Leitsatz (redaktionell)

Bereits bei der üblichen Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen besonderer beruflicher Betroffenheit um 10 % müssen erheblich größere Nachteile als im allgemeinen Erwerbsleben gegeben sein. Ein Zuschlag um 20 % kommt nur in Betracht, wenn die berufliche Schädigung außergewöhnlich groß ist (vergleiche BSG 1969-02-19 10 RV 561/66 = SozR Nr 37 zu § 30 BVG).

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 2 Fassung: 1966-12-28

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. September 1969 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Beim Kläger waren als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG): Amputation des 2. und 3. Fingers der linken Hand mit Teilamputation des Mittelhandknochens des 2. Fingers, zweimalige Granatsplitterverletzung am Kopf mit zwei etwa reiskorngroßen Stecksplittern über der linken Ohrmuschel und in der Kopfschwarte ohne Knochenverletzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. anerkannt. Mit Urteil des Oberversicherungsamtes (OVA) L, Hilfskammer R, vom 16. Oktober 1953 wurde die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit im früheren Friseurberuf auf 40 v. H. erhöht. Im März 1966 beantragte der Kläger, die MdE nach § 30 Abs. 2 BVG neu festzusetzen, dabei seinen beruflichen Schaden mit 20 v. H. statt mit 10 v. H. zu bewerten und ihm außerdem einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG zu gewähren. Mit Bescheid vom 27. Oktober 1966 lehnte das Versorgungsamt die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) über eine höhere MdE sowie die Gewährung von Berufsschadensausgleich ab, weil der Kläger keine erhebliche Einkommensminderung erlitten habe und deshalb eine Erhöhung der MdE auf 50 v. H. nicht in Betracht komme. Nach erfolglosem Widerspruch (Bescheid vom 15.12.1966) hat das Sozialgericht (SG) auf die vom Kläger erhobene Klage den Beklagten mit Urteil vom 9. Januar 1969 verurteilt, dem Kläger ab 1. März 1966 Rente nach einer MdE um 50 v. H. sowie einen Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Endgehalts der Besoldungsgruppe A 9 des Bundesbesoldungsgesetzes zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 24. September 1969 das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat u. a. ausgeführt, seitdem der MdE-Grad durch das Urteil des OVA vom 16. Oktober 1953 rechtskräftig auf 40 v. H. festgesetzt worden sei, hätten sich die Verhältnisse nicht nachträglich wesentlich geändert mit der Folge, daß die MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins um 20 anstatt um 10 v. H. höher zu bewerten wäre. Wenn das SG einer Rechtsänderung gleichgeachtet habe, daß neue Tatsachen, nämlich die Meisterprüfung und die frühere Selbständigkeit des Klägers als Friseur, bekannt geworden seien oder sich für den Kläger neue Möglichkeiten zum Wiederaufbau eines Geschäfts ergeben hätten, so sei das rechtsirrig. Das OVA habe ein besonderes berufliches Betroffensein in dem Beruf angenommen, den der Kläger vor der Kriegsdienstschädigung ausgeübt habe. Ob das OVA von einem selbständig oder unselbständig ausgeübten Beruf ausgegangen sei, lasse das Urteil nicht eindeutig erkennen. Dies habe jedoch auch nicht ermittelt werden müssen, weil die tatsächlichen Verhältnisse - unabhängig von dieser Vorstellung des OVA - maßgebend gewesen seien. Tatsächlich habe der Kläger bis zur Einberufung im Jahre 1939 in Breslau ein eigenes Herren- und Damen-Friseurgeschäft betrieben. Die Tatsache der früheren Selbständigkeit habe sich aber naturgemäß nicht nachträglich geändert. Das OVA habe zum Vergleich zutreffend die Tätigkeit des Klägers als unselbständiger Herrenfriseur bei den amerikanischen Streitkräften herangezogen. Wenn er diese Beschäftigung 1956 aufgegeben habe, so hätten sich dadurch seine beruflichen Verhältnisse, soweit sie von den Schädigungsfolgen beeinflußt würden, nicht nachträglich geändert. Der Zustand der Handverletzung sei unstreitig gegenüber 1953 unverändert geblieben, ebenfalls die schädigungsbedingte Beeinträchtigung im Beruf eines Friseurs. Der Kläger habe aber 1956 Wohnort, Arbeitsplatz und Beruf nach seinen eigenen Angaben wegen besserer Fortbildungsmöglichkeiten für seine Kinder verändert, also nicht wegen der Schädigungsfolgen. Auch sei die erst 1957 vorgenommene Schadensfeststellung nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG), die eine Voraussetzung für einen Antrag auf ein Wiederaufbaudarlehen nach § 254 Abs. 1 LAG gewesen sei, keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG. Allerdings hätten die Verletzungsfolgen an der linken Hand einen vielleicht mit Hilfe von Lastenausgleichsmitteln ermöglichten Neuaufbau wesentlich behindert oder gar ausgeschlossen. Soweit diese tatsächliche Lage durch die Anwartschaft auf ein Wiederaufbaudarlehen mitbestimmt worden sei, habe sich aber keine für das Urteil des OVA maßgebende Tatsache nachträglich geändert; denn der durch die Vertreibung vergrößerte Schaden in der beruflichen Existenz des Klägers habe in gleicher Weise schon vor dem 16. Oktober 1953 bestanden und damit auch eine der wesentlichen Voraussetzungen für ein Wiederaufbaudarlehen. Den Kredit hätte der Kläger als Vertriebener bei rechtzeitiger Antragstellung in der amerikanischen und britischen Zone schon seit 1949 erhalten können. Die rechtskräftige Höherbewertung der MdE um 10 v. H. sei auch nicht nach § 40 Abs. 1 VerwVG zugunsten des Klägers deshalb zu berichtigen, weil sie von vornherein, also unabhängig von nachträglichen Änderungen, unrichtig gewesen wäre. Es sei nicht zu erkennen, aus welchen Gründen die Entscheidung des OVA unrichtig gewesen sein sollte; der Kläger habe dafür auch keine schlüssige Begründung gegeben. Die Bemessung der MdE mit 30 v. H. im allgemeinen Erwerbsleben stehe außer Streit. Nach der üblichen Bewertungspraxis könne die MdE wegen eines beruflichen Schadens nur dann um mehr als 10 v. H. erhöht werden, wenn die berufliche Schädigung außergewöhnlich groß sei. Voraussetzung für die Höherbemessung überhaupt sei bereits, daß der Beschädigte in seinem Beruf " besonders " betroffen sei, d. h. erheblich größere Nachteile als im allgemeinen Erwerbsleben habe. Der Kläger könne trotz der Schädigungsfolgen in seinem Beruf weiterhin arbeiten, wenn auch bloß als unselbständiger Herrenfriseur. Das habe er bewiesen, und das Gegenteil habe er nicht einmal behauptet. Er sei mit seinem Einkommen als Friseurgehilfe zufrieden, jedoch nicht mehr sozial gleichwertig beschäftigt gewesen, weil er angestellter, also nicht mehr selbständiger Friseur gewesen sei. Hierfür sei eine Höherbewertung der MdE um 10 v. H. ausreichend. Das Einkommen sei grundsätzlich ein wesentlicher Anhalt für die soziale Stellung in der Gesellschaft; davon unabhängige soziale Unterschiede seien seltener und im allgemeinen nicht mit dem eindeutigen Grad von Gewißheit festzustellen, der für die Erkenntnis einer nach § 40 Abs. 1 VerwVG zu berichtigenden Unrichtigkeit verlangt werde. Nach der Auskunft des Innungsverbandes der Friseure verdienten selbständige Friseure im Durchschnitt in Betrieben üblicher Größe nicht wesentlich mehr als Arbeiter der Industrie in nicht hervorgehobener Stellung, wie die laufenden Erhebungen des Statistischen Bundesamts über die Durchschnittsverdienste erkennen ließen. Gegenüber diesen Durchschnittssätzen sei das Einkommen einzelner selbständiger Friseure, von denen nicht bekannt sei, ob es dem Durchschnitt entspreche oder ob der Kläger als Inhaber eines eigenen Geschäfts ebensoviel wie sie verdienen würde, nicht maßgeblich. Wenn Friseurgehilfen erheblich mehr als durchschnittliche Industriearbeiter verdienten, wäre ihre auffällige Abwanderung in un- und angelernte Tätigkeiten der Industrie unverständlich. Im Ergebnis könne zwischen der sozialen Stellung eine unselbständig beschäftigten und derjenigen eines selbständigen Friseurs kein so großer Unterschied eindeutig festgestellt werden, daß dieser mit einer MdE-Erhöhung von 10 v. H. nicht ausreichend bewertet wäre. Daß der Kläger wegen seiner Schädigungsfolgen nicht mehr als Damenfriseur arbeiten und sich daher überhaupt nicht selbständig machen könnte, berechtige nicht, die MdE um 20 v. H. höher zu bewerten. Schließlich sei der Kläger durch die Schädigungsfolgen auch nicht nachweislich über die allgemeine MdE (§ 30 Abs. 1 BVG) hinaus in seinem derzeitigen Beruf (vgl. § 30 Abs. 2 BVG i. d. F. des Ersten Neuordnungsgesetzes - 1. NOG -) stärker betroffen, als es der Bewertung mit 10 v. H. entspreche. Der Kläger hätte nicht wegen der Schädigungsfolgen in die Beschäftigung bei seiner jetzigen Arbeitgeberin überzuwechseln brauchen, wie er selbst eingeräumt habe. Trotzdem habe er auch dort jahrelang etwa ein gleiches Einkommen wie ein selbständiger Friseur und daher keinen größeren Schaden gehabt, als er mit einer Gesamt-MdE um 40 v. H. abgegolten werde. Selbst wenn der Kläger wegen seiner Handverletzung in Dortmund überhaupt keine Anstellung als Friseurgehilfe oder nur eine solche mit erheblicher Einkommenseinbuße gefunden hätte und deshalb in einen anderen, besser bezahlten Beruf hätte überwechseln müssen, oder wenn er in seiner Stellung bei der Dortmunder Union-Brauerei wesentlich wegen der Schädigungsfolgen und nicht aus anderen Gründen, z. B. wegen der festgestellten inneren Leiden, wirtschaftlich und sozial weitergehend geschädigt worden wäre, könnte die MdE aus diesen Gründen nicht höher bemessen werden. Denn der Kläger hätte trotz seiner Schädigungsfolgen ohne förmliches Umschulungsverfahren nach § 26 BVG auf zahlreichen anderen Arbeitsplätzen bei anderen Arbeitgebern eine Beschäftigung finden können, die mit keinen größeren Nachteilen verbunden gewesen wäre, als es der festgesetzten MdE-Bewertung entspreche. Dem Senat seien aus reicher Erfahrung vielerlei Beschäftigungen dieser Art bekannt, die dem Kläger trotz seiner verhältnismäßig geringen einseitigen Handbehinderung in Anbetracht der durch die Meisterprüfung bestätigten Fähigkeiten und der in der mündlichen Verhandlung gezeigten Gewandtheit zugemutet werden könnten.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 62 Abs. 1 BVG. Es müsse geprüft werden, ob unter Berücksichtigung der hier zu beachtenden Sach- und Rechtslage eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG eingetreten sei und dem Kläger deshalb anstatt der bisherigen Rente nach einer MdE um 40 v. H. eine solche um 50 v. H. zustehe. Hierzu werde ergänzend vorgetragen, daß in der erst im März 1967 (richtig 1957) nach dem LAG vorgenommenen Schadensfeststellung, die eine Voraussetzung für eine Antragstellung auf ein Wiederaufbaudarlehen gewesen sei, eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 zu sehen sei. Sei danach eine Gesamt-MdE um 50 v. H. gerechtfertigt, so seien gleichzeitig für den ebenfalls streitigen Berufsschadensausgleich die Voraussetzungen zur Eingruppierung in die Besoldungsgruppe A 9 des Bundesbesoldungsgesetzes gegeben.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG vom 9. Januar 1969 als unbegründet zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Dem LSG-Urteil sei zuzustimmen. An einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse fehle es, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob man auf die Verhältnisse abstelle, die bei der letzten bindenden Feststellung als rechtserheblich zugrunde gelegt worden seien, oder ob man auf die Verhältnisse abhebe, die von Rechts wegen hätten beachtet werden müssen. Das OVA habe sich mit der Feststellung der früheren Tätigkeit als Friseur und der schädigungsbedingten Behinderung in dieser Tätigkeit begnügt.

Diese festgestellten Tatsachen bestünden weiterhin. Die dabei erfolgte Höherbewertung der MdE sei nicht nachträglich infolge einer Änderung der Verhältnisse rechtswidrig geworden. Die Schadensfeststellung durch den LAG-Bescheid vom 22.3.1957 habe keine Vergrößerung des beruflichen Schadens bewirkt und weise auf keine in anderer Weise eingetretene Zunahme des Schadens hin. Den Umstand, daß sich der Kläger mit Hilfe eines Aufbaudarlehens möglicherweise wieder hätte selbständig machen können, hätte schon das OVA - falls dies nicht ohnehin stillschweigend geschehen sein sollte - bei der Höherbewertung der MdE berücksichtigen können.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie der im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1; 164; 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sachlich konnte sie keinen Erfolg haben.

Streitig ist in erster Linie, ob in den Verhältnissen, die für die rechtskräftig gewordene Festsetzung der MdE auf 40 v. H. (vgl. Urteil des OVA vom 16.10.1953) maßgebend gewesen sind, dadurch eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG eingetreten ist, daß sich dem Kläger später die Möglichkeit geboten haben soll, ein LAG-Wiederaufbaudarlehen zur Einrichtung eines selbständigen Friseurbetriebes zu erlangen, und ob der Kläger deshalb Anspruch auf eine höhere Rente (nach einer MdE um 50 v. H.) und auf Berufsschadensausgleich hat. Diese Frage brauchte der Senat jedoch nicht zu entscheiden. Weder der angefochtene Bescheid vom 27.10.1966 noch der Widerspruchsbescheid vom 15.12.1966 haben den Antrag des Klägers wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 BVG abgelehnt. Vielmehr wurde die Zubilligung einer höheren MdE deshalb nicht für gerechtfertigt erachtet, weil die bereits anerkannte besondere berufliche Betroffenheit mit einer Höherbewertung der MdE um 10 v. H. ausreichend bemessen sei, da der jährliche Einkommensverlust nur ca. 100,- DM betrage und deshalb unerheblich sei. Demgemäß hat das LSG unabhängig von der Frage des Vorliegens einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse auch geprüft, ob die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG um weitere 10 v. H. auf insgesamt 50 v. H. zu erhöhen ist. Dies hat es verneint. Die dazu getroffenen Feststellungen sind von der Revision nicht mit Verfahrens- oder sonstigen Rügen angegriffen worden. Damit fehlt es gleichzeitig an der für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs unerläßlichen Voraussetzung, daß der Beschädigte um mindestens 50 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert, d. h. Schwerbeschädigter ist (vgl. § 10 Abs. 2, § 30 Abs. 3 BVG). Zwar ist im angefochtenen Bescheid vom 27. Oktober 1966 hinsichtlich der vom Kläger begehrten Erhöhung der MdE von 40 auf 50 v. H. nur die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG abgelehnt worden. Das LSG hat sich aber bei seiner Entscheidung nicht auf eine bloße Ermessenskontrolle beschränkt, die an sich bei einem Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 VerwVG vorzunehmen ist (vgl. BSG in SozR Nr. 3, 6 und 8 zu § 40 VerwVG), sondern hat geprüft, ob die frühere MdE-Festsetzung unrichtig gewesen ist (vgl. Urteil S. 13 und 14). In diesem Fall wäre die Versorgungsbehörde verpflichtet gewesen, einen der materiellen Rechtslage entsprechenden neuen Bescheid zu erteilen (vgl. BSG aaO Nr. 10). Überdies war das LSG der Auffassung, daß die Frage, ob der Kläger in seinem derzeitigen Beruf durch die Schädigungsfolgen in höherem Maße als um 10 v. H. besonders betroffen worden ist, unabhängig von der rechtskräftigen Entscheidung des OVA zu prüfen sei, weil dieser Schädigungstatbestand erst später, nämlich durch das 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) geschaffen worden und ab 1. Juni 1960 in Kraft getreten sei. Das LSG hat demgemäß abschließend festgestellt, es habe den angefochtenen Bescheid des Beklagten unter der Voraussetzung, daß der Kläger kein eigenes Friseurgeschäft betreiben könne, bestätigt.

Die tatsächlichen Feststellungen, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sind von der Revision - wie bereits erwähnt - nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für das BSG bindend (§ 163 SGG). Sie sind auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet die Feststellung des LSG, daß bereits bei der üblichen Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit um 10 v. H. " erheblich größere Nachteile" als im allgemeinen Erwerbsleben gegeben sein müssen und daß ein Zuschlag um mehr als 10 v. H., d. h. um 20 v. H., nur in Betracht komme, wenn die berufliche Schädigung " außergewöhnlich groß" sei, keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BSG in SozR Nr. 37 zu § 30 BVG). Einen solchen außergewöhnlichen Berufsschaden konnte das LSG ohne Gesetzesverstoß verneinen, nachdem es festgestellt hatte, der Kläger könne seinen Beruf trotz der Schädigungsfolgen, wie er bewiesen habe, weiterhin ausüben, wenn auch nur als unselbständiger Herrenfriseur; selbständige Friseure - auf das Einkommen einzelner selbständiger Friseure könne es nicht ankommen - verdienten im Durchschnitt nicht wesentlich mehr als Arbeiter der Industrie in nicht hervorgehobener Stellung; der soziale Unterschied zwischen selbständigen und unselbständig beschäftigten Friseuren sei nicht so groß, daß er - bei einer organisch bedingten allgemeinen MdE um 30 v. H. - mit einer MdE-Erhöhung um 10 v. H. nicht ausreichend bewertet wäre. Das LSG konnte auf Grund seiner tatsächlichen Feststellungen auch zu dem Ergebnis gelangen, daß die Betrachtung des derzeitigen Berufs ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung führe. Hiernach hat der Kläger in die Beschäftigung bei seiner jetzigen Firma nicht wegen der Schädigungsfolgen überzuwechseln brauchen; trotzdem habe er auch dort jahrelang etwa ein gleiches Einkommen wie - im Durchschnitt - ein selbständiger Friseur gehabt; auch wenn der Kläger in seiner Stellung bei der D Union-Brauerei wesentlich wegen der Schädigungsfolgen und nicht aus anderen Gründen, z. B. wegen der festgestellten (schädigungsunabhängigen) inneren Leiden, wirtschaftlich und sozial weitergehend geschädigt worden wäre, könnte die MdE nicht höher bewertet werden; denn der Kläger hätte - wiederum nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG - trotz seiner verhältnismäßig geringen einseitigen Handbehinderung vielerlei andere Arbeitsplätze finden können, die mit keinen größeren Nachteilen verbunden gewesen wären, als sie einer MdE um 40 v. H. entsprächen.

Diese Feststellungen lassen eine rechtsirrtümliche Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG nicht erkennen. Ebenso ist nicht ersichtlich, daß das LSG bei der Prüfung der Einbuße an Erwerbsfähigkeit den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hätte (vgl. BSG 6, 267, 268).

Da das angefochtene Urteil nach alledem hinsichtlich der Verneinung der Notwendigkeit einer weitergehenden Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG nicht zu beanstanden war und damit auch die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nicht in Betracht kam, mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670389

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