Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten. Ersatzanspruch gegen einen Dritten. rechtliche Betreuung. unzureichende Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes des Betreuten. Sozialwidrigkeit des Verhaltens. Unterlassen. Garant für die Vermögensinteressen des Sozialhilfeträgers
Leitsatz (amtlich)
Zur Kostenersatzpflicht des Betreuers, wenn der Sozialhilfeträger auf Grund eines Unterlassens des Betreuers (hier: unzureichende Sorge für eine ausreichende Kontodeckung mit der Folge, dass auf Grund der Nichtzahlung von Beiträgen die freiwillige Mitgliedschaft der Betreuten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung endete) Sozialhilfeleistungen an die Betreute erbringen muss.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2017 aufgehoben.
Der Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2009 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den Kläger auf der Grundlage von § 103 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe heranziehen darf, die ihm entstanden sind, weil der Kläger als Betreuer nicht verhindert hat, dass die freiwillige Versicherung der von ihm Betreuten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf Grund von Zahlungsrückständen endete, und der Beklagte deswegen Leistungen an die Betreute zu erbringen hat.
Der Kläger ist Berufsbetreuer und wurde im Jahr 2002 zum Betreuer der chronisch alkoholkranken und an einem hirnorganischen Abbau leidenden Frau C. C., geboren 1952, bestellt; sein Aufgabenkreis erstreckte sich unter anderem auf die Sorge für die Gesundheit und die Vermögenssorge (vgl. den Betreuerausweis vom 11. November 2002, Bl. 25 der zur Betreuten geführten Leistungsakte des Beklagten - im Folgenden: LA -).
Die Betreute erhielt auf Grund eines Vermächtnisses ihres verstorbenen Lebensgefährten monatliche Zahlungen in Höhe von 1.512,65 Euro; konkret handelte es sich um die hälftigen Pachteinnahmen aus einem Grundstück, das dem Lebensgefährten gehört hatte. Zahlungsverpflichtete war Frau D. D., eine Nichte des Lebensgefährten der Betreuten, auf die das Grundstück übergegangen war. Wegen der Einzelheiten wird auf das notarielle Testament des verstorbenen Lebensgefährten vom 17. März 2000 (LA Bl. 28 ff.) Bezug genommen.
Die Betreute, die bei der AOK Hessen (AOK) freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert war, wurde im Februar 2003 in das Alten- und Pflegeheim E. in E-Stadt aufgenommen. In diesem Zusammenhang erhielt die Betreute auf Antrag des Klägers - wenn auch erst im Rahmen einer Abhilfeentscheidung im Widerspruchsverfahren - durch Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2005 Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme der Heimkosten für die Zeit vom 10. Februar bis 31. August 2003. Ab 1. September 2003 war sie - nach Auflösung der zuvor von ihr bewohnten Wohnung - in der Lage, ihren Lebensunterhalt einschließlich der Unterbringung im Pflegeheim aus eigenen Mitteln zu finanzieren, so dass der Kläger den Antrag auf Sozialhilfe entsprechend beschränkte.
Im Frühjahr 2005 unterbrach Frau D. die Weiterleitung der hälftigen Pachtzahlungen, so dass das Konto der Betreuten ab März keine ausreichende Deckung für die per Lastschrift eingezogenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mehr aufwies. Die AOK mahnte die rückständigen Beträge für März 2005 mit Schreiben an die Betreute vom 22. April 2005 (vgl. LA Bl. 80 f.) an und teilte mit, dass sie das Lastschriftverfahren vorsorglich einstelle. Dem Kläger übersandte die AOK am gleichen Tag ein Duplikat. Mit Schreiben an den Kläger vom 20. Mai 2005 (vgl. Gerichtsakte - im Folgenden: GA - Bl. 19) und ähnlich nochmals mit Schreiben an die Betreute vom 25. Mai 2005 (vgl. LA Bl. 84 f.) - ebenfalls als Duplikat am gleichen Tage an den Kläger übermittelt - meldete sich die AOK erneut, wies auf die durch die Nichtzahlung der Beiträge für April weiter angewachsenen Rückstände sowie das drohende Ende der freiwilligen Mitgliedschaft bei Nichtzahlung der Beiträge für zwei Monate hin und räumte eine Nachfrist für die Zahlung bis zum 15. Juni 2005 ein. Nachdem auch bis dahin keine Zahlung erfolgt war, endete die Mitgliedschaft der Betreuten in der AOK.
Anfang September 2005 wandten sich sowohl der Kläger als auch das Pflegeheim wegen der auf Grund der ausbleibenden Leistungen der Pflegeversicherung aufgelaufenen Rückstände und des fehlenden Krankenversicherungsschutzes an den Beklagten. Der Kläger erläuterte das Geschehen mit Schreiben vom 23. September 2005 aus seiner Sicht: Danach habe Frau D. aus ihm nicht nachvollziehbaren Gründen die Zahlungen des hälftigen Pachtanteils im März 2005 plötzlich eingestellt, was ...