Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. persönlicher Lebensbereich. behinderter Mensch. Behindertenwerkstätte. Verrichtung der Notdurft
Orientierungssatz
Auch für behinderte Menschen, die in anerkannten Behindertenwerkstätten gem § 2 Abs 1 Nr 4 SGB 7 tätig sind, gilt wie für die nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 versicherten Beschäftigten, dass für Tätigkeiten, die dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind, kein Versicherungsschutz besteht (hier: Verrichtung der Notdurft).
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall geführt.
Die 1952 geborene Klägerin ist seit 1972 im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen im Kreis Gütersloh in der Verpackungsabteilung tätig. Wegen der Folgen einer in der Kindheit erlittenen Meningitis leidet sie an einer geistigen Behinderung sowie einer spastischen Heimpflege links. Sie ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen.
Am 27.07.2006 suchte die Klägerin, begleitet von einer Betreuerin, den Toilettenraum der Werkstatt auf und verrichtete dort die Notdurft. Die Betreuerin befand sich während des gesamten Zeitraums des Toilettengangs mit der Klägerin in der Behindertentoilette. Beim Wiederankleiden stürzte die Klägerin und zog sich eine Fraktur des linken oberen Sprunggelenks zu. Die Werkstatt für behinderte Menschen schilderte mit Schreiben vom 15.12.2006 den Hergang wie folgt:
"Die Betreuerin ... war - wie immer - während des gesamten Zeitraums des Toilettengangs in der Behindertentoilette. Die Toilette besteht nur aus einem Raum. Es gibt keine Kabine. Frau D wurde mit dem Rollstuhl zur Toilette gefahren. An der Toilette befinden sich Griffe. Die Betreuerin unterstützt Frau D beim Hochziehen an den Griffen. Frau D steht dann für die Zeit des Hoseherunterziehens eigenständig an den Griffen. Nach Beendigung des Toilettengangs wiederholt sich der Ablauf in umgekehrter Reihenfolge."
Mit Bescheid vom 11.10.2006 lehnte der Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe (GUV), Rechtsvorgänger der Beklagten, die Entschädigung des Unfalls als Arbeitsunfall als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, die Verrichtung der Notdurft sei grundsätzlich dem persönlichen unversicherten Lebensbereich zuzurechnen. Davon umfasst sei der gesamte Aufenthalt in der Toilettenanlage. Die Toilettenanlage habe auch keine besonderen Gefahrenmomente aufgewiesen, die als wesentliche Ursache des Sturzes angesehen werden könnten.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit in der Werkstatt und dem Aufsuchen der Toiletten. Hinzu komme, dass sie nicht allein auf die Toilette gehen könne und dabei der Betreuung bedarf. Beim Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) stehe nicht nur die eigentliche Beschäftigung, sondern die Betreuung im Vordergrund. Diese Betreuung sei beim Toilettengang nicht unterbrochen worden. Der GUV wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2007 zurück, eine Erweiterung des Versicherungsschutzes Behinderter, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen tätig seien, auch dem Grunde nach unversicherte, persönlichen Lebensbereich zu zurechnende Tätigkeiten sei nicht möglich.
Mit der Klage zum Sozialgericht Detmold hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und zusätzlich noch vorgetragen, sie sei nicht aus innerer Ursache gestürzt, insbesondere habe sie keinen Schwächeanfall erlitten. Die Toilette habe auch einen besonderen Gefahrenherd dargestellt, da sie anders als normale Toiletten mit zusätzlichen Einrichtungen (z. B. Haltegriffen) "ausgestattet" sei.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 02.01.2008, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 02.01.2008 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 festzustellen, dass der Unfall der Klägerin vom 27.07.2006 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zurecht abgewiesen; denn die Klägerin hat keinen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Die Klägerin war aufgrund der von ihr ausgeübten Tätigkeit in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen nach §...