Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrbedarf. Atypische Bedarfslage. Existenzminimum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kosten für die Anmietung eines grafikfähigen Taschenrechners für die Sekundarstufe II sind von der Schulbedarfspauschale des § 28 Abs 3 SGB II erfasst. Die Höhe der Schulbedarfspauschale (insgesamt 100 € pro Jahr) ist gegenwärtig rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Weitergehende Ansprüche auf Übernahme der Kosten für die Anmietung eines Taschenrechners ergeben sich für Bezieher von SGB II-Leistungen weder aus § 21 Abs 6 SGB II noch aus § 73 SGB XII.

 

Normenkette

SGB II § 28 Abs. 3, § 21 Abs. 6, § 7 Abs. 1; SGB XII § 73

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. September 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Anmietung eines grafikfähigen Taschenrechners, den sie für die Schule benötigt.

Die am I. 1994 geborene Klägerin bezog gemeinsam mit ihren 1959 und 1969 geboren Eltern seit mindestens 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 12. September 2014, 12. November 2014 und 1. Dezember 2014 der Familie laufende Leistungen für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015. Als Einkommen berücksichtigte er das für die Klägerin gezahlte Kindergeld (184 € monatlich) und die Rente des Vaters wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 605,07 €.

Die Klägerin besuchte seit dem Schuljahr 2013/2014 die Sekundarstufe II an dem Beruflichen Gymnasium der Berufsbildenden Schulen des Landkreises J. /K. (L.). Für die Anschaffung von Schulbüchern zu Beginn des Schuljahres 2013/2014 gewährte der Beklagte ein Darlehen über 307,40 € (Bescheid vom 23. Juli 2013).

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen für einen Taschenrechner (M.), der für den Schulbesuch benötigt werde. Der Anschaffungspreis betrage etwa 110 €. Tatsächlich konnte die Klägerin einen entsprechenden Taschenrechner von der Schule mieten. Hierfür zahlte sie für drei Schulhalbjahre (2. Halbjahr der 12. Klasse sowie 1. und 2. Halbjahr der 13. Klasse) insgesamt 75 € (25 € pro Halbjahr, vgl. E-Mail der Klägerin vom 14. April 2016 sowie Quittung des Mathematikkursleiters vom 6. Juni 2015).

Die Übernahme der Kosten lehnte der Beklagte ab. Beim Taschenrechner handele es sich um einen Schulbedarf. Dieser sei nach § 28 SGB II in zwei pauschalen Teilbeträgen zu leisten. Da der zum 1. August 2014 eigentlich zu zahlende Teilbetrag von 70 € noch nicht ausgezahlt worden sei, werde dies nun nachgeholt. Soweit deutlich über den Pauschalen liegende Bedarfe existieren sollten, käme ein Darlehen in Betracht (Bescheid vom 15. Dezember 2014). Mit zwei weiteren Bescheiden vom selben Tag bewilligte der Beklagte die bereits angesprochene Pauschale von 70 € und den - eigentlich erst am 1. Februar 2015 fällig werdenden - zweiten Teilbetrag von 30 €.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 29. Dezember 2014 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2015 (dem Bevollmächtigten am 3. März 2015 zugegangen) zurückwies. Höhere Leistungen als die Pauschale seien grundsätzlich nicht vorgesehen. Angesichts der Höhe der Pauschalen dürfte der konkret angefallene Betrag, der im Übrigen bislang nicht nachgewiesen worden sei, gedeckt sein.

Am 7. April 2015 (Dienstag nach Ostern) hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben. Der Anspruch werde auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 1/09 u.a. -), auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie hilfsweise auf § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gestützt. Sie könne die Kosten für die Anmietung des Taschenrechners weder aus der Regelleistung noch aus dem Schulbedarfspaket finanzieren, da nach den Bestimmungen des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) in den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben die Positionen für Bildung nicht annähernd in der Höhe enthalten seien, die für den Besuch der Sekundarstufe II notwendig wären. Außerdem werde auf die Begründung des Urteils des SG Hildesheim vom 22. Dezember 2015 (- S 37 AS 1117/15 -) Bezug genommen, mit dem weitere SGB II-Leistungen für die Anschaffung von Schulbüchern zugesprochen worden seien.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6. September 2016 abgewiesen. Ein weitergehender Anspruch nach § 28 SGB II bestehe nicht. Es könne dahinstehen, ob die Kosten für den Taschenrechner dem Regel- oder dem Schulbedarf zuzuordnen seien. Das BVerfG habe bereits entschieden (Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. -), dass das Schulbedarfspaket ausreichend sei. Ein Rückgriff auf § 21 Abs. 6 SGB II oder § 73 SGB XII komme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ebenfalls nicht in Betracht. Die Berufung hat das SG z...

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