Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. häusliche Pflege. Entlastungsbetrag. Sonderregelung zur Kostenerstattung bei pflegerischen Versorgungsengpässen durch Coronavirus. Glaubhaftmachung

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung des Entlastungsbetrags nach § 45b Abs 1 SGB XI iVm § 150 Abs 5 SGB XI in Höhe von monatlich 125 € bei Inanspruchnahme von "Haushalt-Corona-Hilfe" durch Privatpersonen, wenn ein coronabedingter Versorgungsengpass nicht glaubhaft gemacht wird.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 14. September 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

1. Die am 15. Oktober 2020 beim Sozialgericht Mannheim (SG) zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 14. September 2020 ist zulässig, insbesondere ist sie nicht gemäß §§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Denn das Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin vorläufig zur Auszahlung des Entlastungsbetrages in monatlicher Höhe von 125,00 € seit April 2020 zu verpflichten, überstieg bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung den Beschwerdewert von 750,00 €.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache können auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden, solange jedenfalls nicht schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris, Rn. 23 ff.; 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09 - juris, Rn. 11; 4. Juni 2020 - 1 BvR 2846/16 - juris, Rn. 10). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

b) Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt bereits kein Anordnungsanspruch i.S.e. materiell-rechtlichen Leistungsanspruches vor. Dabei steht aufgrund des bestandskräftig gewordenen Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. November 2019 zwischen den Beteiligten bindend fest, dass der Antragsteller ab dem 1. Oktober 2019 Anspruch auf Leistungen zumindest nach Pflegegrad 2 hat und ihm damit auch der Entlastungsbetrag nach § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) dem Grunde nach zusteht. Die begehrten Kosten für die vom Antragsteller ab April 2020 in Anspruch genommenen Hilfeleistungen sind jedoch nicht im Rahmen des Entlastungsbetrages erstattungsfähig.

aa) Nach § 45b Abs. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige in häuslicher Pflege Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125,00 € monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1. Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,

2. Leistungen der Kurzzeitpflege,

3. Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36 SGB XI, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,

4. Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a SGB XI.

Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht nach § 45b Abs. 2 SGB XI, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf.

Nac...

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