Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswidriger Eingriff in den Gewerbetrieb des Betreibers eines Eigenlaborzentrums. Unterlassung von Äußerungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zum Eigenlaborstatus. sozialgerichtliches Verfahren. Erlass einer Sicherungsanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Betreiber eines sogenannten Eigenlaborzentrums, in dem Zahnärzte zahntechnische Leistungen erbringen lassen können, kann gegen eine Kassenzahnärztliche Vereinigung ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 BGB iVm §§ 823ff BGB zustehen, soweit deren Äußerungen in Bezug auf den Betrieb des Eigenlaborzentrums in einem an ihre Mitglieder (Vertragszahnärzte) gerichteten Rundschreiben nicht mehr von dem Sicherstellungsauftrag der Kassenzahnärztlichen Vereinigung gedeckt sind und damit einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Betreibers des Eigenlaborzentrums darstellen.

2. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist auch bei einem einmalig versandten Rundschreiben gegeben, wenn dieses nach wie vor auf den Internetseiten der Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrufbar ist.

3. Der Hinweis auf steuerrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit der Nutzung eines Eigenlaborzentrums durch Vertragszahnärzte ist nicht vom Sicherstellungsauftrag einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung gedeckt.

4. Stellt der Betreiber eines sogenannten Eigenlaborzentrums den kooperierenden Vertragszahnärzten im Sinne eines umfassenden Managements gegen Zahlung eines prozentualen Umsatzanteils (hier 80 % der Bemessungsgrundlage der zahntechnischen Leistungen bei Vereinbarung einer Mindeststückzahl) sämtliche für den Betrieb eines zahntechnischen Labors erforderliche räumliche und technische Ausstattung und auch das Personal zur Verfügung und übernimmt er auch Teile des Abrechnungsmanagements, handelt es sich bei den in diesem Zentrum erbrachten zahntechnischen Leistungen unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen Verhältnisse nicht um Eigenlaborleistungen des Zahnarztes iS des § 88 Abs 3 S 1 SGB 5, sondern um Fremdlaborleistungen mit der Folge, dass der den Vertragszahnärzten belassene Umsatzanteil von 20 % eine unzulässige Umgehung der sich aus § 16 Abs 2 Buchst a EKV-Z ergebenden Verpflichtung darstellt, Preisnachlässe, Rabatte, Umsatzbeteiligungen etc an die Krankenkassen bzw an die Versicherten weiterzugeben. Hierauf darf die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages ihre Mitglieder hinweisen.

 

Orientierungssatz

Zum Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 1 SGG.

 

Tenor

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es unter Androhung eines in jedem Fall der Wiederholung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungsgeld bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Hinblick auf den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin wörtlich oder sinngemäß folgende Äußerung zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

- dass “neben dem Problem des Eigenlaborstatus auch steuerrechtliche Probleme auftreten können„

- “Wir müssen sie im Gegenteil vor einer (weiteren) Zusammenarbeit ausdrücklich warnen.„

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 3/4 und die Antragsgegnerin 1/4.

Der Streitwert wird auf 10.000,- € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine in H. ansässige Aktiengesellschaft, betreibt in Berlin ein “Eigenlaborzentrum„ (ELZ). In diesem Rahmen stellt sie als Dienstleisterin Zahnärzten ein schlüsselfertiges zahntechnisches Labor nebst zahntechnischem Personal und Material zur Verfügung, in dem diese ihre zahntechnischen Leistungen erbringen (lassen) können. Für diese Dienstleistung verlangt die Antragstellerin von den Zahnärzten ein aufwandbezogenes Nutzungsentgelt, das sich an den erbrachten und abgerechneten zahntechnischen Leistungen orientiert und bei Abnahme einer individuell vereinbarten Mindeststückzahl 80 % der Bemessungsgrundlage der zahntechnischen Leistungen beträgt. Über die von ihr erbrachten Leistungen schließt die Antragstellerin mit den kooperierenden Zahnärzten jeweils einen Rahmenvertrag betreffend die Arbeitnehmerüberlassung und einen Kooperationsvertrag. Wegen des Inhalts dieser Verträge wird auf die Gerichtsakten (Anlagen AS 10 und AS 11) Bezug genommen. Die Antragstellerin bewirbt dieses Geschäftsmodell insbesondere damit, dass die Zahnärzte die in dem ELZ angefertigten zahntechnischen Leistungen als Eigenlaborleistungen abrechnen können und so 20 % der Vergütung der zahntechnischen handwerklichen Leistung als eigenen Ertrag verbuchen können ohne eigenes Investitions-, Personal- und Auslastungsrisiko. In einem an die Berliner Zahnärzte gerichteten Werbeschreiben in der Verbandszeitschrift “Berlin aktuell„ (Heft Nr. 33/2011) führt die Antragstellerin (durch den ehemaligen Vorstand der Antragstellerin und Betreiber des ELZ Herrn G. ) zudem an, dass sie “im Auftrag der Partner-Zahnärzte in Abstimm...

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