Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Festgehaltenwerdens
Leitsatz (redaktionell)
1. Die UdSSR ist auch im Verhältnis zum deutschen Volkszugehörigen trotz dessen russischer Staatsangehörigkeit als ausländische Macht iS des UBG § 2 Abs 2 anzusehen.
2. Der Gesetzgeber hat statt des engen Begriffs der Internierung den umfassenderen Begriff der Festhaltung gewählt, mit dem zugleich auch eine etwaige spätere Lockerung der Freiheitsbeschränkung erfaßt und den Besonderheiten des Einzelfalles besser Rechnung getragen werden konnte.
Normenkette
UBG § 2 Abs. 2 Alt. 2
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. April 1965 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin lebte mit ihrem Ehemann (F.) und zwei Kindern bis 1941 in S (Ukraine) in einer volksdeutschen Siedlung. Am 4. September 1941 wurde F. zusammen mit zahlreichen anderen Volksdeutschen zwangsweise nach Sibirien gebracht. Die Klägerin verließ 1943 auf Veranlassung der deutschen Behörden ihre Heimat und kam 1949 in die Bundesrepublik. Hier erhielt sie Verschollenheitsrente nach dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) und dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). 1956 erfuhr sie durch einen Brief ihrer Schwester M Sch aus S (T/Sibirien), daß F. in S lebe und dort seinen Beruf ausübe. Die Briefschreiberin sei 1953 ebenfalls dorthin übergesiedelt. Sie berichtete außerdem, daß F. eine Besuchsreise bei den umgesiedelten Verwandten gemacht habe. Die Klägerin machte dem Versorgungsamt (VersorgA) am 7. Oktober 1958 davon Mitteilung, daß F. in Sibirien lebe. Dieses stellte daraufhin die Zahlung der Verschollenenrente mit Ablauf des November 1958 ein. Den Antrag der Klägerin auf Rente nach dem Gesetz über die Unterhaltshilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen in der Fassung vom 30. April 1952, BGBl I, 262 (UBG), lehnte das VersorgA mit Bescheid vom 10. November 1959 ab. Da F. weder in ein fremdes Staatsgebiet verschleppt noch interniert sei, also nicht auf eng begrenztem Raum festgehalten werde, seien die Voraussetzungen für eine Leistung nach dem UBG nicht erfüllt. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Klageverfahren teilte die Klägerin auf Anfrage mit, F. lebe offenbar bei ihrer Schwester M, die 1941 ebenfalls nach Sibirien verschleppt worden sei, in S. Ob F. dort verheiratet sei, wisse sie nicht, da sie seit 1956 nichts mehr von ihm gehört habe. Nach Einholung einer Auskunft der Deutschen Botschaft in M verpflichtete das Sozialgericht (SG) den Beklagten mit Urteil vom 6. Februar 1963, der Klägerin ab 1. April 1959 Unterhaltsbeihilfe nach dem UBG zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 30. April 1965 die Berufung des Beklagten zurück und ließ die Revision zu. Das Rundschreiben des Bundesministers für Vertriebene (BMVt) vom 20. März 1957 (BVBl 1957, 68), auf das sich der Beklagte berufe, enge den Verschleppungsbegriff des § 2 Abs. 2 UBG in unzulässiger Weise ein und berücksichtige zudem nicht, daß eine solche Auslegung im Gegensatz zum deutschen öffentlichen Interesse ("ordre public") stehe. Die Tatsache, daß F. innerstaatsrechtlich Bürger der Sowjetunion sei, könne der Annahme des Verschleppungstatbestandes im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG nicht entgegenstehen. F. sei als verschleppt anzusehen, weil er zwangsweise durch eine außerdeutsche Staatsgewalt im Zusammenhang mit dem Krieg wegen deutscher Volkszugehörigkeit von seiner Familie getrennt worden sei. Daran ändere der Umstand nichts, daß F. sich jedenfalls seit 1956 (offenbar seit einer sowjetischen Gesetzesänderung 1955, die diesen Personenkreis betraf) nicht mehr in dem strengen Gewahrsam befinde, in dem die UdSSR die als "unzuverlässige Elemente" geltenden Volksdeutschen, vor allem der geschlossenen Siedlungsgebiete in der Ukraine und im Wolgaraum während des Krieges gehalten hatte. Entscheidend sei, daß F., möge er sich im neuen Siedlungsraum auch frei bewegen können, erkennbar keine Aussicht habe, an seinen früheren Wohnort, geschweige denn zu seiner Familie in der Bundesrepublik zu gelangen. Die Sowjetunion habe ihren grundsätzlichen Standpunkt, F. sei ebenso wie alle zwangsumgesiedeltem Ukraine-Deutschen ungeachtet seiner Volkszugehörigkeit Bürger der Sowjetunion und könne keinen Anspruch auf Verlassen dieses Staatsverbandes erheben, bis heute nicht aufgegeben. Es sei daher für einen nach Sibirien zwangsverschleppten Volksdeutschen, dessen Angehörige heute in der Bundesrepublik Deutschland leben, ein erhebliches Risiko, sich um eine Einzelumsiedlung zu seiner Familie in Deutschland zu bemühen. Die Deutsche Botschaft in Moskau habe in ihrer Auskunft näher hierauf hingewiesen. Es dürfe also bei der Prüfung der Unfreiwilligkeit des Verbleibens im jetzigen Siedlungsraum kein strenger Maßstab angelegt werden. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, daß wesentliche Ursache für die Trennung dieser Familien der Krieg und die durch den Krieg ausgelösten staatlichen Maßnahmen seien und daß im Zusammenhang hiermit aus staatsrechtlichen und internationalen Gründen diese Trennung fortbestehe. F. könne im übrigen auch in seine ursprüngliche Heimat (Ukraine) nicht mehr zurückkehren. Dieses Gebiet sei, soweit es nicht durch den Krieg ohnehin zerstört und durch Umsiedlungsmaßnahmen entvölkert worden sei, durch Maßnahmen der Sowjetunion als volksdeutsches Siedlungsgebiet ausgelöscht worden. Sonach stehe dem Anspruch der Klägerin auch nicht entgegen, daß ein formeller Antrag des F. auf Umsiedlung in die Bundesrepublik Deutschland nicht vorliege. Zweifel am Willen des F., zu seiner Familie zu gelangen, seien nicht begründet. Insbesondere spreche nichts dafür, daß sich F. in S mit der Schwester der Klägerin verheiratet habe. Da F. sonach als Verschleppter im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG anzusehen sei, habe der Senat dahingestellt sein lassen können, ob auch der Tatbestand der "Festhaltung" gegeben sei, wie dies das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 23. April 1964 - 9 RV 778/61 - bei vergleichbarem Sachverhalt bejaht habe.
Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 2 Abs. 2 UBG. Das Rundschreiben des BMVt vom 20. März 1957 enthalte eine für die Versorgungsverwaltung noch verbindliche Auslegung des § 2 Abs. 2 UBG. Die Verschleppung müsse danach durch eine ausländische Macht in ein ausländisches Staatsgebiet erfolgt sein. Der Gesetzgeber habe die Trennung zwischen dem mutmaßlichen Ernährer und den übrigen Familienangehörigen nicht schlechthin als versorgungsberechtigenden Tatbestand gestalten wollen. Auch aus § 5 UBG ergebe sich dies nicht. "Heimkehr" brauche nicht identisch mit der Vereinigung mit den Angehörigen zu sein. F. sei daher nicht Verschleppter. Es genüge nicht, wenn dem Ehemann lediglich die Ausreise zu seinen Angehörigen versagt bleibe. Bei staatlichen Maßnahmen gegenüber einem Bürger des eigenen Staatsgebietes handele es sich nicht um solche einer "ausländischen Macht" im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG. Die Revision sei auch unter Berücksichtigung des BSG-Urteils vom 23. April 1964 - 9 RV 778/61 - begründet.
Der Beklagte beantragt, das LSG-Urteil sowie das Urteil des SG aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10. November 1959 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. April 1960 als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sachlich ist sie nicht begründet.
Der erkennende Senat hat dahingestellt sein lassen, ob das LSG den F. ohne Rechtsirrtum als Verschleppten im Sinne des ersten in § 2 Abs. 2 UBG bestimmten Tatbestandes angesehen hat. Denn auch wenn die Auffassung der Revision zutreffend und Voraussetzung für den Begriff der Verschleppung in § 2 Abs. 2 UBG stets auch die Verbringung in ein ausländisches Staatsgebiet sein sollte (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 25. August 1966 - 9 RV 38/64 -), so bliebe doch zu prüfen, ob der Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt begründet und das Urteil des LSG aus diesem Grunde im Ergebnis richtig ist. Der Senat hat hier diese Prüfung vorweggenommen (vgl. auch BSG in SozR Nr. 1 zu § 2 UBG).
Bei der Untersuchung der zweiten Alternative des § 2 Abs. 2 UBG (Tatbestand der Festhaltung) ergibt sich, daß der Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe begründet ist, weil F. nach dem 31. März 1950 von einer ausländischen Macht festgehalten wurde und bisher noch nicht heimkehren konnte. Die Klägerin gilt als unterhaltsberechtigte Angehörige des F. im Sinne des § 1 Abs. 2 UBG, weil sie als Kriegshinterbliebene (Witwe) des F. im Falle seines Todes nach geltendem Recht Anspruch auf Versorgung hätte. Sie gehört auch zu dem vom UBG geschützten Personenkreis (§ 1 Abs. 3 Buchst. a in der Fassung vor dem Ersten Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 -BGBl I, 453 - 1. NOG -). Sie ist Deutsche im Sinne des Art. III § 1 des 1. NOG und des § 1 Abs. 3 UBG idF vom 18. März 1964 (BGBl I 219). Da ihr Ehemann nicht als Kriegsgefangener über den 31. März 1950 hinaus in der UdSSR festgehalten wurde und noch festgehalten wird, hängt die Entscheidung davon ab, ob F. zu den den Kriegsgefangenen nach § 2 Abs. 2 UBG gleichgestellten Personen gehört, d. h. ob er von einer ausländischen Macht festgehalten wird oder wurde, und ob der einmal begründete Anspruch noch fortbesteht.
Der erkennende Senat hat im Urteil vom 23. April 1964, auf dessen nähere Begründung Bezug genommen wird (SozR Nr. 1 zu § 2 UBG) entschieden, daß die Sowjetunion auch im Verhältnis zum deutschen Volkszugehörigen trotz dessen russischer Staatsangehörigkeit als ausländische Macht im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG anzusehen ist. Er ist ferner zu dem Ergebnis gelangt, daß der Gesetzgeber, wenn er in § 2 Abs. 2 UBG von "festgehalten werden" sprach, nicht an den völkerrechtlich feststehenden engen Begriff der Internierung angeknüpft, sondern stattdessen den umfassenderen Begriff der Festhaltung gewählt hat, mit dem zugleich auch eine etwaige spätere Lockerung der Freiheitsbeschränkung erfaßt und den Besonderheiten des Einzelfalles besser Rechnung getragen werden konnte und daß deshalb im Rahmen dieser Versorgung - im Gegensatz zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das den langjährigen Freiheitsentzug unter oft erschwerten Verhältnissen "entschädigen" will - kein Anlaß bestand, den Begriff der Festhaltung auf die Fälle der Unterbringung auf eng begrenztem Raum unter ständiger Bewachung gesetzlich zu beschränken.
In dem vom Senat bereits entschiedenen Fall war dem Ehemann der Klägerin, nachdem er - wie F. - 1941 aus seiner Heimat, der Ukraine, nach Sibirien verbracht worden war, nur ein verhältnismäßig kleiner Raum von 25 km im Durchmesser zugeteilt, in dem er sich "frei" bewegen durfte. Dieses kleine Gebiet durfte er nur mit besonderer Genehmigung verlassen. Der Senat hat in dieser Beschränkung der Bewegungsfreiheit, die auch ohne förmliche Bewachung eine ständige Kontrolle ermöglicht, noch eine Festhaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG erblickt.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist F. im vorliegenden Fall am 4. September 1941 - also im Kriege - wegen seiner deutschen Volkszugehörigkeit aus seiner Heimat zwangsweise nach Sibirien gebracht worden. Er hat - mag er sich im neuen Siedlungsraum auch frei bewegen können - keine Aussicht, in seinen früheren Wohnort, geschweige denn zu seiner Familie in die Bundesrepublik zu gelangen; er kann auch in seine ursprüngliche Heimat (Ukraine) nicht mehr zurückkehren. Zweifel an seinem Willen, zu seiner Familie zu gelangen, seien nicht begründet, insbesondere spreche nichts dafür, daß F. sich mit der Schwester der Klägerin in St. verheiratet habe.
Diese bindenden Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um eine weiterhin noch bestehende Festhaltung des F. im oben erwähnten Sinne zu verneinen. Das LSG hat nicht festgestellt, daß für F. keine örtliche Beschränkung gilt. Im Tatbestand heißt es, F. habe eine Besuchsreise bei den umgesiedelten Verwandten gemacht, in den Gründen ist gesagt, F. habe - mag er sich im neuen Siedlungsgebiet auch frei bewegen können - keine Aussicht, an seinen früheren Wohnort oder zu seiner Familie in der Bundesrepublik zu gelangen. Das LSG hat weder festgestellt, wie groß der neue Siedlungsraum ist, in dem sich F. frei bewegen könne, noch wo die umgesiedelten Verwandten wohnen, die er besucht hat. Selbst wenn - was aus der Abschrift des zweiten Briefes der Schwester geschlossen werden könnte - die umgesiedelten Verwandten in einem abgelegenen anderen Ort in der Sowjetunion wohnen sollten, so wäre damit noch kein durchgreifender Unterschied zu dem im Urteil vom 23. April 1964 entschiedenen Fall dargetan, denn auch dort konnte der Volksdeutsche mit Genehmigung das 25 km große Gebiet verlassen. Daß F. zu seiner Besuchsreise etwa keiner Genehmigung bedurft hätte, ist gleichfalls nicht festgestellt. Wenn die Revision darauf abhebt, daß sich F. "frei bewegen könne", so läßt sie dabei unberücksichtigt, daß das LSG dies lediglich unterstellt hat und daß diese freie Beweglichkeit auch nur für den "neuen Siedlungsraum" angenommen wurde, ohne daß ermittelt worden wäre, wie groß dieses Gebiet ist.
Insgesamt gesehen ist es nicht auszuschließen, daß F. auch heute noch im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG festgehalten wird.
Der Senat konnte dies jedoch dahingestellt sein lassen. Denn auch wenn F. seit 1956 nicht mehr im Sinne des UBG festgehalten werden sollte, erweist sich der Anspruch der Klägerin nach § 5 UBG als begründet. Der erkennende Senat hat im oben zitierten Urteil ausgeführt, daß offenbar durch die am 31. Dezember 1955 erfolgte Aufhebung der "Beschränkungen in der Rechtsstellung der Deutschen und ihrer Familienangehörigen, die sich in Sondersiedlung befinden", eine Lockerung der Freiheitsbeschränkung eingetreten ist, daß danach aber immer noch die Rückkehr in die heimatlichen Siedlungsgebiete untersagt blieb. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, daß auch dann, wenn 1957 keine Festhaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG vorgelegen haben sollte, der Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe zu bejahen ist, weil ein einmal begründeter Anspruch nach § 5 UBG erst mit Ablauf des auf die Heimkehr des Kriegsgefangenen bezw. des ihm gleichgestellten Festgehaltenen (in die Ukraine) folgenden Monats erlischt und daß es sonach genügt, wenn der Volksdeutsche "nach dem 31. März 1950" (vgl. § 1 Abs. 1 UBG) bis zur Lockerung der Freiheitsbeschränkung sich in eigentlichem strengem Gewahrsam befunden hat. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG auch im vorliegenden Fall gegeben. Hiernach befindet sich F. jedenfalls seit 1956 (offenbar seit einer sowjetischen Gesetzesänderung 1955 ...) nicht mehr in dem strengen Gewahrsam , in dem die UdSSR die Volksdeutschen vor allem der Ukraine und des Wolgaraumes während des Krieges gehalten hatte. Damit ist festgestellt, daß F. sich früher, d. h. wahrscheinlich bis 1955, in strengem Gewahrsam befunden hat. Auch die Revision geht offenbar davon aus.
Entscheidend ist somit, was unter der Heimkehr des Kriegsgefangenen bezw. des ihm Gleichgestellten im Sinne des § 5 UBG zu verstehen ist. Eine weite, von dem allgemeinen Sprachsinn des Wortes abgeleitete Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß nur der heimkehrt, dem die Möglichkeit der Reise zu seinen Angehörigen eröffnet wird. Da das UBG in der ersten Fassung vom 13. Juni 1950 (BGBl I 204) kurz vor dem mit Rückwirkung zum 1. April 1950 erlassenen Heimkehrergesetz (HkG) vom 19. Juni 1950 (§ 29) ergangen ist, und dieses Gesetz als Heimkehrer die Deutschen bezeichnet, die innerhalb der in § 1 HkG bestimmten Frist nach der Entlassung aus fremdem Gewahrsam ihren Aufenthalt im Bundesgebiet genommen haben, läge die Annahme nahe, daß das UBG an dem im HkG vorausgesetzten Begriff der Heimkehr anknüpft. In diesem Sinne könnten auch die Verwaltungsvorschriften Nr. 1 Satz 2 zu § 5 UBG idF vom 26. August 1952 (BAnz. Nr. 169) verstanden werden, die bestimmen, daß "als Rückkehr des Gefangenen der Tag der Entlassung aus einem Heimkehrerlager oder der Tag des Eintreffens im Bundesgebiet (gilt), falls er nicht durch ein Heimkehrerlager entlassen wurde". Nachdem § 5 UBG aber durch Art. IV des 2. NOG einen Zusatz erhalten hat, der eine besondere Regelung für den Fall trifft, daß der ehemalige Kriegsgefangene gegen seinen Willen gehindert ist, im Anschluß an die Heimkehr zu seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen zu gelangen, muß davon ausgegangen werden, daß hier Heimkehr nicht mit der Rückkehr zu den Angehörigen gleichzusetzen ist. Heimkehr bedeutet in einem etwas eingeschränkten Sinn andererseits soviel wie Rückkehr in die Heimat, d. h. an den früheren Wohnsitz. Schließlich könnte im Sinne des völkerrechtlichen Begriffs der Beendigung der Kriegsgefangenschaft als Heimkehr die Entlassung in das Land, dem der Kriegsgefangene angehört, in Betracht kommen. Bei der Entlassung im eigenen Land würde die Heimschaffung wegfallen, die Beendigung der Kriegsgefangenschaft würde mit der Freilassung eintreten (vgl. BVerwG, Urt. vom 13. Nov. 1957 in DVBl 1958, 134). Der Senat ist schon im Urteil vom 23. April 1964 zu dem Ergebnis gekommen, daß Heimkehr in § 5 UBG nicht im Sinne einer Entlassung aus der Festhaltung zu verstehen ist. Gegen die Auffassung, daß § 5 UBG von dem völkerrechtlichen Begriff der Heimat ausgehe, spricht die Verwendung des Ausdrucks "Heimkehr", der zur Kennzeichnung der Beendigung der Gefangenschaft ungewöhnlich ist. Wenn das Gesetz den Tatbestand der Beendigung der Kriegsgefangenschaft als maßgebend für die Heimkehr hätte bestimmen wollen, wäre wohl schon zur Vermeidung von Mißverständnissen die im Völkerrecht für diesen rechtlichen Vorgang übliche Terminologie angewendet worden. Der Zweite Abschnitt des Vierten Titels des Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RGBl 1934 II 227, 249) steht unter der Überschrift "Freilassung und Heimschaffung nach Beendigung der Feindseligkeiten". Art. 75 bestimmt, daß die Kriegführenden, wenn sie einen Waffenstillstandsvertrag schließen, in diesen grundsätzlich Bestimmungen über die "Heimschaffung" der Kriegsgefangenen aufzunehmen haben. In dem Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen (vgl. BGBl II 1954, 838 und Bekanntmachung vom 4. November 1954 in BGBl II 1133) ist im IV. Teil (Beendigung der Gefangenschaft) unter dem Abschnitt II die "Freilassung und Heimschaffung der Kriegsgefangenen bei Beendigung der Feindseligkeiten" behandelt. Nach Art. 118 Abs. 1 werden die Kriegsgefangenen "nach Beendigung der aktiven Feinseligkeiten ohne Verzug freigelassen und heimgeschafft" . Gemeint ist nach Abs. 4 dieser Vorschrift die Entlassung in das Land, von dem die Kriegsgefangenen abhängen. Wenn in § 5 Abs. 1 UBG statt der Begriffe Heimschaffung, Freilassung, Beendigung der Kriegsgefangenschaft oder Entlassung aus fremdem Gewahrsam nur der unbestimmte Ausdruck "Heimkehr" verwendet ist, so kann daraus nicht entnommen werden, daß die Beendigung des Status des Kriegsgefangenen im Sinne des Völkerrechts genügt. Vielmehr bedarf es der tatsächlichen Rückkehr in die Heimat, d. h. an den Ort des früheren Wohnsitzes (hier die Ukraine). Diese Auslegung führt auch am ehesten zu dem mit dem Gesetz bezweckten Ergebnis, daß die Unterhaltsbeihilfe eine Unterhaltsersatzfunktion haben soll. Nach den bei der Beratung des Gesetzes im Bundestag abgegebenen Erklärungen sollten die Personen in die Versorgung einbezogen werden, "die das gleiche Schicksal mit den Hinterbliebenen der Gefallenen und der Vermißten tragen" (Deutscher Bundestag, 1. Wahlp. 1949 Bd. 3 S. 1890 C). Auch bei der Beratung des Entwurfs zum Änderungsgesetz vom 30. April 1952 wurde hervorgehoben, der Grundsatz der Regelung des Gesetzes vom 13. Juni 1950 sei gewesen, "daß die Angehörigen der Kriegsgefangenen den Hinterbliebenen der Gefallenen und den Angehörigen der Vermißten in allen Punkten der Versorgung gleichgestellt sein sollten..."; die Situation dieser Angehörigen sei praktisch genau dieselbe wie die der Hinterbliebenen (Deutscher Bundestag, 1. Wahlp. 1949 Bd. 10 S. 8339 D). Die Ergänzung, die § 5 UBG durch Art. IV des 2. NOG in Abs. 3 gefunden hat, steht der hier vertretenen Auffassung über die Auslegung des Begriffs der Heimkehr nicht entgegen; sie bestätigt vielmehr ihre Richtigkeit. Hiernach "kann" die Unterhaltsbeihilfe zur Vermeidung unbilliger Härten auch für die Zeit belassen oder gewährt werden, in der der ehemalige Kriegsgefangene (§ 2) gegen seinen Willen gehindert ist, im Anschluß an die Heimkehr zu seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen (§ 1) zu gelangen. Nach der Begründung im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen des Deutschen Bundestags (Drucks. IV 1831 S. 11 zu Art. IV des 2. NOG) soll die Härteregelung die Möglichkeit eröffnen, bei Vorliegen eines sozialen Bedürfnisses die Unterhaltsbeihilfe auch dann zu gewähren, wenn die in § 2 des Gesetzes ... genannten Personen zwar heimgekehrt sind, jedoch gegen ihren Willen - z. B. durch Versagung der Ausreisegenehmigung oder durch Reiseunfähigkeit - gehindert sind, "im Anschluß an die Heimkehr" zu ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen im Sinne des § 1 zu gelangen. Dies wäre bei F. dann der Fall, wenn er zwar in die Ukraine "heimkehren", aber nicht zu seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen in der Bundesrepublik gelangen könnte. Da der Gesetzgeber sich im Jahre 1964 nicht veranlaßt gesehen hat, den Rechtsbegriff der Heimkehr durch eine authentische Interpretation klarzustellen, wenn er damit die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bezeichnen wollte, kann nur von der oben dargelegten eigentlichen Bedeutung dieses Wortes als der Rückkehr in die Heimat - hier die Ukraine - ausgegangen werden. In den Fällen, in denen Volksdeutsche in der Sowjetunion im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen zwangsweise umgesiedelt wurden, nach der Entlassung aus den strengen Beschränkungen der Sondersiedlung, die eine Festhaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG darstellten, jedoch nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren dürfen, besteht auch insoweit der Zusammenhang mit den Kriegsereignissen fort, der den Anspruch der Angehörigen auf Unterhaltsbeihilfe begründet.
Da das LSG festgestellt hat, daß F. nicht in seine ursprüngliche Heimat (Ukraine) und auch nicht zu seiner Familie in der Bundesrepublik zurückkehren kann, ist der Anspruch der Klägerin sonach zumindest gemäß § 5 UBG begründet, weil früher, d. h. nach dem 31. März 1950, mehrere Jahre eine Festhaltung im Sinne eines strengen Gewahrsams bestanden hat und F. bisher noch nicht in die Ukraine oder zu seinen Angehörigen heimkehren durfte.
Sonach war die Entscheidung des LSG im Ergebnis nicht zu beanstanden, weshalb die Revision des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen werden mußte (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen