Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftspflicht des potentiell Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Sozialhilfeträger. Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Grundsatz der Negativ-Evidenz. Adoptiertes Kind. Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Nachrang der Sozialhilfe

 

Orientierungssatz

1. § 117 Abs. 1 S. 1 SGB 12 begründet eine eigenständige öffentlich-rechtliche Pflicht zur Auskunftserteilung, der ein Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers gegenübersteht. Sie ermächtigt den Träger der Sozialhilfe, die Auskunftspflicht gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen und bei Auskunftsverweigerung im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen.

2. Zweck der Auskunftspflicht ist es, dem Sozialhilfeträger die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Sozialhilfe durch Inanspruchnahme Dritter hergestellt werden kann. Dieser Zweck gebietet es, als Unterhaltspflichtige i. S. von § 117 Abs. 1 SGB 12 alle Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen, d. h. nicht offensichtlich ausscheiden. Eine Negativ-Evidenz liegt insoweit nur dann vor, wenn von vorneherein ersichtlich ist, dass der Unterhaltsanspruch nicht besteht.

3. Ein möglicher Adoptivsohn erlangt die Position eines Verwandten ersten Grades und ist damit potentiell unterhaltspflichtig.

4. Die Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1 SGB 12 besteht, soweit die Durchführung des SGB 12 es erfordert. Steht die Überleitung eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs in Frage, so hat der Auskunftspflichtige die Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu machen, die der Sozialhilfeträger benötigt, um über die Überleitung eines Unterhaltsanspruchs auf sich entscheiden zu können.

 

Normenkette

SGB XII § 117 Abs. 1, § 94; BGB §§ 1601, 1754 Abs. 1, § 1757

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.05.2012; Aktenzeichen B 8 SO 78/11 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für den ersten und zweiten Rechtszug jeweils auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen ein Auskunftsverlangen des Beklagten nach § 117 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Streitig ist dabei, ob er als (vermeintlicher) Adoptivsohn von K I (K.I.) zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet ist.

Der am 00.00.1944 geborene Kläger ist seit seinem ersten Lebensjahr bei der am 00.00.1914 geborenen K.I. und deren im Mai 2011 verstorbenem Ehemann I I (I.I.) aufgewachsen. K.I. ist inzwischen vollstationär in einer Seniorenresidenz untergebracht. Die insoweit entstehenden ungedeckten Heimpflegekosten nach dem Siebten Kapitel des SGB XII trägt der Beklagte seit März 2010.

In einer eidesstattlichen Versicherung vom 02.08.1962 hatte I.I. gegenüber einem Notar an Eides Statt u.a. versichert, er und K.I. hätten den Kläger, der am 00.00.1944 in U (Westpreußen) geboren und dessen leiblicher Vater Eisenbahnbeamter gewesen sei, im Spätherbst des Jahres 1944 adoptiert. Der Adoptionsvertrag sei vor einem Notar in U ordnungsgemäß geschlossen, die Adoptionsurkunde ihnen infolge der Kriegsereignisse jedoch nicht mehr zugestellt worden. Allerdings habe der damalige Notar ihnen bescheinigt, dass die Adoption ordnungsgemäß erfolgt sei. Aufgrund dieser Bescheinigung habe er seinerzeit auch Kindergeld für den Kläger erhalten. Wegen der Kriegsereignisse seien die erforderlichen Urkunden nicht mehr zu beschaffen. Mehrere Schreiben nach U seien unbeantwortet geblieben. Sämtliche Angaben, insbesondere bezüglich des Geburtstags seines Adoptivsohnes, entsprächen in vollem Umfang der Wahrheit. Auf der Grundlage dieser eidesstattlichen Versicherung wurden in das Familienstammbuch des Klägers, das am 10.01.1984 anlässlich dessen erster Eheschließung neu angelegt wurde, die Eheleute I als dessen Eltern aufgenommen.

In dem zwischen K.I. und I.I. im Oktober 1980 vor einem Notar verfügten Testament hatten sich diese gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt und hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs ihres "gemeinsamen Adoptivsohnes", des Klägers, festgehalten, dass dieser von ihnen vor etwa vier Jahren bereits Zuwendungen in Höhe von mehr als 17.000,00 DM zur Begleichung von Schulden erhalten habe. Dieser Betrag müsse als vorweggenommene Erbschaft auf den Pflichtteilsanspruch angerechnet werden.

Anlässlich des Todes von I.I. im Mai 2001 hatte der Kläger im Januar 2002 als dessen Adoptivsohn gegen K.I. Klage auf Auszahlung des Pflichtteils erhoben. In dem damaligen Streitverfahren bezeichnete auch K.I. den Kläger schriftsätzlich als Adoptivsohn der Eheleute I. Darüber hinaus führte K.I. seinerzeit aus, den Sohn des Klägers, Enrico I, in der Vergangenheit durch Zahlung von Geldbeträgen in Höhe von insgesamt 25.500,00 DM sowie durch Einrichtung seiner Studentenunterkunft finanziell unterstützt zu haben, weil der Kläger seinen Unterhaltspflicht...

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