Rz. 11f

§ 9 Abs. 4 wurde bereits durch das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) mit Wirkung zum 1.3.2015 neu gefasst. Die bisher in § 9 Abs. 4 a. F. enthaltenen Regelungen über die entsprechende Anwendung von ausgewählten Vorschriften des SGB XII und des BSHG finden sich nunmehr inhaltlich unverändert in § 9 Abs. 5.

Mit der Neufassung des § 9 Abs. 4 und der Zusammenführung der Verweisungen auf die Vorschriften des SGB X hat der Gesetzgeber systematische Unstimmigkeiten in Gestalt der unübersichtlichen Verteilung von Verweisungen auf das SGB X (bisher §§ 7 und 9 AsylbLG a. F.) beseitigt und nun eine übersichtlichere Regelung geschaffen. Gleichzeitig wurde mit der Schaffung des § 9 Abs. 4 Satz 2 eine Ungleichbehandlung gegenüber Leistungsbeziehern nach dem SGB XII beseitigt, der allerdings das BSG bereits zuvor durch eine entsprechende Anwendung des § 116a SGB XII begegnet war (BSG, Urteil v. 26.6.2013, B 7 AY 6/12 R; Anm. Luthe, jurisPR-SozR 24/2013 Anm. 5). Gleichwohl ist die gesetzliche Klarstellung in Gestalt der Schaffung des § 9 Abs. 4 Satz 2 zu begrüßen, weil die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen im SGB XII einerseits (rückwirkende Leistungen nach § 44 SGB X nur noch für ein Jahr) und im AsylbLG andererseits (weiterhin uneingeschränkte Verweisung auf § 44 Abs. 1, Abs. 4 SGB X mit 4 Jahren Rückwirkung) nicht zu begründen war und auch der von dem BSG vorgeschlagene Lösungsweg über eine analoge Anwendung des § 116a SGB XII angesichts des zweifelhaften Vorliegens einer unbeabsichtigten Regelungslücke erheblichen Bedenken begegnete. Die Reduzierung der nach § 44 Abs. 4 SGB X rückwirkend zu gewährenden Leistungen von 4 Jahren auf nunmehr ein Jahr findet sich seit der gesetzlichen Neufassung des § 9 Abs. 4 durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II v. 26.7.2016 (BGBl. I S. 1824) nunmehr in Abs. 4 Satz 2 Nr. 2.

 

Rz. 11g

Eine weitere Änderung des § 9 Abs. 4 Satz 2 im Sinne einer Neufassung erfolgte durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II v. 26.7.2016 (BGBl. I S. 1824) mit Wirkung zum 1.8.2016. Seitdem enthält Satz 2 zwei Regelungen (Nr. 1 und Nr. 2). In Nr. 1 wird nunmehr bestimmt, dass rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach Abs. 1 und Abs. 2 nicht später als 4 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben wurde, zurückzunehmen sind. Ausreichend ist nach Nr. 1 letzter Satz allerdings, wenn die Rücknahme innerhalb des o. g. Zeitraumes beantragt wird.

Hierzu wird in der Ausschussbegründung (BT-Drs. 18/8909 S. 39 f.) ausgeführt:

"Mit der Regelung in § 9 Absatz 4 S. 2 wird die Rücknahme unanfechtbar gewordener rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakte im Sinne des § 44 Abs. 1 und 2 zeitlich eingeschränkt. Hintergrund für die Regelung sind die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.12.1996 (11 Rar 31/96) und 13.02.2014 (B 4 AS 19/13). Danach können Verwaltungsakte, die beispielsweise die Aufhebung eines VA, einen Erstattungsanspruchs oder einen Ersatzanspruch verfügen, trotz Bestandskraft gemäß § 44 SGB X über 30 Jahre lang rückwirkend überprüft werden. Dieses Ergebnis ist für den Bereich des Fürsorgerechts nicht sachgerecht. Denn bei den existenzsichernden Leistungen, die stets im Voraus zu zahlen und aufgrund von laufenden Veränderungen bei Bedarfen und Einkommen häufigen Schwankungen unterliegen, löst die Möglichkeit einer rückwirkenden Überprüfung über einen 30-jährigen Prüfungszeitraum einen überdurchschnittlich hohen Verwaltungsaufwand aus. Den Interessen der Leistungsberechtigten wird durch die Neuregelung, die für diese Bescheide eine Rücknahmepflicht nur noch für vier Jahre vorsieht, hinreichend Rechnung getragen; zumal ihnen die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen belastende VA ohnehin zur Verfügung stehen (Widerspruch, Klage etc). Im Übrigen wird auf die Begründung zu Nummer 1, Buchstabe o zu § 40 Absatz 1 Satz 2 SGB II verwiesen."

 

Rz. 11h

Staiger (info also 2016 S. 212) kritisiert, dass hierdurch erneut ein zugunsten der Leistungsberechtigten (allerdings wohl nach dem SGB II) ergangenes Urteil des BSG durch die Änderung einer gesetzlichen Vorschrift ausgehebelt werde. Das BSG hatte nämlich entschieden, dass die § 9 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG entsprechende Regelung in § 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II a. F. i. V. m. § 330 SGB III nur dann zur Anwendung kommt, wenn die ständige Rechtsprechung von der Rechtsanwendung sämtlicher Leistungsträger abweicht. Dies führte nach der bis zum 31.7.2016 geltenden Gesetzesfassung dazu, dass in jedem einzelnen Streitfall nachgewiesen werden musste, dass die jeweilige Verwaltungspraxis auch von den zugelassenen kommunalen Trägern angewendet wird, was im Hinblick auf die Vielzahl der Träger praktisch unmöglich war (Staiger, a. a. O.).

 

Rz. 12

Nach der Gesetzesbegründung zu der Verweisung auf die §§ 44 f. SGB X (noch zu § 9 Abs. 3 a. F. AsylbLG) sollte dem Leistungsträger mit dem Verweis auf die Vorschriften des SGB X die Möglich...

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