Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. vor dem Leistungsbezug abgeschlossene Lebensversicherung. keine Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses. Verwertbarkeit. Nichtvorliegen einer besonderen Härte

 

Orientierungssatz

Zum Nichtvorliegen einer besonderen Härte nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB 2 bei Verwertung einer vor dem Leistungsbezug von einem selbständig Tätigen zur Alterssicherung abgeschlossenen Lebensversicherung ohne vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.01.2020; Aktenzeichen B 4 AS 7/20 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die 1959 geborene Klägerin begehrt noch die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01. Oktober 2011 bis zum 10. September 2013. Streitig ist insbesondere, ob Hilfebedürftigkeit bestanden hat, da sie Inhaberin einer Lebensversicherung war.

Die Klägerin war bis zum Jahresende 2008 als Rechtsanwältin (Zulassung Januar 1998) tätig. Seit dem Jahr 2009 verfolgte sie die Geschäftsidee "Entwurf und Handel mit Topflappen". Ein entsprechendes Gewerbe ist angemeldet.

Am 29. September 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Sie bewohnt seit 1993 eine 70 m² große mit Fernwärme beheizte 2-Zimmer-Wohnung, für die im Antragszeitpunkt eine Bruttowarmmiete von 503,77 EUR monatlich zu entrichten war (323,18 EUR Nettokaltmiete, 133,93 EUR kalte Betriebskosten, 46,66 EUR Heizkostenvorschuss). Die Klägerin gab eine Erklärung über ihr zu prognostizierendes monatliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) ab, wonach die Summe der Einnahmen von Oktober 2011 bis April 2012 13.232,04 EUR und die Summe der Ausgaben 9437,94 EUR betragen sollte. In der Folgezeit sind niemals Beträge dieser Größenordnung umgesetzt (erzielt und ausgegeben) worden. Die Klägerin war ab Januar 2011 zum Mindestbeitrag (109,45 EUR/Monat) Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin. Sie war in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu einem monatlicher Beitrag von 218,46 EUR (190,35 EUR + 28,11 EUR) freiwillig versichert.

Die Klägerin gab an, sie verfüge über 805,50 EUR Barmittel, ein Girokonto bei der Postbank (Kontostand 31. August 2011: 2029,99 EUR) und über ein Tagesgeldkonto bei der Mercedes-Benz-Bank mit einem Guthaben von 4.029,10 EUR (Kontostand dort am 07. März 2013: 46,71 EUR). Ferner lagen Unterlagen über den Lebensversicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der Versicherung H vor. Dieser Vertrag ist mit Wirkung zum 01. September 1999 auf eine Versicherungsdauer von 20 Jahren geschlossen und wurde damals einmalig mit 20.000,00 DM bedient. Der Versicherungsschein XX benennt XX die XX Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung (ALB94) und die Besonderen Bedingungen für kapitalbildende Versicherungen (L98) als zusätzlich geltende Vertragsbedingungen. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 gab die Versicherung an, der Rückkaufswert dieser Versicherung zum 31. August 2011 betrage 15.880,00 EUR. Die Summe der eingezahlten Beiträge betrage 11.094,20 EUR. Zum 31. August 2013 betrug der Rückkaufswert 17.101,54 EUR.

Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 21. Januar 2011 beträgt die Rentenanwartschaft der Klägerin (ohne Hochrechnung bzgl weiterer Beitragsleistung) bezogen auf diesen Zeitpunkt 437,76 EUR monatlich. Nach Auskunft des Versorgungswerks der Rechtsanwälte von 06. Februar 2012 hat die Klägerin zum 31. Dezember 2011 eine Anwartschaft von 434,72 EUR monatlich erreicht. Der Anspruch auf Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres betrage 635,89 EUR monatlich, wenn die bisherige durchschnittliche monatliche Beitragsleistung von 365,72 EUR monatlich beibehalten werde.

Der Beklagte, der eine Kostensenkungsaufforderung erwog, berechnete aus der EKS ein Einkommen von 271,92 EUR monatlich, das um 139,45 EUR zu bereinigen sei - (anzurechnendes Einkommen 137,54 EUR). Er berechnete ein anzurechnendes Vermögen in Höhe von 13.539,09 EUR (2.029,99 EUR Girokonto Postbank/4.029,10 EUR Tagesgeldkonto Mercedes-Benz Bank/15.880,00 EUR Lebensversicherungsvertrag - Summe: 21.939,09 EUR/gegenzurechnen: Freibetrag nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) 7.650,00 EUR zuzüglich Freibetrag nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II - 750,00 EUR).

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 lehnte der Beklagte den Antrag (zeitlich unbefristet) ab. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig, da sie über verwertbares Vermögen iHv 21.939,09 EUR verfüge, dem (nur) Freibeträge iHv 8.400,00 EUR gegenüberständen.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin ua geltend, die Lebensversicherung diene ausschließlich der Alterssicherung. Sie sei Mitte Februar 1998 aus der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschieden und habe erst zum September 1999 dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte beitreten können, das...

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