Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2015; Aktenzeichen B 14 AS 18/14 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012 verurteilt, den Bescheid vom 23. Februar 2012 zurückzunehmen, sowie dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis 30. April 2012, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 bis zum 27. November 2013 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1993 geborene Kläger begehrt mit seiner Klage die Rücknahme von Bescheiden, mit denen die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) abgelehnt wurden sowie die Verpflichtung zur Leistungsgewährung dem Grunde nach.

Er ist bulgarischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben im Oktober 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und bewohnt gemeinsam mit seiner Mutter und zeitweise auch mit seiner Schwester - der Klägerin des Berufungsverfahrens L 6 AS 378/12 - sowie deren Kinder eine Wohnung in A-Stadt. Am 30. Januar 2012 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger ist im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 2 Abs. 1 i. V. m. § 13 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), ausweislich derer eine unselbstständige Beschäftigung nur nach Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit nach § 284 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) gestattet ist. Eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 SGB III liegt weder vor, noch ist sie von dem Kläger bislang beantragt worden. Ausweislich der von der zuständigen Ausländerbehörde am 23. August 2013 übersandten Verwaltungsvorgänge wurden bislang keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet.

Am 2. März 2012 meldete der Kläger ein “Garten- und Landschaftsbau"-Gewerbe an, das er am 20. Mai 2012 wieder abmeldete. Tätig war er nach seinen Angaben in diesem Gewerbe nicht. Nach seinen Angaben im Rahmen der informatorischen Anhörung vor dem Sozialgericht habe er im April 2012 einmal “nicht sozialversicherungspflichtig„ für fünf oder sechs Tage für eine Firma in Limburg, deren Namen er nicht kenne, Batterien an Solarien installiert und dafür pauschal 60,-- € pro Tag erhalten. Eine Arbeitserlaubnis habe er zu keinem Zeitpunkt beantragt; auf Stellenangebote habe er sich nicht beworben, dies wäre aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse auch aussichtslos gewesen. Von Bulgaren vermittelte Arbeit nehme er an. Er sei in keinem System der sozialen Sicherheit in Bulgarien oder Deutschland versichert. Über Einkommen oder Vermögen verfüge er nicht.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II. Am 28. März 2012 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), der mit Bescheid vom 10. April 2012 abgelehnt wurde. Hiergegen erhob der Kläger am 18. April 2012 Widerspruch. Im Rahmen eines Erörterungstermins betreffend das ebenfalls am 18. April 2012 anhängig gemachte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes am 4. Mai 2012 beschränkte der Kläger den Überprüfungsantrag auf den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis zum 30. April 2012 und stellte für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 einen weiteren Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Ablehnungsbescheides betreffend den Überprüfungsantrag unter Hinweis auf die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2012 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2012 lehnte die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Ablehnungsbescheides betreffend den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2012 ebenfalls unter Hinweis auf die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab.

Aufgrund eines Eilverfahrens gewährte die Beklagte dem Kläger schließlich unter Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache bis zum 31. Oktober 2012 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten erhält der Kläger bis heute Leistungen unter Vorbehalt.

Am 7. Mai 2012 - SG Wiesbaden S 11 AS 382/12, bezüglich des Überprüfungsantrages - und am 22. Juni 2012 - S...

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