Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Zeltplatzmiete als Kosten der Unterkunft. Unterkunftsbegriff. Wohnungsbegriff. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

Bei der Miete für einen Stellplatz für ein Zelt auf einem Campingplatz handelt es sich um Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten und Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.07.2021 geändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24.06.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2020 verurteilt, dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Form der Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 826,57 EUR für August 2019 und von 289,66 EUR für September 2019 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme von Unterkunftskosten für den Zeitraum vom 13.06.2019 bis 02.09.2019.

Der am 00.00.1993 geborene Kläger steht unter gesetzlicher Betreuung und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 50. Im Zeitraum vom 01.06.2018 bis 31.05.2019 bezog er neben Krankengeld (bis Januar 2019) Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Bei der Antragstellung im Juli 2018 gab er an, dass er bei seinen Eltern mietfrei gewohnt habe, diese ihn aufgefordert hätten, mit Vollendung des 25. Lebensjahres ihr Haus zu verlassen, er sich melderechtlich dort nicht erfassen lassen könne und er deshalb bei seinem Onkel in A gemeldet sei. Seine durch die Agentur für Arbeit geförderte Ausbildung habe er wegen Krankheit zum 30.06.2018 abgebrochen. Es sei ein Klinikaufenthalt angedacht. Die Einzelheiten stünden noch nicht fest. Der Beklagte berücksichtigte bei der Ermittlung des Bedarfs ausschließlich den Regelbedarf.

Der Betreuer des Klägers zeigte gegenüber dem Beklagten im Januar 2019 an, dass der Kläger sich seit dem 15.01.2019 in einer stationären Einrichtung befand.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2019 dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2019 bis 31.05.2020 i.H.d. Regelbedarfs von 424,00 EUR monatlich.

Der Kläger mietete im Zeitraum vom 20.05.2019 bis 01.09.2019 auf dem CampingplatzR in M einen Zeltplatz an. Die R GmbH stellte dem Kläger die Kosten mit einem Zahlungsziel von 8 Tagen wie folgt in Rechnung:

Rechnung vom 12.06.2019 (Rechnung PC 01) für den Zeitraum 20.05.2019 bis 12.06.2019 i.H.v. 330,63 EUR

Rechnung 12.08.2019 (PC 02) für den Zeitraum 13.06.2019 bis 11.08.2019 i.H.v. 826,57 EUR und

Rechnung vom 02.09.2019 (PC 03) für den Zeitraum 12.08.2019 bis 01.09.2019 i.H.v. 289,66 EUR.

Seit dem 03.09.2019 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Rehabilitationseinrichtung.

Mit Schreiben vom 27.05.2019 teilte der Betreuer des Klägers dem Beklagten mit, dass der Kläger von der Stadt A abgemeldet worden sei, er die Vermittlung in eine Notunterkunft der Stadt A abgelehnt habe und sich nunmehr auf dem Campingplatz "R GmbH" in M aufhalte sowie dass er sich zuletzt in mehrmonatiger stationärer Behandlung der LVR Klinik C befunden habe.

Mit Schreiben vom 12.06.2019 beantragte der Betreuer des Klägers die Übernahme der Campingplatzkosten als Kosten der Unterkunft. Dem Schreiben war die Rechnung des Campingplatzbetreibers vom 12.06.2019 (Rechnung PC 01) für den Zeitraum vom 20.05.2019 bis 12.06.2019 i.H.v. 330,63 EUR nebst Preisliste beigefügt.

Am 12.07.2019 sprach der Kläger beim Beklagten persönlich vor und teilte mit, dass er zurzeit in M lebe und in A in einen Wohnwagen ziehen wolle. Er legte ein Mietangebot des Gasthofes "Z" vom 11.07.2019 vor, wonach der Einzug zum 01.08.2019 zu einem monatlichen Preis von 350,00 EUR erfolgen sollte. Die Zusicherung zum Umzug lehnte der Beklagte mündlich ab.

Mit Schreiben vom 29.07.2019 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2020 als unbegründet zurückwies. Ein Zelt und die damit verbundenen Kosten für einen Zeltplatz könnten nicht als Unterkunftsbedarf im Sinne des § 22 SGB II anerkannt werden, so dass auch keine Zusicherung gem.§ 22 Abs. 4 SGB II erteilt werden dürfe. Unterkünfte seien nach den Weisungen des Rhein-Sieg-Kreises alle baulichen Anlagen oder Teile hiervon, die geeignet sind, vor den Unbilden der Witterung zu schützen und einen Raum für Privatheit zu gewährleisten. Unterkünfte seien daher neben Mietwohnungen und Eigentumswohnungen oder Eigenheimen, insbesondere auch Not- oder Obdachlosenunterkünfte, Frauenhäuser, Hotel-Pensionszimmer, Schiffe und Wohnwagen bzw. Wohnmobile. Zelte seien nicht unter die Definition einer Unterkunft zu fassen.

Mit Bescheid vom 24.06.2020 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten für einen Zeltplatz auf einem Campingplatz ab. Der Kläger habe am 12.06.2019 die Übernahme der Kosten für einen Zeltplatz auf einem Campingplatz beantra...

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