Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Abrechnungsprüfung. objektive Beweislast der Krankenkasse über rechtzeitigen Zugang der Prüfmitteilung. Direktbeauftragung des MDK. Prüfanzeige des MDK ersetzt notwendige Prüfmitteilung der Krankenkasse. Prüfmitteilung bzw Prüfanzeige muss nicht die Art der Prüfung konkret bezeichnen. Bestimmung nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen. PrüfvV aF findet nur für Auffälligkeitsprüfung, nicht für sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung Anwendung. § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV aF entspricht materiell-rechtlicher Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Krankenkasse trägt die objektive Beweislast für den rechtzeitigen Zugang der Prüfmitteilung beim Krankenhaus.

2. Bei einer Direktbeauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) durch die Krankenkasse ersetzt die Prüfanzeige des MDK gemäß § 6 Abs 4 PrüfvV (juris: PrüfvVbg) in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung (PrüfvV aF) die nach § 4 PrüfvV aF notwendige Prüfmitteilung der Krankenkasse.

3. Die Prüfmitteilung bzw Prüfanzeige nach den §§ 4, 6 PrüfvV aF muss nicht die Art der Prüfung konkret bezeichnen, da die PrüfvV für die Zeit bis zum 31.12.2016 ohnedies nur für die Auffälligkeitsprüfung, nicht aber für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit Anwendung findet. "/≫

4. Bei § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV aF handelt es sich um eine Frist, die einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist entspricht.

 

Orientierungssatz

Ob eine Krankenkasse einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung iSd § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 oder der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung erteilt, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (vgl BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 22/16 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 7).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.01.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.404,66 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin der “A. Klinik„ in P.. Das Krankenhaus ist in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen und zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter gemäß §§ 107, 108 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V) zugelassen. Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse.

Der am … 1998 geborene M. K. (im Folgenden Versicherter) ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er wurde vom 11.08. bis zum 14.08.2015 stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. In der Schlussrechnung vom 18.08.2015 machte die Klägerin für die stationäre Versorgung des Versicherten die DRG I08F (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur, ohne äußerst schwere CC, mit mäßig komplexem Eingriff, ohne bestimmte Osteotomie, ohne Muskel- und Gewebeplastik) geltend und verlangte von der Beklagten einen Betrag in Höhe von insgesamt 8.111,96 €. Die Beklagte beglich diesen Betrag zunächst.

Die Beklagte hat im Gerichtsverfahren ein Schreiben vom 20.08.2015 vorgelegt, welches sie an die Klägerin versandt habe. Die Klägerin bestreitet den Erhalt dieses Schreibens. In diesem Schreiben heißt es ua (Bl 34 Senatsakte):

“In dem vorbezeichneten Behandlungsfall haben wir direkt den MDK mit einer Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V beauftragt. Ein Vorverfahren wird unsererseits nicht eingeleitet.

...

Der Krankenkasse stehen bei Auslösung des Begutachtungsauftrages nur begrenzte Erkenntnisse über den Behandlungsfall in Form von Daten nach § 301 SGB zur Verfügung. Daher ergeben sich aus ihrer Sicht Auffälligkeiten, welche die Einleitung einer Prüfung bedingen, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen Fragen nach der Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, welche die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann. ...

Ungeachtet der Tatsache, dass unsererseits schon im Hinblick auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V keine Prüfungen ohne detailliertes Hintergrundwissen erfolgen, liegen auch dieser Prüfung Gründe bzw Auffälligkeiten zugrunde, welche wir Ihnen nachfolgend mitteilen.

Nach Befundanforderung durch den MDK bitten wir um vollständige Vorlage der zur Beantwortung der Fragestellungen erforderlichen Unterlagen beim MDK.

[x] Eine Teilprüfung der Abrechnung

[x] Weitere Erläuterungen/sonstige Prüfgründe: UGVD, OPS„

Am 24.08.2015 zeigte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) der Klägerin an, dass er von der Beklagten mit einer gutachtlichen Stellungnahme zum Aufenthalt des Versicherten beauftragt worden sei (Bl 32 Senatsakte). Für den Auftrag der Beklagten “nach § 275...

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