Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Darlehen zur Sicherung der Unterkunft. Stromschulden. § 22 Abs 5 SGB 2 als lex specialis. Selbsthilfegebot. Bemühungen um Vereinbarung von Ratenzahlungen mit dem Stromversorger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter die nach § 22 Abs 5 SGB 2 mögliche Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft oder zur Sicherung einer vergleichbaren Notlage fällt auch die Übernahme von Schulden für die Inanspruchnahme von Energie.

2. Die Übernahme von Schulden ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Notlage vom Leistungsberechtigten nicht selbst beseitigt werden kann; sie ist nicht gerechtfertigt, wenn sich das Verhalten des Hilfebedürftigen als vorwerfbar bzw missbräuchlich darstellt und die Übernahme von Schulden sich als "positiver Verstärker nicht erwünschten Verhaltens" darstellen würde.

3. Hat ein Hilfebedürftiger über mehrere Monate die laufenden Abschläge für Haushaltsenergie nicht gezahlt, obwohl er eine Rente und ergänzend Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts erhalten hat und konnte überdies ein ernsthaftes Bemühen um eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Stromversorger nicht glaubhaft gemacht werden, stammen die Ursachen, die zum Entstehen der Schulden geführt haben, allein aus der eigenen Sphäre des Hilfebedürftigen. Auch wenn der Tod eine nahestehenden Menschen dazu führen kann, dass man in eine Depression verfällt und die täglichen Geschäfte und Verpflichtungen des Lebens für eine gewisse Zeit ruhen lässt, muss einem Hilfebedürftigen zumindest nach der ersten Stromsperre auffallen, dass er sein Leben regeln muss und das Nichtzustandekommen von Zahlungsverpflichtungen nicht folgenlos bleibt.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten werden nicht erstattet.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin G wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der am 19. August 2009 bei dem Sozialgericht Berlin gestellte Antrag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,

den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller ein Darlehen in Höhe von 709,40 Euro für die Abwendung einer Klage wegen Zutritts zur Wohnung zum Zwecke der Sperrung des Stromanschlusses zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist als Regelungsanordnung zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte (Leistungs-)Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung).

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. der besonderen Eilbedürftigkeit. Die Firma V hat nach hiesigem Kenntnisstand noch keine Klage auf Zählersperrung bei dem zuständigen Amtsgericht erhoben.

Zudem dürfte zur Abwendung der Erhebung einer solchen Klage die Begleichung der Schulden, die allein für die Verbrauchsstelle M Straße - der derzeit von dem Antragsteller bewohnten Wohnung - entstanden sind, notwendig sein. Die Schulden für die derzeitige Wohnung belaufen sich auf 533,35 Euro.

Ungeachtet dessen konnte der Antragsteller jedenfalls einen Anordnungsanspruch (den materiell-rechtlichen Anspruch) nicht glaubhaft machen.

Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Übernahme der Schulden kommt nicht § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann im Einzelfall dem Hilfebedürftigen eine Geldleistung in Form eines Darlehens gewährt werden, wenn ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs.2 Nr.4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann.

Die laufenden Stromkosten, zu denen auch die Abschläge zählen, sind ein von der Regelleistung umfasster Bedarf. § 20 Abs. 1 SGB II benennt die Kosten für Haushaltsenergie als Teil, der von der Regelleistung umfasst ist. Wurden jedoch wie hier, Abschläge in der Vergangenheit nicht bezahlt und ergeben sich aufgrund der Abrechnungen vom 17. August 2008 und 22. Juli 2009 Schulden für die Vergangenheit so ist § 22 Abs. 5 SGB II die hierfür speziellere Anspruchsgrundlage.

Nach § 22 Abs. 5 SGB II kommt die Übernahme von Schulden in Betracht, sofern L...

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