Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung eines Anspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Zulässigkeit der Befristung eines Versorgungsanspruchs in einem endgültigen Bescheid (vom Senat verneint).

 

Normenkette

KOVVfG § 22

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. November 1972 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin auch über den 31. Dezember 1966 hinaus Schadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 und Ortsklasse A zu zahlen ist.

Die Klägerin erhält als Witwe des 1964 an seinen Schädigungsfolgen verstorbenen früheren selbständigen Landwirts Franz W (W.) Versorgungsbezüge. Durch Bescheid vom 27. Dezember 1966 bewilligte ihr der Beklagte Schadensausgleich ab 1. Januar 1965. Dabei sah er darin, daß W. in den Wintersemestern 1912/13 und 1913/14 die Landwirtschaftsschule mit gutem Erfolg absolviert hatte, eine einer Mittelschulbildung gleichwertige Ausbildung und berechnete daher den Schadensausgleich auf der Grundlage des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 11 BBesG. Der Beklagte brachte in dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 weiter zum Ausdruck, daß der Klägerin über die ihr vom 1. Januar 1967 an zustehenden Versorgungsbezüge noch ein weiterer Bescheid erteilt werde; die Bezüge würden in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Dieser Bescheid wurde bindend.

Für die Zeit ab 1. Januar 1967 nahm der Beklagte eine Neuberechnung des Schadensausgleichs vor. Hierbei verwendete er einen maschinell gefertigten Vordruck mit Datum vom 22. Mai 1968. Anstelle des gestrichenen Aufdrucks "Bescheid" bezeichnete der Beklagte dieses Schriftstück als "Benachrichtigung"; die ebenfalls vorgedruckte Rechtsbehelfsbelehrung, daß gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden könne, war durch einen Tintenstrich - noch lesbar - durchgestrichen. In dieser "Benachrichtigung" erfolgte die Berechnung des Schadensausgleichs ab 1. Januar 1967 nicht mehr - wie zuletzt seit 1. Oktober 1966 - nach einem Vergleichseinkommen von 1.215,80 DM, sondern nur noch nach 764,12 DM bzw. 764,17 DM, ohne daß dies näher erläutert oder auch nur besonders darauf hingewiesen wurde. Da das Einkommen der Klägerin einschließlich 150,- DM Witwengrundrente höher war als die Hälfte des neuen Vergleichseinkommens, wurde ein Schadensausgleich nicht mehr gewährt.

Mit einem am 30. September 1969 beim Versorgungsamt Münster eingegangenen Schreiben vom 29. September 1969 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin, dieser einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid nach § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) bzw. einen Berichtigungsbescheid nach § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) zu erteilen. Die Benachrichtigung, in der ab 1. Januar 1967 offenbar statt von dem früher verbindlich zugrunde gelegten Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 BBesG nunmehr von dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 BBesG ausgegangen worden sei, stelle keinen Neufeststellungsbescheid gemäß § 62 BVG dar, der noch ergehen müsse. Vielmehr handele es sich um eine offensichtlich unrichtige, von dem verbindlichen Bescheid vom 27. Dezember 1966 abweichende Berechnung des Schadensausgleichs, die durch einen Berichtigungsbescheid nach § 25 VerwVG beseitigt werden müsse.

Das Versorgungsamt (VersorgA) Münster teilte daraufhin der Klägerin unter dem 3. Oktober 1969 schriftlich mit, daß es nach der Neufassung des § 5 der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) nicht mehr möglich sei, den erfolgreichen Besuch einer Landwirtschaftsschule dem Mittelschulabschluß gleichzusetzen. Dementsprechend habe ab 1. Januar 1967 nur noch die Besoldungsgruppe A 7 BBesG als Vergleichseinkommen für den Schadensausgleich der Klägerin zugrunde gelegt werden können. Den Widerspruch der Klägerin vom 17. Oktober 1969 verwarf der Beklagte durch Bescheid vom 11. Februar 1970 als unzulässig, weil das Schreiben vom 3. Oktober 1969 kein Verwaltungsakt und deshalb auch nicht mit dem Widerspruch anfechtbar sei. Ein Verwaltungsakt sei vielmehr nur die "Benachrichtigung" vom 22. Mai 1968; der Widerspruch hiergegen sei verspätet, da er nicht binnen Jahresfrist eingelegt worden sei.

Den in dem Widerspruchsbescheid angekündigten Berichtigungs- und Neufeststellungsbescheid erließ der Beklagte am 21. Mai 1970. Hierin lehnte er die Anträge der Klägerin vom 29. September 1969 auf Berichtigung der "Benachrichtigung" vom 22. Mai 1968 und auf Erlaß eines Neufeststellungsbescheides für die Zeit ab 1. Januar 1967 ab, weil die "Benachrichtigung" nicht unrichtig i. S. des § 25 VerwVG sei, sondern eine Neufeststellung nach § 62 BVG beinhalte; daher sei eine nochmalige Neufeststellung nicht mehr möglich.

Das Sozialgericht (SG) Münster hat durch Urteil vom 13. Januar 1971 die Klage abgewiesen. Die "Benachrichtigung" vom 22. Mai 1968 stelle einen Verwaltungsakt dar, der nicht rechtzeitig angefochten worden sei. Dagegen liege in dem Schreiben des VersorgA vom 3. Oktober 1969 kein Verwaltungsakt, weil hierdurch nicht eine Regelung des Versorgungsverhältnisses getroffen, sondern nur die dem Neufeststellungsbescheid vom 22. Mai 1968 fehlende Begründung nachgeholt worden sei. Der Bescheid vom 21. Mai 1970 sei nicht nach § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, da kein Verwaltungsakt bestehe, der durch diesen Bescheid hätte abgeändert oder ersetzt werden können.

Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat durch Urteil vom 8. November 1972 die Entscheidung des SG abgeändert und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 22. Mai 1968 und vom 3. Oktober 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1970 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 1970 verpflichtet, der Klägerin den Schadensausgleich über den 31. Dezember 1966 hinaus unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 BBesG zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 und Ortsklasse A zu zahlen.

Das LSG sah die Berufung als statthaft an, weil die Klägerin einen wesentlichen Mangel des Verfahrens des SG gerügt habe. Dieser sei darin zu erblicken, daß das SG den Bescheid vom 21. Mai 1970 nicht in das Klageverfahren miteinbezogen habe. Da dieser Bescheid das mit der Klage angefochtene "Schreiben" des Beklagten vom 3. Oktober 1969, das einen Verwaltungsakt darstelle, bestätigt habe, sei er kraft Gesetzes Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden. Die "Benachrichtigung" vom 22. Mai 1968, die ebenfalls einen Verwaltungsakt darstelle, sei von der Klägerin wirksam angefochten worden. Der Beklagte habe nämlich in der "Benachrichtigung" vom 22. Mai 1968 durch die von ihm angebrachten Änderungen des Vordrucks die Klägerin unrichtig schriftlich dahin belehrt, daß ein Rechtsbehelf gegen diese Benachrichtigung nicht gegeben sei; infolgedessen sei auch die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1, erster Halbsatz SGG nicht in Lauf gesetzt worden. Die Klägerin habe ihren Widerspruch ausdrücklich zwar nur gegen das "Schreiben" des Beklagten vom 3. Oktober 1969 gerichtet; es sei aber ersichtlich, daß sie sich ganz allgemein gegen die Entziehung des Schadensausgleichs, also auch gegen die "Benachrichtigung" vom 22. Mai 1968 gewandt habe.

Das Klagebegehren sei auch sachlich begründet, weil der Beklagte der Klägerin den Schadensausgleich ab 1. Januar 1967 nicht habe entziehen dürfen. Der Beklagte habe in dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 den Schadensausgleich nicht nur bis zum 31. Dezember 1966 bewilligt und sei daher nicht berechtigt gewesen, ab 1. Januar 1967 über den Schadensausgleich völlig frei von der früheren Festlegung zu entscheiden. Der Beklagte habe den Schadensausgleich auf der Grundlage des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 11 BBesG verbindlich festgesetzt. Diese Einstufung nehme bei Bescheiden nach § 60 a BVG an der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes teil. Der in dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 enthaltene Satz, daß die Klägerin über die ab 1. Januar 1967 zustehenden Versorgungsbezüge noch einen weiteren Bescheid erhalten werde, könne nur dahin verstanden werde, daß der Schadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen der Besoldungsgruppe A 11 BBesG zunächst bis zum 31. Dezember 1966 endgültig festgestellt worden sei und ab 1. Januar 1967 nur in rechnerischer Hinsicht neu festgestellt werden solle. Wenn der Beklagte die Bewilligung des Schadensausgleichs insgesamt auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1966 habe begrenzen wollen, so hätte er dies eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Das sei aber nicht geschehen. Offenbar habe der Beklagte die Regelung des Bescheides auch selbst in diesem Sinne verstanden, weil er sonst in der Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 die Festsetzung des Vergleichseinkommens entsprechend der Besoldungsgruppe A 7 BBesG nach der Art einer Erstbewilligung ausdrücklich hätte aussprechen müssen, was er aber nicht getan habe.

Eine grundsätzliche, für alle Zukunft geltende Neufeststellung des Vergleichseinkommens liege nicht bereits in der "Benachrichtigung" vom 22. Mai 1968. Diese sei erst in dem "Schreiben" vom 3. Oktober 1969 enthalten, das deshalb ein Verwaltungsakt sei. Hierdurch werde nicht nur die schon in der Benachrichtigung vorgenommene Regelung erklärt, sondern rechtsgestaltend in das Versorgungsverhältnis der Klägerin insofern eingegriffen, als das Vergleichseinkommen nunmehr von Besoldungsgruppe A 11 BBesG auf Besoldungsgruppe A 7 BBesG herabgesetzt werde. Es werde also erstmals erklärt, daß ein niedrigeres Durchschnittseinkommen als das in dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 festgesetzte angenommen werde.

Diese Neufeststellung des Vergleichseinkommens sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 62 BVG nicht gegeben seien. Wie das Bundessozialgericht (BSG) entschieden habe, stelle die Neufassung des § 5 DVO idF vom 28. Februar 1968 keine wesentliche Änderung der für die Versorgungsbezüge maßgebenden rechtlichen Verhältnisse dar, weil schon vorher der Besuch einer im wesentlichen nur Berufs- und Fachwissen vermittelnden Schule wie der Landwirtschaftsschule das Zuordnungsmerkmal einer "dem Mittelschulabschluß gleichwertigen Schulausbildung" grundsätzlich nicht erfüllt habe. Daher könne auch der Bescheid vom 21. Mai 1970, der von der Bindungswirkung der Neufeststellung in der Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 ausgehe und deshalb einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG ablehne, keinen Bestand haben. Selbst wenn die Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 bindend geworden sei, könnte das Urteil nicht anders lauten, weil dann jedenfalls der Verwaltungsakt vom 3. Oktober 1969 rechtswidrig sei.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 18. Dezember 1972 zugestellte Urteil am 17. Januar 1973 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zu diesem Tage am 19. März 1973 begründet.

Er rügt die Verletzung der §§ 54, 66, 77, 84 SGG, § 5 DVO. Das Schreiben des VersorgA Münster vom 3. Oktober 1969 sei kein selbständiger Verwaltungsakt. Das VersorgA habe nämlich nicht eine Regelung des Versorgungsverhältnisses getroffen, sondern die Klägerin lediglich darüber informiert, daß nach seiner Auffassung die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 7 BBesG vom 1. Januar 1967 an auf Grund der Neufassung der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 28. Februar 1968 geboten gewesen sei. Es sei also ein reines Informationsschreiben, das nicht in einen Herabsetzungsbescheid umgedeutet werden könne. Eine solche Umdeutung sei auch nicht bei dem Bescheid vom 21. Mai 1970 zulässig, da hierdurch gerade eine Neufeststellung nach § 62 BVG ausdrücklich abgelehnt worden sei. Dieser Bescheid sei auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er keinen Verwaltungsakt ersetzt oder abgeändert habe, weil das Schreiben des VersorgA vom 3. Oktober 1969 kein Verwaltungsakt sei.

Der Beklagte habe in der Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 die Klägerin nicht unrichtig schriftlich dahin belehrt, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Eine Belehrung i. S. des § 66 Abs. 2 SGG liege nur dann vor, wenn der Verwaltungsakt zu Unrecht als endgültig bezeichnet worden sei. Belehrung bedeute in diesem Zusammenhang den Hinweis an den Betroffenen des Verwaltungsakts, "was, bei wem, wo, wie, wann" er gegen diesen Verwaltungsakt tun könne. Die einfache Streichung einer vorgedruckten Rechtsbehelfsbelehrung ohne jeden sonstigen Zusatz reiche für eine derartige "Belehrung" nicht aus. Das Durchstreichen eines Teils des Vordrucks könne jedenfalls nicht bedeuten, daß nunmehr das Gegenteil von dem zu gelten habe, was gestrichen worden sei. Deshalb handele es sich bei der Benachrichtigung um einen Verwaltungsakt ohne Rechtsbehelfsbelehrung, der nur innerhalb eines Jahres angefochten werden könne. Diese Frist habe die Klägerin verstreichen lassen.

Selbst wenn aber die Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 nicht bindend geworden wäre, hätte das LSG dem Klagebegehren aus sachlichen Gründen nicht entsprechen dürfen. In dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 sei der Anspruch auf Schadensausgleich nur für die Zeit bis zum 31. Dezember 1966 geregelt und für die Zeit danach eine weitere Entscheidung ausdrücklich vorbehalten worden. Die in der Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 getroffene Entscheidung sei also unabhängig von der Vorschrift des § 62 BVG ergangen. Sie habe den Anspruch auf Schadensausgleich unter Berücksichtigung der neuen Fassung des § 5 DVO materiell-rechtlich richtig beurteilt.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. November 1972 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13. Januar 1971 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. November 1972 als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die zugelassene Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend ausgesprochen, daß der Klägerin auch über den 31. Dezember 1966 hinaus Schadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach der Besoldungsgruppe A 11 BBesG zusteht. Das LSG hat ebenfalls zu Recht das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen für diese Sachentscheidung bejaht, eine Frage, die auch bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen durch das Revisionsgericht zu prüfen ist (vgl. BSG 2, 225).

Entgegen der Auffassung des SG war der Widerspruch der Klägerin zulässig, weil die Herabsetzung des Vergleichseinkommens von Besoldungsgruppe A 11 BBesG auf Besoldungsgruppe A 7 BBesG noch nicht bindend geworden ist. Dabei kann es offen bleiben, ob die Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG wirksam angefochten werden konnte. Jedenfalls hat die Klägerin gegen das Schreiben vom 3. Oktober 1969 rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Dieses Schreiben stellt einen Verwaltungsakt dar, der die frühere Verwaltungsäußerung in Gestalt der Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 ersetzt. Diese diente nach ihrer Überschrift der "Berechnung der Versorgungsbezüge ... gemäß § 60 a Abs. 1 Buchst. a BVG".

Mit einem solchen reinen Zahlenwerk kann - entgegen der Ansicht des Beklagten - ohne ausdrückliche Erklärung hierzu das einmal festgestellte Vergleichseinkommen nicht rechtswirksam abgeändert werden; selbst der rechtskundige Leser kann einen derartigen Regelungsinhalt unter jener Bezeichnung nicht erwarten. Diese Rechtsfolge ist vielmehr nur mit einem auf § 62 BVG gestützten Bescheid zu bewirken, der das, was er will, auch ausdrücklich anordnet. Letzteres ist aber erst in dem Schreiben vom 3. Oktober 1969 geschehen. Dieses Schreiben weist folglich nicht lediglich auf eine bereits getroffene Regelung hin, sondern regelt selbst unmittelbar. Erst jetzt sagt die Verwaltung nämlich, was sie mit der Neuregelung erreichen will, und erst jetzt macht sie sich dem Empfänger verständlich. Es kann daher dahinstehen, ob bereits die Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 ein Verwaltungsakt war; jedenfalls kann sich darauf die Verwaltung nicht berufen, weil sie jene durch das Schreiben vom 3. Oktober 1969 ersetzt hat, um erkennbar deren Mängel zu beseitigen. Das Schreiben vom 3. Oktober 1969 bildet deshalb als Verwaltungsakt fortan die alleinige Grundlage des weiteren Verwaltungsverfahrens, auch wenn es nicht die äußere Form eines Bescheides aufweist. Der hiergegen eingelegte Widerspruch verhindert, daß die Herabsetzung des Vergleichseinkommens bindend wird.

Das LSG hat auch die Berufung der Klägerin zutreffend als statthaft angesehen. Das folgt allerdings nicht daraus, wie die Klägerin in der Berufungsschrift meint, daß das SG sie ausdrücklich zugelassen hätte. Im Urteilstenor findet sich ein solcher Ausspruch nicht; das SG hat in der Rechtsmittelbelehrung lediglich darauf hingewiesen, daß die Berufung zulässig ist. Das reicht für einen ausdrücklichen Ausspruch der Berufungszulassung nicht aus (vgl. SozR Nr. 4 zu § 150 SGG). Das Verfahren des SG leidet aber an einem wesentlichen Mangel insofern, als es den Bescheid vom 21. Mai 1970 nicht gemäß § 96 SGG als Gegenstand des Verfahrens angesehen hat. Dieser Bescheid lehnt eine Neufeststellung ab, weil sie schon getroffen worden sei, macht sich also den im Schreiben vom 3. Oktober 1969 enthaltenen Ausspruch zu eigen. Ob er ihn damit im strengen Sinne "ersetzt", mag auf sich beruhen; jedenfalls muß § 96 SGG hier entsprechend angewendet werden. Sonst würden bei einer Aufhebung des ersten Bescheides Unklarheiten darüber entstehen, ob die der Klägerin nachteilige Regelung nicht auf Grund des zweiten Bescheides doch bestehen bliebe. Um dem zu entgehen, müßte die Klägerin diesen besonders anfechten. Das würde aber dem durch § 96 SGG verfolgten Ziel, der Prozeßwirtschaftlichkeit zu dienen (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. zum SGG, § 96 Anm. 1 a), widersprechen. Das BSG hat deshalb § 96 SGG angewendet, wenn der zweite Bescheid in einem engen inneren Zusammenhang mit dem ersten steht oder ihn bestätigt (vgl. BSG 25, 161, 163; Breithaupt 1967, 81). So jedenfalls ist es auch hier.

In der Sache hat das LSG zutreffend die in dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 getroffene Regelung wiederhergestellt. Die Ansicht des Beklagten, er dürfe für die Zeit ab 1. Januar 1967 unabhängig von der früheren Regelung einen vollkommen neuen Bescheid erteilen, trifft nicht zu. Die Zuerkennung eines Vergleichseinkommens nach der Besoldungsgruppe A 11 BBesG ist auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 1966 verbindlich. Dies ergibt sich einmal hinreichend deutlich schon aus dem Bescheid selbst. In dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 heißt es: "Der Schadensausgleich wird endgültig festgestellt auf ... ab 1.10.66 ... 63,- DM." Dieser Ausspruch ist also zeitlich in keiner Weise begrenzt. Weiter heißt es dort: "Die Zahlung des Schadensausgleichs beginnt mit dem 1.11.64 ...", ohne daß ein Endtermin angegeben ist. Eine zeitliche Begrenzung könnte allenfalls in dem auf der Rückseite dieses Bescheides stehenden Satz zum Ausdruck kommen: "Über die ab 1.1.67 zustehenden Versorgungsbezüge erhalten Sie noch weiteren Bescheid." Dies muß aber, wie das LSG zutreffend angenommen hat, dahin ausgelegt werden, daß für diese Zeit bei Aufrechterhaltung der Feststellungen im übrigen nur rechnerisch ein neuer Bescheid erteilt werden sollte. Hierfür spricht auch der Zusammenhang, in dem dieser Satz steht. Der vorangegangene, ebenfalls mit Maschinenschrift eingefügte Satz lautet nämlich: "Für die Zeit ab 1.11.64 bis 31.12.64 steht Ihnen ein Schadensausgleich nicht zu, da ein Einkommensverlust von mindestens 75,- DM nicht vorliegt." Hier wird ein Schadensausgleich nicht etwa grundsätzlich abgelehnt, sondern nur darauf hingewiesen, daß rechnerisch der Mindesteinkommensverlust nicht erreicht worden ist. Dies bedeutet, daß sich auch das Folgende nur mit der Berechnungsweise befaßt.

Wenn der Beklagte nun behauptet, er habe in dem auf der Rückseite befindlichen Satz zum Ausdruck bringen wollen, daß der Schadensausgleich nicht über den 31. Dezember 1966 hinaus festgelegt worden ist, so stehen der Ausspruch auf der Vorderseite und der auf der Rückseite des Bescheides in Widerspruch, so daß durch Auslegung zu ermitteln ist, welcher maßgebend sein soll. Dabei muß darauf abgestellt werden, welcher von beiden Aussprüchen dem Gesetz entspricht. Diese Voraussetzung erfüllt allein die Verfügung auf der Vorderseite, in der eine zeitliche Beschränkung bis zum 31. Dezember 1966 nicht angeordnet ist. Nach § 60 a Abs. 3 BVG in der im Zeitpunkt des Bescheides vom 27. Dezember 1966 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I S. 85) ist die Ausgleichsrente bei monatlich feststehenden Einkünften - dies nimmt auch der Beklagte bei der Klägerin an - endgültig festzustellen. Nach § 60 a Abs. 10 BVG idF des 2. NOG gilt dies entsprechend für alle sonstigen vom Einkommen abhängigen Leistungen, also auch für den Schadensausgleich. Die endgültige Feststellung eines Schadensausgleichs ist aber nur möglich, wenn seine Grundlage, also das maßgebliche Vergleichseinkommen, endgültig festgestellt wird. Wie das BSG bereits entschieden hat, dürfen auch bei vorläufig festgestellten Ausgleichsrenten die Anspruchsvoraussetzungen in einem späteren endgültigen Bescheid nicht mehr geändert werden, sondern nur die Berechnungsgrundlagen für die Höhe des Einkommens (vgl. BSG 29, 200 ff; SozR Nr. 1 zu § 22 VerwVG und Nr. 38 zu § 30 BVG). Dies muß erst recht gelten für einen von Anfang an endgültigen Bescheid.

Eine vom Beklagten etwa beabsichtigte Fristsetzung wäre im übrigen rechtswidrig. Sie widerspräche dem vor allem in § 22 Abs. 3 und 4 VerwVG zum Ausdruck kommenden Grundsatz, über einen Versorgungsanspruch endgültig zu entscheiden, sobald die dafür erforderlichen Feststellungen getroffen worden sind. Die Befugnis, hiervon abzuweichen, könnte im vorliegenden Fall nicht auf § 60 a BVG gestützt werden. Diese Vorschrift befaßt sich nur mit der Berechnungsweise vom Einkommen abhängiger Versorgungsleistungen und will eine Möglichkeit zur Korrektur schaffen, soweit das wechselnde Einkommen die Bestandskraft des Bescheides beeinträchtigt. Sie bezieht sich also in keinem Fall auf Umstände des Versorgungsrechtsverhältnisses, die von der wechselnden Höhe eines Einkommens unabhängig sind. Dazu gehören etwa die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei der Ausgleichsrente und die Einstufung beim Berufsschadensausgleich und beim Schadensausgleich, bei letzterem noch zusätzlich der Umstand, daß der Tod des Ehemannes auf einer Schädigungsfolge beruht. Da die Schul- und Berufsausbildung des verstorbenen Ehemannes ein für allemal feststehen, können diese Merkmale des Anspruchs von der Höhe des Einkommens, das die Witwe später bezieht, nicht mehr berührt werden. Nach der endgültigen Feststellung des Schadensausgleichs soll die versorgungsberechtigte Witwe gewiß sein können, "bis in die fernste Zukunft" (so Düsseldorf in Versorg B 1964, 74) diese Leistung zu beziehen, bzw. von dessen "uneingeschränkter Bestandskraft" (so Vorberg-van Nuis, Teil VI, S. 28) ausgehen können, sofern nicht die Voraussetzungen der §§ 62 BVG, 41 VerwVG gegeben sind. Mit der Fristsetzung würde sich der Beklagte in unzulässiger Weise eine zusätzliche Möglichkeit verschaffen, in die Rechtsposition des Versorgungsberechtigten zu dessen Nachteil einzugreifen. Das kann ihm nicht erlaubt werden; denn insofern enthält das Gesetz abschließende Regelungen.

Der Beklagte ist anfangs auch selbst von der Auffassung ausgegangen, daß das Durchschnittseinkommen über den 31. Dezember 1966 hinaus bereits festgelegt worden ist. Er hat erstmals in der Berufungserwiderung ausgeführt, daß er für die Zeit ab 1. Januar 1967 eine vollkommen neue Feststellung habe treffen dürfen. Demgegenüber hat er aber in dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 die auf der Rückseite unten bei Ziff. 3 enthaltenen Hinweise auf § 60 a BVG nicht gestrichen. Dies ist nur verständlich, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, wenn auch über den 31. Dezember 1966 hinaus weiter ein Anspruch dem Grunde nach bestätigt werden sollte. Der Beklagte hat weiter in dem die Benachrichtigung vom 22. Mai 1968 vorbereitenden Aktenvermerk die Worte "erstmalig festzustellen" gestrichen und nur die Worte "auf Grund des 3. NOG neu festzusetzen" stehen gelassen. Auch dies beweist, daß er zunächst der Meinung war, nicht eine Erstfestsetzung, sondern eine auf § 62 BVG gestützte Neuregelung der Versorgungsbezüge treffen zu müssen. Dementsprechend heißt es auch in dem Schreiben vom 3. Oktober 1969 auf Seite 2: "Die Neufassung des § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG stellt eine rechtliche Änderung dar." Schließlich hat der Beklagte in dem Bescheid vom 21. Mai 1970 ausgeführt: "Die nochmalige Regelung dieser Zeit mit Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG erübrigt sich, da die Entscheidung vom 22. Mai 1968 bezüglich des Schadensausgleichs bereits eine Entscheidung nach § 62 BVG beinhaltet." Das alles beweist, daß der Beklagte ursprünglich selbst davon ausgegangen ist, auch über den 31. Dezember 1966 hinaus den Schadensausgleich auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 11 BBesG festgestellt zu haben.

Da somit der Schadensausgleich in dem Bescheid vom 27. Dezember 1966 auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 11 BBesG verbindlich festgelegt worden ist, kann diese Rechtsposition der Klägerin nur über die §§ 41 VerwVG bzw. 62 BVG beseitigt werden. Auf die erstere Vorschrift hat der Beklagte sich nicht gestützt. Ihre Voraussetzungen liegen auch nicht vor, weil der Beklagte über den Schul- und Ausbildungsweg des W. zutreffend informiert war, so daß der Bescheid vom 27. Dezember 1966 nicht tatsächlich unrichtig ist.

Mit § 62 BVG kann die Herabsetzung des Vergleichseinkommens ebenfalls nicht begründet werden. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. SozR Nr. 40 zu § 62 BVG; Urteil vom 9. April 1970 - 8 RV 445/69 -) stellt die Einfügung eines Satzes 4 in § 5 Abs. 1 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG idF vom 30. Juli 1964 (DVO 1964) durch die DVO 1968 keine rechtliche Änderung dar. Vielmehr konnte auch im zeitlichen Geltungsbereich der DVO 1964 der Besuch einer im wesentlichen nur Berufs- und Fachwissen vermittelnden Schule wie der Landwirtschaftsschule nicht dem erfolgreichen Abschluß einer Mittelschulbildung gleichgestellt werden. Der Bescheid vom 27. Dezember 1966 hat daher die DVO 1964 unrichtig angewendet. Das kann aber nicht über § 62 BVG korrigiert werden.

Das LSG hat folglich im Ergebnis zu Recht das Urteil des SG abgeändert und die Bescheide des Beklagten aufgehoben. Die Revision ist mithin unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG). Einer Neufassung des Tenors bedarf es nicht. Das LSG hat zwar den Bescheid vom 22. Mai 1968 ausdrücklich aufgehoben, obwohl er bereits durch das Schreiben vom 3. Oktober 1969 ersetzt worden ist. Das ist aber unschädlich, da hierdurch nur die Reichweite des Urteilsausspruches klargestellt wird, ohne daß dazu noch die Entscheidungsgründe herangezogen werden müßten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648229

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