Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen. zeitliche Begrenzung des Prüfverfahrens. Ausschlussfrist

 

Orientierungssatz

1. Aus dem in Art 20 Abs 3 GG verankerten, rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit ist die Notwendigkeit der zeitlichen Begrenzung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens herzuleiten. Der die Prüfung abschließende Bescheid über Honorarkürzungen muss danach spätestens vier Jahre nach der vorläufigen Honorarabrechnung durch die K(Z)V dem Arzt zugestellt werden (vgl BSG vom 16.6.1993 -14a/6 RKa 37/91 = BSGE 72, 271).

2. Diese Ausschlussfrist gilt auch für die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen (vgl BSG vom 2.11.2005 - B 6 KA 63/04 R = BSGE 95, 199).

3. Die Ausschlussfrist beginnt mit dem Ablauf des geprüften Zeitraumes und endet vier Jahre später.

4. Bei der Vierjahresfrist handelt es sich nicht um eine Entscheidungsfrist des Prüfungsausschusses nach Erhalt aller für die Prüfung notwendigen Unterlagen und Erkenntnisse, sondern um eine materielle Ausschlussfrist zum Abschluss des Prüfverfahrens mit dem Ziel der Gewährung von Rechtssicherheit für die betroffenen Vertragsärzte.

 

Tenor

Der Beschluss des Beklagten vom  24. November 2006 in der Fassung des schriftlichen Bescheids vom 17. Januar 2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Regress im Rahmen der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2000.

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und nimmt als Hausarzt der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin teil. Mit Schreiben vom 5. November 2002 teilte die Geschäftsstelle der Prüfgremien bei der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin dem Kläger mit, dass seine Verordnungsweise für das Jahr 2000 nach Richtgrößen von Amts wegen überprüft werde. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2002 teilte der Kläger seine Praxisbesonderheiten mit. Mit Schreiben vom 2. Februar 2005, 25. Februar 2005 und 26. Oktober 2005 teilten die Beigeladene zu 2), die Beigeladenen zu 6) und der Beigeladene zu 3) mit, keinen Antrag auf Festsetzung eines sonstigen Schadens im Rahmen der Richtgrößenprüfung stellen zu wollen. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2005 setzte der Prüfungsausschuss (schriftliche Ausfertigung vom 20. Dezember 2005) einen Regress in Höhe von 60.973,03 DM (= 31.175,02 €) fest. Am 3. Januar 2006 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den er nach Einsichtnahme in die Verordnungsdatensätze mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Juni 2006 begründete. Unter anderem führte er aus, dass die Richtgrößenvereinbarung 2000 wegen verspäteter Veröffentlichung unwirksam sei und auch die Richtgrößen für das Jahr 1999 nicht anwendbar seien, weil diese wegen eines Verstoßes gegen Art. 17 GKV-SolG rechtswidrig gewesen seien. Die Regressierung zur unteren Interventionsgrenze von 15 % sei unzulässig. Der Beschluss des Prüfungsausschusses sei nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ergangen. Schließlich sei die Datengrundlage ebenso zu beanstanden wie die fehlende hinreichende Auseinandersetzung mit den Praxisbesonderheiten.

Mit Beschluss vom 24. November 2006 (schriftliche Fassung vom 17. Januar 2007) reduzierte der Beklagte den Regress auf 30.114,58 €, wies den Widerspruch im Übrigen aber zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die im Jahr 2002 veröffentlichten Richtgrößen für das Jahr 2000 zugrunde gelegt werden könnten, weil sie für den Kläger günstiger als die Richtgrößen des Jahres 1999 seien. Die Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt. Der Erstattungsanspruch könne erst am 1. Januar 2001 entstanden sein. In Anwendung von § 199 BGB beginne die Frist mit dem 1. Januar des Kalenderjahres, das auf die Entstehung des Erstattungsanspruchs folge, zu laufen - hier der 1. Januar 2002 - und ende am 31. Dezember des vierten Folgejahres - hier der 31. Dezember 2005. Jedenfalls könne die Frist nicht vor dem Erhalt der Daten gem. § 296 SGB V zu laufen beginnen. Die Daten hätten am 1. Januar 2001 weder vorliegen noch übermittelt werden können. Des Weiteren bedürfe der Kläger keines Vertrauensschutzes, weil er mit Schreiben vom 5. November 2002 über die Richtgrößenprüfung informiert worden sei. Es seien weitere 1.120,47 DM für Verordnungen für Patienten, die der Kläger nicht behandelt habe, und als Praxisbesonderheiten weitere 1.167,84 DM in Abzug zu bringen. Weitere Praxisbesonderheiten bestünden jedoch nicht.

Hiergegen richtet sich die am 16. Februar 2007 erhobene Klage, zu deren Begründung der Kläger sich auf die Widerspruchsbegründung bezieht und des Weiteren ergänzend ausführt: Der Prüfbescheid müsse spätestens nach Abschluss des überprüften Verordnungszeitraums vorliegen, so dass die Frist am 31. Dezember 2004 abgelaufen sei. Dies bestätige auch die Neufassung des § 106 Abs. 2 S. 6 SGB V durch das GKV-WSG, wonach die Frist mit Ende des geprüften Zeitraums zu laufen beginne. Der letzte Honorarbesc...

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