Leitsatz (amtlich)
Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus wegen einer "Verzögerung" der Ausbildung kann nicht beansprucht werden, wenn die Ausbildung infolge eines Parkstudiums verlängert wurde; eine Ausbildungszeit ist nicht zugleich Verzögerungszeit iS des § 45 Abs 3 S 5 BVG.
Normenkette
BVG § 45 Abs 3 S 5, § 33b Abs 4 S 7
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 28.02.1983; Aktenzeichen L 11 V 1921/81) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 03.09.1981; Aktenzeichen S 15 V 867/81) |
Tatbestand
Der am 8. Januar 1954 geborene Kläger, dessen Vater 1961 an Schädigungsfolgen verstorben ist, bezog Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres (Bescheid vom 19. Dezember 1980). Er verlangt die Weiterzahlung über Januar 1981 hinaus wegen seiner Berufsausbildung. Im Juli 1973 hatte er die Reifeprüfung mit einem Notendurchschnitt von 2,8 bestanden, so daß seine Bewerbung um die Zulassung zum Humanmedizin-Studium erfolglos blieb. Ab Wintersemester 1973/74 studierte der Kläger Physik; die Diplomprüfung bestand er am 28. September 1979. Im Sommersemester 1979 wurde er für das Fach Medizin zugelassen. Widerspruch und Klage wegen der verlängerten Waisenrente hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 30. März 1981, Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 3. August 1981). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger Waisenrente über Januar 1981 hinaus bis zum Abschluß des Medizinstudiums, längstens bis zum Ende des Sommersemesters 1985 zu gewähren. Der Kläger befinde sich - so das LSG - weiterhin in Berufsausbildung, aber erst seit 1979 für den schon seit der Reifeprüfung angestrebten Lebensberuf des Arztes. Daß er fünfeinhalb Jahre lang durch den Numerus clausus daran gehindert worden sei, habe er im Sinn des § 45 Abs 3 letzter Satz und des § 33b Abs 4 letzter Satz BVG nicht zu vertreten. Die Zwischenzeit habe der Kläger durch das Physikstudium, das mit einem Semester auf die Medizinausbildung angerechnet worden sei, sach- und situationsgerecht ausgenutzt. Das Gesetz erfordere keinen Kausalzusammenhang zwischen der Dauer der Ausbildung und dem schädigungsbedingten Tod des Vaters.
Der Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 45 Abs 3 Satz 5 BVG. Das Zweitstudium des Klägers könne nicht mehr auf den kriegsbedingten Tod des Vaters und auf dadurch entstandene Schwierigkeiten zurückgeführt werden und berechtige daher nicht zur Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus, wie das SG zutreffend entschieden habe. Die Verzögerung habe der Kläger selbst zu vertreten; denn er sei wegen seiner Durchschnittsnote bei der Reifeprüfung nicht früher zum Medizinstudium zugelassen worden.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das LSG hätte der Berufung des Klägers nicht stattgegeben dürfen. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Vorschrift des § 33b Abs 4 Satz 6 BVG, die den Kinderzuschlag für Schwerbeschädigte (Abs 1) regelt, in diesem Fall nicht anzuwenden, auch nicht als "Generalklausel". Vielmehr ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Waisenrente allein nach § 45 Abs 3 BVG in der hier maßgebenden Fassung seit dem 3. Neuordnungsgesetz (NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750; jetzt Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 - BGBl I 21 -) zu beurteilen. Gemäß Abs 3 Satz 1 Buchstabe a dieser Vorschrift ist die Waisenrente nach dem 18. Lebensjahr bis zur Vollendung des 27. zu gewähren, wenn sich die Waise eines an Schädigungsfolgen verstorbenen Beschädigten (§ 45 Abs 2, §§ 1 und 38 Abs 1 BVG) in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die ihre Arbeitskraft überwiegend beansprucht und nicht mit der Zahlung von Entgelt verbunden ist. Diese Leistung hat der Kläger erhalten. Verzögert sich die Ausbildung aus einem Grund, den die Waise nicht zu vertreten hat, so wird nach § 45 Abs 3 Satz 5 BVG (idF seit dem 4. Anpassungsgesetz-KOV vom 24. Juli 1972 - BGBl I 1284 -; vorher Satz 4) die Rente entsprechend dem Zeitraum der nachgewiesenen Verzögerung länger gewährt; das ist über das 27. Lebensjahr hinaus möglich. Die letztgenannte Voraussetzung für eine verlängerte Waisenrente über Januar 1981 hinaus ist beim Kläger nicht gegeben.
Das Berufungsgericht hat es bei seiner entgegenstehenden Entscheidung auf die zeitliche Verschiebung des Wunschstudiums abgestellt, das der Kläger als Zweitstudium für den aufgrund des Art 12 Abs 1 Grundgesetz angestrebten "Lebensberuf" des Arztes betreibe (dazu BVerfGE 43, 291, 313 f, 363). Der Kläger konnte mit diesem Studium der Humanmedizin wegen seines Notendurchschnitts in der Reifeprüfung, der neben der Anzahl der Mitbewerber und der Zahl der Studienplätze für die Zulassung zum absolut zulassungsbeschränkten (Numerus clausus-)Studiengang Medizin maßgebend war (§§ 27, 29, 32 Hochschulrahmengesetz -HRG- vom 26. Januar 1976 - BGBl I 185 -; Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 20. Oktober 1972 und entsprechendes Landesrecht; § 72 HRG; BVerfGE 291, 320, 388, 390 ff; Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, DVBl 1983, 1192), erst verspätet beginnen. Ob er dies zu vertreten hat, braucht nicht entschieden zu werden. Jedenfalls war dies schon keine "Verzögerung" im Sinne des § 45 Abs 3 Satz 5 BVG.
Eine Ausbildung wird "verzögert" im Verhältnis zu ihrem normalen, regelmäßigen Ablauf (BVerwGE 17, 30, 32 = Buchholz 235.1 Hessen § 18 BBesG Nr 1). Das Berufungsgericht hat den tatsächlichen Ablauf der Ausbildung mit einer Aufnahme des Medizinstudiums unmittelbar nach der Reifeprüfung verglichen. Nach dieser Auffassung käme eine Unterbrechung der gesamten Ausbildung oder ein verspäteter Beginn der berufsbezogenen Hochschulausbildung als einer "Berufsausbildung" (vgl zum Unterschied zur "Schulausbildung": BSG SozR Nr 1 zu § 7 DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964) in Betracht. Diese Auslegung des § 45 Abs 3 Satz 5 BVG ist aber nicht zutreffend.
Wenn diese Auslegung allein auf das Wunschstudium abhebt, so behandelt sie das vorher betriebene Park- oder Ausweichstudium, das der Studienbewerber nicht verwerten will (vgl dazu BVerfGE 43, 291, 320, 355, 378 ff), selbst wenn er es - wie der Kläger - mit einer berufsqualifizierenden Prüfung abgeschlossen hat, als nicht geschehene, als "uneigentliche" Berufsausbildung. Ob eine "Unterbrechung", die damit konstruiert wird, überhaupt unter die Verzögerung im Sinne des § 45 Abs 3 Satz 5 BVG fällt, obwohl sie in Satz 3 von ihr unterschieden wird, kann im gegenwärtigen Fall dahingestellt bleiben (dazu BSG SozR 3100 § 45 Nr 5). Der Kläger hat seit dem ersten Semester nach seiner Reifeprüfung ununterbrochen und zügig an Hochschulen studiert und damit seine Berufsausbildung direkt an den Gymnasialbesuch angeschlossen. Auch eine "Verzögerung" im Sinne eines verspäteten Beginnes, die den Rentenbezug entsprechend verlängert, wird nicht durch eine andere Ausbildung herbeigeführt, die ihrerseits laufend einen Rentenanspruch - bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres - zu begründen vermag. Das folgt aus Begriff und Wirkung des "Verzögerns". Der Zustand, der den Beginn später eintreten läßt, muß anderer Art sein als eine "verzögerte" Ausbildung, die ihrerseits einen Anspruch auf Waisenrente begründet (Parkstudium). Diese Gesetzesauslegung wird bestätigt durch die Gleichstellung, die der in § 45 Abs 3 Satz 5 BVG enthaltene Verzögerungstatbestand mit dem gesetzlichen Wehr- und Zivildienst und mit entsprechendem Polizei- und Entwicklungshelferdienst erfährt (§ 45 Abs 3 Satz 3 BVG). Eine solche Verzögerung oder Unterbrechung der Schul- oder Berufsausbildung bewirkt, daß die Waisenrente entsprechend ihrer Dauer über das 27. Lebensjahr hinaus verlängert wird; diese Umstände selbst begründen aber keinen Rentenanspruch nach Satz 1. An diese Regelung knüpft § 45 Abs 3 Satz 5 BVG an. Die Ursachen einer "Verzögerung" dürfen in den beiden Tatbeständen nicht selbst eine "Ausbildung" im Sinne des Satzes 1 Buchstabe a sein, die einen Anspruch auf Waisenrente begründet. Das ist den Vorschriften der Sätze 3 bis 5 gemeinsam. Der einzige Unterschied liegt in anderen Besonderheiten: dort (Sätze 3 und 4) in einem Dienst für die Allgemeinheit (vgl zur Rentenversicherung: BSG 6. Dezember 1983 - 11 RA 4/83 -), hier (Satz 5) in einem sonstigen von der Waise nicht zu vertretenden Umstand. Für den Anspruch auf Waisenrente nach dem 18. und damit auch nach dem 27. Lebensjahr sind alle Arten von Schul- und Berufsausbildung, die den Anforderungen des § 45 Abs 3 Satz 1 Buchstabe a BVG entsprechen, gleichwertig, so daß nicht einzelne Abschnitte außer Betracht gelassen bleiben können, um eine Verzögerung bezüglich eines anderen annehmen zu können. Der Vorteil dieser Gleichwertigkeit ist, daß die Waisenrente zwischen dem vollendeten 18. und dem 27. Lebensjahr - wie im Falle des Klägers - grundsätzlich auch während einer zweiten Ausbildung beansprucht werden kann (BSGE 26, 186, 188 = SozR Nr 10 zu § 45 BVG; BSGE 27, 16, 17 = SozR Nr 11 zu § 45 BVG; BSGE 41, 34, 35f = SozR 3100 § 45 Nr 4; SozR 3100 § 45 Nr 5; Bundesversorgungsblatt 1977, 70; für die Unfallversicherung: BSG SozR 2200 § 583 Nr 1; für die Rentenversicherung: BSGE 23, 166 = SozR Nr 17 zu § 1267 RVO). Aber das gilt für die Zeit nach dem 27. Lebensjahr nicht ohne eine "Verzögerung" gemäß § 45 Abs 3 Satz 5 BVG. In dem vorhergehenden Zeitabschnitt, in dem sich die Ausbildung verzögert haben müßte, kommt es allein auf einen typisierten Unterhaltsbedarf an. Wenn einer der gesetzlichen Tatbestände vorliegt, die die Waise im allgemeinen daran hindern, selbst für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, dann wird eine Bedürftigkeit unterstellt, die als Folge des schädigungsbedingten Verlustes des Ernährers gewertet wird. Bei der die Arbeitskraft überwiegend beanspruchenden Ausbildung ohne Entgelt, die eine dieser Voraussetzungen bildet, hat das Gesetz nicht weiter einschränkend festgelegt, daß sie voraussichtlich zu einem Beruf führen muß, durch den sich die Waise wird unterhalten können. Eine solche Zielorientierung ließe sich auch praktisch in sehr vielen Fällen bei Ausbildungsversuchen junger Menschen und bei einer Ausweichausbildung gar nicht früh genug feststellen. Vielmehr genügt jegliche Art von Ausbildung im zuvor bezeichneten Sinn. § 45 Abs 3 BVG bietet schließlich keinen Anhalt für die Auslegung des Berufungsgerichtes, es sei entscheidend, ob eine Zweitausbildung zu einem qualifizierteren Beruf als die erste führen soll.
Die Gleichwertigkeit verschiedener, aufeinanderfolgender Ausbildungsgänge in diesem Zusammenhang wird bestätigt durch einen Vergleich mit der anderen Rechtslage in der individuellen Ausbildungsförderung (§ 3 Abs 1, § 18, Artikel II § 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB 1 - vom 11. Dezember 1975 -BGBl I 3015-). Sozialleistungen in diesem Bereich werden zur Herstellung gleicher Chancen ergänzend zu fehlenden Mitteln, und zwar ohne die Altersgrenzen der Kriegsopferversorgung (KOV), im allgemeinen gezielt zur ersten Ausbildung für einen Beruf gewährt, der der Neigung, Eignung und Leistung sowie dem Wunsch des Auszubildenden entspricht (§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB I, §§ 1, 7 Abs 1, § 10 Abs 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - vom 9. April 1976 -BGBl I 989-). Nur ausnahmsweise werden weitere berufsqualifizierende Ausbildungen gefördert (§ 7 Abs 2 und 3 BAföG; BVerwGE Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nrn 1, 2, 3, 5, 9, 12, 15, 19, 21, 32, 33; BVerwGE 50, 161, 162ff; 55, 325, 333ff; 58, 270, 272ff; 61, 342, 344ff; BVerwGE 9. Juni 1983 - 5 C 8.80 und 122.81). Eine solche Ausnahme wird für ein seit der Reifeprüfung angestrebtes Medizinstudium nach Abschluß eines Physikstudiums im allgemeinen nicht anerkannt. Wenn auch die Waisenrente nach § 45 Abs 3 Satz 1 Buchstabe a BVG mittelbar die Ausbildung fördert, so dient sie doch in erster Linie einem anderen Zweck. Sie soll einen Beitrag zum sonst fehlenden Unterhalt in der Annahme eines bestimmten typisierten Bedarfs während jeglicher Schul- oder Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift leisten (BSGE 26, 186, 187f; 27, 16, 20f; für die Rentenversicherung BSGE 52, 237, 238 = SozR 2200 § 1267 Nr 25).
Im Recht des Kindergeldes, das zuvörderst dem Familienlastenausgleich bei bestimmten typisierten Bedarfslagen, ua während einer Ausbildung, dient (§§ 6, 25, Art II § 1 Nr 13 SGB I, § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1, Satz 2, Abs 3 Satz 1 Bundeskindergeldgesetz -BKGG-, jetzt in der Fassung vom 21. Januar 1982 -BGBl I 13-; BSG SozR 5870 § 2 Nrn 4 und 7), bestand zeitweilig kraft ausdrücklicher Regelung ein Anspruch über das 27. Lebensjahr hinaus, falls sich eine Ausbildung durch das Fehlen eines Studienplatzes verzögerte (§ 2 Abs 3 Satz 2 Nr 4 BKGG idF der Bekanntmachung vom 31. Januar 1975 -BGBl I 413- bis zur Aufhebung durch Artikel 1 Nr 1 Buchstabe e des 9. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 22. Dezember 1981 -BGBl I 1566-). Die Rechtsprechung hat selbst dann, wenn dieser Tatbestand erfüllt war, einen Anspruch auf Kindergeld abgelehnt, soweit während des verzögernden Ausweichstudiums eine solche Leistung bezogen worden war (Urteile des BSG vom 25. März 1982 - 10 RKg 1/81 -, 13. Mai 1982 - 10 RKg 30/81 - und 26. August 1982 - 10 RKg 17/81). Diesem Rechtsgedanken nähert sich die Regelung des § 45 Abs 3 Satz 5 BVG an.
Wenn demnach die ununterbrochene Ausbildung in verschiedenen gleichartigen Abschnitten bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eine "Verzögerung" im Sinne des § 45 Abs 3 Satz 5 BVG ausschließt, dann kann ein weiterer Anspruch auf Waisenrente auch nicht allein mit der Verlängerung des Studiums über dieses Alter hinaus begründet werden. Die Ausbildung ist nicht deshalb "verzögert", weil sie nicht mit dem Ende des vorhergehenden Lebensabschnittes abgeschlossen wurde. Ein solcher Tatbestand vermag wohl nach § 27 Abs 5 BVG (idF seit dem 1. NOG vom 27. Juni 1960 - BGBl I 453 -; jetzt Absatz 6 idF des 10. Anpassungsgesetzes-KOV vom 10. August 1978 - BGBl I 1214 -) die Zahlung einer Erziehungsbeihilfe aus der die KOV ergänzenden Kriegsopferfürsorge (KOF) an eine rentenberechtigte Waise (§ 25a Abs 1 BVG aF, § 25 Abs 1 nF, § 27 Abs 1 Satz 1 BVG) zu rechtfertigen. Aber gerade der Vergleich mit § 45 Abs 3 Satz 5 BVG bestätigt, daß eine "Verzögerung" im Sinne dieser Vorschrift anders zu verstehen ist. Die Bestimmung über die Waisenrente geht allein bezüglich der sekundären Voraussetzung, daß die Ursache nicht von der Waise zu vertreten sein darf, auf § 25 Abs 5 BVG aF zurück (Begründung des Entwurfes des 3. NOG - BR-Drucks 370/66, S 28, 26, 29a). Jedoch sind die wichtigsten Bedingungen unterschiedlich geregelt. Die nach § 27 Abs 6 BVG nF zeitlich nicht begrenzte Weiterzahlung der Erziehungsbeihilfe setzt eine Abweichung von der "üblichen Ausbildung" voraus. Ein solcher einschränkender Vergleichsmaßstab fehlt indes in § 45 Abs 3 Satz 5 BVG, wie dargelegt. Daß eine "Verzögerung" im Sinne dieser Vorschrift anders zu verstehen ist und daß die unterschiedlichen Formulierungen der beiden Vorschriften verschiedenartige Voraussetzungen festlegen, wird durch das Verhältnis des § 27 Abs 6 BVG zu den in Abs 4 Sätze 2 und 3 geregelten Verlängerungstatbeständen bestätigt. Nach der letztgenannten Regelung wird die Dauer der Erziehungsbeihilfe entsprechend einer Verzögerung oder Unterbrechung der Schul- oder Berufsausbildung durch Wehr-, Zivil-, Polizei- oder Entwicklungshelferdienst über das 27. Lebensjahr hinaus verlängert. Das gleicht der Verlängerung der Waisenrente gemäß § 45 Abs 3 Sätze 3 und 4 BVG. Wenn daran die in Satz 5 geregelte "Verzögerung" anknüpft, so muß sie in Übereinstimmung mit jenen Tatbeständen der Erziehungsbeihilfe und der Waisenrente ausgelegt werden, jedoch abweichend von der Verlängerung, die nach § 27 Abs 6 BVG von einem anderen Vergleichsmaßstab abhängt.
Der Kläger kann auch nicht deshalb die umstrittene Waisenrente beanspruchen, weil sein an Schädigungsfolgen verstorbener Vater als gesunder Mann beim Überleben das Medizinstudium über das 27. Lebensjahr hinaus hätte finanzieren können und wollen. Ob der Gesichtspunkt, daß der Vater wegen seines schädigungsbedingten Todes den Unterhalt während einer Ausbildung nicht tragen kann, für eine "Verzögerung" bedeutsam sein kann, wie der für Kriegsopfersachen nicht mehr zuständige 10. Senat angenommen zu haben scheint, kann dahingestellt bleiben. Der Kläger hat sein Studium tatsächlich nicht aus jenem Grund anders als geplant anlegen müssen.
Das Ergebnis dieser Auslegung des § 45 Abs 3 Satz 5 BVG ist nicht etwa deshalb "wenig sinnvoll", wie das LSG meint, weil die Waise dann mitten im zweiten Studium die Rente entzogen bekommt. Sie mußte sich, nachdem sie immerhin bis zum Höchstalter gefördert wurde, darauf einrichten, daß das Gesetz keinen Anspruch auf die weitergehende Leistung begründet. Ob etwaige Unbilligkeiten bei der Ermessensleistung des § 27 Abs 6 BVG berücksichtigt werden können, war hier nicht zu entscheiden. Demnach kann das Begehren des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 125 |
Breith. 1984, 795 |