Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Rentner. Versicherungspflicht. Rentenantragsteller mit Wohnsitz in Italien. nationaler Gesundheitsdienst. fortbestehender Sachleistungsanspruch in Mitgliedstaat führt auch primär zu dessen Leistungszuständigkeit. keine Anwendung von Art 22 EGV 883/2004. unterschiedliche Behandlung von Rentenantragsteller und Rentenbezieher ist systemgerecht

 

Orientierungssatz

1. Für Rentenantragsteller mit Wohnsitz in Mitgliedsstaaten mit einem sogenannten nationalen Gesundheitsdienst, also ua Italien, stellt sich das Problem des Verlustes des Sachleistungsanspruchs regelmäßig nicht, denn bei fortbestehendem Sachleistungsanspruch in diesen Mitgliedsstaaten bleiben diese auch primär leistungszuständig. Art 22 EGV 883/2004 findet dort daher keine Anwendung.

2. Es ist auch systemgerecht, Rentenantragsteller und Rentenbezieher diesbezüglich unterschiedlich zu behandeln.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.08.2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung als Rentenantragsteller im Zeitraum vom 26.08.2011 bis 31.10.2011.

Der am 00.00.1946 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er hat seinen Wohnsitz seit dem 01.06.1980 (wieder) in Italien, nachdem er in der Vergangenheit in Deutschland gelebt und gearbeitet hatte. In Italien existiert in Form des Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst, im Folgenden: SSN), eingeführt durch Gesetz Nr. 833/1978, ein staatliches, steuerfinanziertes Gesundheitssystem, das allen Bürgern unabhängig vom Einkommen und sozialen Stand eine einheitliche, kostenlose medizinische Grundversorgung bietet. Auch Rentenantragsteller und Rentner erhalten mittels des SSN Gesundheitsleistungen. Der Kläger besitzt jedenfalls seit dem 17.12.2008 Anspruch auf Sachleistungen gegenüber dem SSN.

Am 26.07.2011 stellte der Kläger beim italienischen Versicherungsträger einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung, der am 22.09.2011 bei der Beigeladenen zu 1. einging. Diese bewilligte mit Bescheid vom 06.10.2011 die begehrte Altersrente ab dem 01.11.2011 in Höhe von 154,80 Euro (Zahlbetrag). Ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 06.10.2011 waren in dem Versicherungskonto des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. Versicherungszeiten in Deutschland (mit Unterbrechungen) im Zeitraum zwischen dem 29.07.1965 und 28.10.1971 sowie vom 15.05.1974 bis 31.07.1980 gespeichert. Für die Zeit vom 01.09.1980 bis zum 30.07.2011 waren vom italienischen Versicherungsträger gespeicherte Zeiten mitgeteilt worden, wodurch die Vorversicherungszeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erfüllt war.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 28.12.2011 aufgrund seines Rentenantrages die Pflichtversicherung des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) für die Zeit vom 26.07.2011 bis 31.10.2011 fest und forderte Beiträge in Höhe von 466,05 Euro. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.03.2012 Widerspruch, den er mit dem Vorrang des SSN begründete. Aufgrund eines entsprechenden Ersuchens verrechnete die Beigeladene zu 1. die für die Zeit der Rentenantragstellung von der Beklagten gegenüber dem Kläger geforderten Beiträge mit dessen laufender Rente.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 als unbegründet zurück. Die Pflichtversicherung in der KVdR und eine damit verbundene Beitragsverpflichtung bestünden ab dem 26.07.2011. Nach § 225 Satz 1 Nr. 3 SGB V sei als Rentenantragsteller beitragsfrei versichert, wer an Stelle der Mitgliedschaft als Rentenantragsteller beitragsfrei familienversichert wäre. Analog sei in der VO (EG) 883/2004 nach dem zwischenstaatlichen Recht geregelt, dass dies auch gelte, wenn der Anspruch auf eine Familienversicherung in Italien bestehe. Beitragsfreiheit sei hingegen nicht deshalb gegeben, weil ein Anspruch auf eine beitragsfreie Einwohnerkrankenversicherung vorliege.

Hiergegen hat der Kläger am 04.07.2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er sei im streitigen Zeitraum in Italien wohnhaft und aufgrund seines Wohnsitzes über den SSN abgesichert gewesen, bei dem es nicht darauf ankomme, ob man Beschäftigter, Rentner oder Ähnliches sei. Diesen Gesundheitsschutz habe er auch nicht - wie in Art. 22 VO (EG) 883/2004 vorausgesetzt - durch den deutschen Rentenantrag verloren. Im streitigen Zeitraum habe weder nach deutschem, noch nach europäischen Recht Versicherungspflicht in der deutschen Krankenversicherung bestanden; deutsche Leistungen habe er nicht erhalten. Die Beklagte beachte bei ihrer Argumentation zudem nicht hinreichend, dass in der VO (EG) 883/2004 zwischen Rentenantragstellern und Rentnern differenziert werde.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte z...

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