Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Schwerbehindertenrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Schwerbehindertenrecht liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinn einer Verschlimmerung dann vor, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit dem des verbindlich festgestellten Gesundheitszustandes eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt.

Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Gesundheitsstörung auszugehen und zu prüfen, ob das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird. Stehen die Behinderungen unabhängig nebeneinander und betreffen sie völlig unabhängige Bereiche, dann wird der Gesamt-GdB dadurch ermittelt, dass der höchste Einzel-GdB angemessen angehoben wird.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 30.10.2002 geändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 28.06.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2000 verurteilt, bei dem Kläger ab April 2003 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Der Beklagte trägt die Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Bei dem 1942 geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid von Februar 1997 einen GdB von 40 fest wegen der Behinderungen "Leberleiden (30), Sehleiden (20), Bluthochdruck (10), Wirbelsäulensyndrom (10)".

Im Anschluss an den Änderungsantrag von April 2000 lehnte der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung der Berichte des Augenarztes Dr. T und des Hausarztes L mit Bescheid vom 28.06.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2000 den Antrag auf Feststellung eines höheren GdB mangels wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab.

Hiergegen hat der Kläger am 15.08.2000 beim Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben mit der Begründung, das Leberleiden habe sich verschlimmert, so dass der GdB für dieses Funktionssystem mit 40 zu bewerten sei.

Das SG hat Befundberichte der Ärzte L und Dr. T, des Gastroenterologen Dr. L1, des Kardiologen Dr. G, des Chirurgen Dr. G1, des Orthopäden Dr. F sowie einen Bericht des Prof. Dr. I, Medizinische Klinik des Universitätsklinikums N, beigezogen. Sodann hat das SG ein Gutachten des Internisten Dr. W in Auftrag gegeben. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten von Januar 2001 verwiesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.10.2002 abgewiesen. Der Senat verweist auf die Entscheidung.

Gegen das am 05.11.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.11.2002 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und betont, dass sich das Leberleiden nochmals verschlechtert habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 30.10.2002 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28.06.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2000 zu verurteilen, bei ihm ab April 2003 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass sich unter Berücksichtigung der Einzel-GdB von 40 im Funktionssystem "Verdauungsorgane" und 20 im Funktionssystem "Augen" kein Gesamt-GdB von 50 ergebe.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und auf Antrag des Klägers ein Gutachten des Internisten Dr. G2 eingeholt. Der Senat verweist auf das Gutachten von August 2004.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Zwar ist der Bescheid des Beklagten im Zeitpunkt seines Erlassens rechtmäßig gewesen, jedoch beansprucht der Kläger zu Recht die Feststellung eines GdB von 50 ab April 2003. Der Kläger wird insoweit in seinen Rechten verletzt, als der Beklagte sich weigert, ab diesem Zeitpunkt die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen. Es liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes vor.

Gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung abzuändern, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist u. a. nur dann nach Nr. 24 Abs. 2 der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP), die wegen ihrer rechtsnormähnlichen Qualität für das Sozialgericht und das Landessozialgericht im Regelfall maßgebend sind (BSG, Urteil vom 09.04.1997, 9 RVs 4/95 m. w. N.), wesentlich, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit dem des verbindlich festgestellten Gesundheitszustandes des Klägers eine GdB-Differenz von mindestens 10 erg...

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