Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. getrennt lebende Ehegatten aufgrund stationärer Unterbringung eines Ehepartners. Fortbestehen der Einstandspflicht gem § 19 SGB 12. Vermögenseinsatz. Kapitallebensversicherung. objektive Eignung. keine Härte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein die Einstandspflicht ausschließendes Getrenntleben von Ehegatten iS des § 19 Abs 1 bis 3 SGB 12 verlangt insbesondere, wenn äußere Umstände die Trennung erzwingen, einen darüber hinausgehenden Willen zur Aufgabe der Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft.

2. Die objektive Eignung einer Vermögensanlage zur Altersversorgung kann im Sozialhilferecht nicht anders beurteilt werden als vormals für die Arbeitslosenhilfe oder jetzt die Grundsicherung für Arbeitsuchende (entgegen BVerwG vom 13.5.2004 - 5 C 3/03 = BVerwGE 121, 34 = NJW 2004, 3647). Lediglich der Umfang des gebotenen Schutzes ist unterschiedlich ausgestaltet.

3. Vor allem bei Leistungen nach dem Fünften bis Achten Kapitel des SGB 12 kann die Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersversorgung auch oberhalb des Sozialhilfeniveaus eine den vorrangigen Vermögenseinsatz ausschließende Härte begründen. Entscheidend sind die Besonderheiten des Einzelfalls.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob der anspruchsbegründenden Bedürftigkeit des Antragstellers für Sozialhilfe in einer vollstationären Pflegeeinrichtung anrechenbares Einkommen und Vermögen seiner Ehefrau entgegensteht.

Der 1934 geborene Antragsteller ist verheiratet. Seine 1951 geborene Ehefrau, die als Krankenschwester beschäftigt ist, übernimmt die Betreuung des Antragstellers u.a. für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge laut Bestallungsurkunde vom 3. Mai 2006.

Am 14. Juli 2006 nahm ein Pflegeheim den Antragsteller zur stationären Pflege auf. Deshalb stellte er am 17. Juli 2006 bei dem Antragsgegner einen Antrag auf ergänzende Hilfe nach dem SGB XII. Im Rahmen der Ermittlungen des Antragsgegners zur Bedürftigkeit des Antragstellers gab die Ehefrau folgendes Vermögen von sich und dem Antragsteller unter Vorlage von Belegen an:

Nr. Gegenstand Inhaber Wertstellung Betrag in EUR 1 Girokonto Hausbank Beide 14.7.06 928,55 2 Sparbuch Hausbank Beide 7.4.06 365,12 3 Bausparvertrag Beide 11.8.06 16.918,86 4 Kapitallebensversicherung Nr. 0 Ehefrau 1.7.06 8.673,72 5 Kapitallebensversicherung Nr. 0 Ehefrau 1.7.06 8.287,34 6 Geschäftsanteil Hausbank Ehefrau 50,00 7 Geschäftsanteil Hausbank Antragsteller 100,00 Gesamtvermögen Beide 35.323,59.

Die Ehefrau des Antragstellers wies aus einem Darlehen ihrer Hausbank eine Verbindlichkeit in Höhe von 3.958,65 EUR zum 30. Juni 2006 auf.

Der Antragsteller erhält eine Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von aktuell 1.062,29 EUR ab 1. Juli 2008. Die Ehefrau des Antragstellers würde laut Auskunft des Rentenversicherungsträgers vom 23. Dezember 2005 eine Regelaltersrente in Höhe von 1.241,60 EUR erhalten, wenn bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Beiträge wie im Durchschnitt der letzten 5 Kalenderjahre gezahlt würden. Ausstehende Rentenanpassungen sind dabei nicht berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 7. September 2006 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, dem Antragsteller stehe vorrangig einzusetzendes Vermögen von sich und seiner Ehefrau zur Verfügung, das selbst unter Berücksichtung eines Abzugspostens für die Darlehensverbindlichkeit sowie des Anrechnungsfreibetrags in Höhe von 3.214,00 EUR noch 28.150,94 EUR betrage. Aus diesem Vermögen seien die Heimpflegekosten in Höhe von 86,96 EUR täglich zzgl. eines Barbetrags in Höhe von 89,70 EUR voraussichtlich bis November 2007 zu verbrauchen, bevor Hilfebedürftigkeit eintreten könne. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte am 5. Oktober 2006 mit der nachgereichten Begründung Widerspruch ein, der von dem Antragsgegner berücksichtigte Bedarf lasse den weiteren Lebensunterhaltsbedarf des Antragstellers insbesondere für Kleidung und Hygienemittel außer Betracht. Berücksichtigung finden dürfe ausschließlich Einkommen und Vermögen des Antragstellers, welches selbst unter Berücksichtigung seines Unterhaltsanspruchs gegenüber der Ehefrau nicht bedarfsdeckend sei. Das folge daraus, dass die Ehefrau von dem Antragsteller gemäß § 1567 Abs. 1 BGB getrennt lebe. Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2007 als unbegründet zurück. Ein Getrenntleben i.S.d. § 19 Abs. 3 SGB XII sei nicht festzustellen. Es fehle an dem Willen eines Ehepartners die bisherige Lebensgemeinschaft aufzugeben. Der erforderliche Heimaufenthalt des Antragstellers allein vermöge das nicht auszulösen. Das zur Verfügung stehende Vermögen und der Freibetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sei im Ausgangsbescheid zutreffend festgesetzt.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers am 4. Oktober 2007 beim Sozialgericht in der Hauptsache Versagungsgegenklage erhoben. Zugleich hat er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Proz...

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