der Situation nichts geändert habe.

Mit Bescheid vom 16.12.2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass aufgrund der aktuellen Rechtsauslegung eine weitere Übernahme der K...

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