Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Pflicht eines Grundsicherungsempfängers zur vorzeitigen Beantragung von Altersrente. Anforderung an die Ermessensausübung bei der Verpflichtung zur Rentenantragstellung

 

Orientierungssatz

Hat ein Grundsicherungsträger in einer Entscheidung über die Verpflichtung eines Grundsicherungsempfängers zur vorzeitigen Beantragung einer Altersrente das ihm dabei obliegende Ermessen nicht erkennbar auf den Einzelfall bezogen ausgeübt, sondern die Ermessensausübung im Bescheid nur durch Leerformeln dargestellt, ohne dass erkennbar ist, dass sich der Grundsicherungsträger mit den konkreten Verhältnissen des Grundsicherungsempfängers auseinandergesetzt hat, so ist der Bescheid wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.10.2014 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 25.07.2014 wird angeordnet.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Aufforderung des Antragsgegners, einen Antrag auf Altersrente zu stellen.

Die am 00.00.1951 geborene Antragstellerin bezieht seit 2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, zuletzt in Höhe von 854,54 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 25.07.2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, einen Antrag auf Altersrente zu stellen. Die Antragstellerin sei verpflichtet, einen Antrag bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn sie eine geminderte Altersrente (d.h. mit Abschlägen) beziehen könne und das 63. Lebensjahr vollendet habe. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei er zu der Entscheidung gekommen, die Antragstellerin zur Beantragung vorrangiger Leistungen aufzufordern. Er sei gehalten, wirtschaftlich und sparsam zu handeln. Die Antragstellerin sei verpflichtet, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zu verringern. Es seien keine maßgeblichen Gründe ersichtlich, welche gegen die Beantragung der genannten vorrangigen Leistungen sprächen. In Abwägung der Interessen der Antragstellerin mit seinem Interesse an der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Leistungen nach dem SGB II sei der Antragstellerin die Beantragung der genannten vorrangigen Leistungen zumutbar, da die Hilfebedürftigkeit beseitigt bzw. verringert werde.

Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Sie rügte eine fehlerhafte Ermessensausübung und machte geltend, der Antragsgegner habe keinerlei Überprüfung hinsichtlich der zu erwartenden Rente, der Höhe der zu erwartenden Abschläge und der weiteren Absicherung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie der Kosten der Unterkunft vorgenommen. Ihre Altersrente ohne Abschläge würde in etwa zur Deckung des Lebensunterhaltes ausreichen. Ihr stünde dann noch ein Anspruch auf Wohngeld zu, so dass davon auszugehen sei, dass sie keine Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch nehmen müsse. Wenn sie hingegen den Antrag auf vorzeitige Altersrente stellen müsse, sei sicher, dass sie Zeit ihres Lebens auf Leistungen nach dem SGB XII angewiesen wäre. Da der Antragsgegner bei Erlass des Bescheides keine Kenntnis von der Rentenhöhe mit und ohne Abschläge gehabt habe, habe er keine Interessenabwägung vornehmen können.

Am 13.08.2014 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Düsseldorf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 25.07.2014 beantragt. Sie könne ab dem 01.07.2016 eine Altersrente ohne Abschläge beziehen. Diese würde sich unter Berücksichtigung der Mütterrente nach heutigen Berechnungen auf ca. 810,66 EUR netto belaufen. Falls sie eine vorzeitige Altersrente für Frauen ab dem 01.08.2014 in Anspruch nehme, würden sich ihre Renteneinkünfte auf 766,88 EUR netto belaufen. Die zu erwartende Nettoaltersrente ohne Abschläge werde sich im nächsten Jahr aufgrund Rentenanpassung nochmals erhöhen. Zudem habe sie einen geringen Anspruch auf Wohngeld. Mit diesen Beträgen könne sie voraussichtlich ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ergänzend hat die Antragstellerin Rentenauskünfte der Deutschen Rentenversicherung Bund vorgelegt, wonach sich die Altersrente ab dem 01.07.2016 voraussichtlich auf 866,39 EUR brutto und eine Altersrente für Frauen ab dem 01.07.2014 auf 827,08 EUR brutto (5,7 % Rentenminderung) belaufen werde.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, er habe die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Beantragung der vorzeitigen Altersrente aufgefordert. Auch unter Berücksichtigung der Unbilligkeitsverordnung sei danach kein Ausnahmefall gegeben.

Durch Beschluss vom 23.10.2014 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 21.11.2014 Beschwerde eingelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Antrag auf Anordn...

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