Leitsatz (redaktionell)
Der Besuch der Landwirtschaftsschule mit zwei Wintersemestern steht dem einer Mittelschule nicht gleich.
Orientierungssatz
1. Zur Frage, ob der Besuch der Landwirtschaftsschule der Ausbildung in einer Mittelschule gleichwertig ist.
2. Zur Frage, ob die Befähigung, landwirtschaftliche Lehrlinge auszubilden, die Gleichstellung mit den handwerklichen Meistern rechtfertigt.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 DV § 5 Abs. 1 Fassung: 1964-07-30
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. September 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist die Witwe des am 28. Juli 1908 geborenen und während des 2. Weltkrieges verschollenen und mit Wirkung vom 31. Dezember 1945 für tot erklärten Landwirts O B. Er hatte neben der Volksschule zwei Wintersemester die Landwirtschaftsschule in H besucht und seit 1938 das elterliche landwirtschaftliche Anwesen in einer Größe von 46,25 ha bewirtschaftet.
Am 24. April 1964 beantragte die Klägerin Schadensausgleich nach § 40 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) idF des 2. Neuordnungsgesetzes (2. NOG). Die Verwaltung gewährte mit Bescheid vom 13. Mai 1965 Schadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Die Klägerin hatte mit ihrem Widerspruch, mit dem sie die Besoldungsgruppe A 9 BBesG als Vergleichsgrundlage anstrebte, keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Schleswig-Holstein vom 27. August 1965).
Im Klageverfahren wies das Sozialgericht (SG) Itzehoe mit Urteil vom 27. Oktober 1966 die Klage als unbegründet ab. Der Ehemann der Klägerin stehe als Landwirt nicht einem Handwerksmeister mit abgelegter Meisterprüfung gleich. Der Besuch der Landwirtschaftsschule gehöre zur Berufsausbildung; die Landwirtschaftsschule stehe nicht einer Mittelschule gleich, welche den Abschluß der mittleren Reife vermittele. Die Berufung der Klägerin hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 14. September 1967 als unbegründet zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: auch der gute Abschluß der Landwirtschaftsschule vermittele nicht das Zeugnis der mittleren Reife. Der Schadensausgleich der Klägerin sei daher zutreffend nach der Besoldungsgruppe A 7 des BBesG berechnet worden. Die Anerkennung des landwirtschaftlichen Betriebs als Lehrhof mit der Befugnis, landwirtschaftliche Lehrlinge auszubilden, stehe einer Meisterprüfung in anderen Wirtschaftsbereichen nicht gleich. Da nach Auskunft der Kreislandwirtschaftsbehörde Schleswig die Inhaber von Lehrbetrieben in der Regel nicht die Prüfung als Landwirtschaftsmeister abgelegt haben, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Ehemann der Klägerin dies getan hätte.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG und § 5 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG verletzt. Das Merkmal "mit abgelegter Meisterprüfung" in § 5 DVO sei einer ausdehnenden Auslegung zugänglich. § 5 der DVO regele pauschal und solle daher Unterschiede ausgleichen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats müsse auch dem Ehemann der Klägerin die Befähigung zum Meister zuerkannt werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Berufungsurteils vom 14. September 1967 und des erstinstanzlichen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 14. September 1967 zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie ist form- und fristgerecht erhoben und auch begründet worden (§ 164 SGG). Sie ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.
Streitig ist, ob der Klägerin Schadensausgleich (§ 40 a BVG) nach § 5 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG unter Zugrundelegung eines Durchschnittseinkommens nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 oder A 9 des BBesG zukommt. Der Ehemann der Klägerin war selbständiger Landwirt. Nach § 5 Abs. 1 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG idF des 2. NOG ist das Durchschnittseinkommen bei selbständig Tätigen mit Volksschulbildung und abgeschlossener Berufsausbildung das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 des BBesG. Der Schadensausgleich ist jedoch nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 zu berechnen, wenn der Gefallene die Meisterprüfung abgelegt oder eine Mittelschule erfolgreich besucht oder auch eine gleichwertige Schulausbildung genossen hat. Keine dieser Voraussetzungen trifft beim Ehemann der Klägerin zu, wie das LSG zutreffend festgestellt hat. Der Besuch der Landwirtschaftsschule mit zwei Wintersemestern (einer sog. Winterschule) steht dem einer Mittelschule nicht gleich, weil die Mittelschule mindestens drei, in der Regel aber vier Schuljahre umfaßt und außerdem allgemein bildenden Charakter hat (ebenso SozR DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG § 5 Nr. 3). Der Ehemann der Klägerin hat mit Übergabevertrag vom 21. Juli 1938 einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 46,25 ha übernommen und für diesen Betrieb im Frühjahr 1939 die Anerkennung als Lehrhof erhalten. Die Befugnis, mit dem Lehrhof auch Lehrlinge auszubilden, kann für sich allein nicht der Befähigung zum handwerklichen Meister gleichgestellt werden, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern durch die Lehrlingsausbildung sich die Einkommens- und Berufschancen des Verstorbenen so wesentlich verbessert hätten, daß er einem Landwirt mit abgelegter Meisterprüfung gleichgestellt werden könnte. Der Ehemann der Klägerin ist nicht vor 1900 geboren, so daß nicht Anspruch darauf erhoben werden kann, daß ihm die Ablegung der Prüfung zum Landwirtschaftsmeister nicht hätte zugemutet werden können (vgl. BSG 27, 184). Das LSG ist auch der Frage nachgegangen, ob der Ehemann der Klägerin voraussichtlich die erst nach 1950 eingeführte Prüfung als Landwirtschaftsmeister abgelegt hätte. Es hat festgestellt, daß nach der Auskunft der Kreislandwirtschaftsbehörde Schleswig in der Regel Inhaber von Lehrbetrieben, welche in dieser Eigenschaft schon vor 1950 anerkannt waren, die Prüfung als Landwirtschaftsmeister nicht nachträglich abgelegt haben. Diese Feststellung hat die Klägerin nicht angegriffen. An sie ist daher das Revisionsgericht gebunden (§ 163 SGG). Auch sonst hat das LSG im Sachverhalt keine Feststellungen getroffen, wonach der Ehemann der Klägerin trotz seiner selbständigen Berufserfahrung von nur einem Jahr (1938/39) schon besondere berufliche Qualifikation und Berufserfolge hätte aufweisen können, wie sie in den vom erkennenden Senat positiv entschiedenen Fällen vom 28. November 1967 - 8 RV 409/66 - gegeben waren (zustimmend der BMA in Rdschr. vom 30.9.1968, BVersorgBl 1968, 142 Nr. 64) und vom 22. Mai 1969 - 8 RV 647/68 -. In der Person des Ehemannes der Klägerin sind sonach nicht die Merkmale erfüllt, welche den Zugang zur Besoldungsgruppe A 9 des BBesG eröffnen könnten. Das LSG hat mithin frei von Rechtsirrtum in der Sache entschieden. Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen