Leitsatz (amtlich)

Bei Umwandlung einer Knappschaftsrente in ein Knappschaftsruhegeld ist auch bei den vor dem 1966-01-01 liegenden Umwandlungsfällen mindestens der bisherige monatliche Rentenzahlbetrag zu gewähren.

 

Normenkette

RKG § 53 Abs. 3 Fassung: 1957-05-21, Abs. 5 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1254 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Juni 1964 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin ihres am 1. März 1966 verstorbenen Ehemannes, des Rentners Robert P, mit dem sie nach Auskunft der Gemeindebehörde zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat (§ 88 des Reichsknappschaftsgesetzes - RKG -).

Der verstorbene Ehemann der Klägerin (der Versicherte) bezog seit 1952 die Knappschaftsvollrente (Gesamtleistung), die zum 1. Januar 1957 auf Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit umgestellt wurde. Bei der Umstellung wurde seine Kriegsdienstzeit vom 26. August 1939 bis zum 30. Juli 1945 (72 Kalendermonate) wie auch schon bisher als Ersatzzeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung (KnV) berücksichtigt, obgleich die letzten Beiträge vor dem Kriegsdienst zur Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) entrichtet worden waren. Nach der Anpassung auf Grund des 3. Rentenanpassungsgesetzes betrug die Rente für das Jahr 1961 225,10 DM.

Am 4. Januar 1962 vollendete der Versicherte das 65. Lebensjahr. Durch Bescheid vom 17. Januar 1962 stellte die Beklagte von Amts wegen mit Wirkung vom 1. Januar 1962 das Knappschaftsruhegeld in Höhe von 216,30 DM fest. Bei dieser Umwandlung wurde die vorgenannte Ersatzzeit in der ArV angerechnet. Die Zahlung des geringeren Betrages erfolgte ab 1. März 1962; von der Einbehaltung der überzahlten Beträge sah die Beklagte ab. Der Versicherte wandte sich gegen die Kürzung seiner Rente, jedoch blieben Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht erfolglos.

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des damaligen Klägers das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Umwandlungs- und des Widerspruchsbescheides verurteilt, ihm ab 1. Januar 1962 Knappschaftsruhegeld in Höhe von 225,10 DM zu zahlen. Das LSG hat die Revision zugelassen.

In den Urteilsgründen wird ausgeführt, die Beklagte habe bei der Umstellung zum 1. Januar 1957 dem Kläger eine zu hohe Rente berechnet, indem sie irrtümlich die Kriegsdienstzeit nicht, wie in § 50 Abs. 3 RKG nF vorgeschrieben, bei der ArV, sondern bei der KnV als Ersatzzeit berücksichtigte. Die Beklagte hätte diese unrichtige Berechnungsweise bei der Umwandlung in das Altersruhegeld nicht richtigstellen dürfen. Nach § 53 Abs. 5 RKG sei nämlich als Knappschaftsruhegeld mindestens die unter Anwendung des § 53 Abs. 3 RKG berechnete Knappschaftsrente zu gewähren. Das bedeute nicht, wie die Beklagte meine, daß als Vergleichsrente die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit neu und zwar richtig zu berechnen sei, sondern daß die neue Rente nicht niedriger sein dürfe als die früher tatsächlich gezahlte Rente, gleichgültig, ob deren Berechnung richtig oder falsch erfolgt war. Unrichtig berechnete Renten dürften nur aus bestimmten, gesetzlich festgelegten Gründen berichtigt werden; solche Gründe lägen hier nicht vor.

Mit der Revision rügt die Beklagte Verletzung des materiellen Rechts. Da der Kläger den letzten Beitrag vor der Kriegsdienstzeit nicht zur KnV, sondern zur ArV entrichtet habe, sei diese Ersatzzeit der ArV zuzuordnen. Das wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewährende Knappschaftsruhegeld sei gegenüber der bisher gewährten Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit eine in allen Teilen neu und selbständig festzustellende Leistung, die gemäß § 48 Abs. 4 RKG die Knappschaftsrente in Wegfall bringe. Sie werde daher nicht von dem auf Grund des KnVNG ergangenen Umstellungsbescheid berührt. Die Bindungswirkung dieses Bescheides erstrecke sich nicht auf die Gründe für die Rentenberechnung. Die unrichtige Zuordnung der Ersatzzeit zur KnV sei daher nicht über die Dauer der Gewährung der Knappschaftsrente hinaus verbindlich, entfalle vielmehr ohne weiteres mit der Gewährung des Ruhegeldes. Eine Vorschrift aber, nach der das Ruhegeld mindestens in Höhe der unrichtig berechneten Knappschaftsrente zu zahlen sei, enthalte das Gesetz nicht. Eine entsprechende Regelung sei erst durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965 (RVÄndG) eingeführt worden und gelte nur für nach dem 31. Dezember 1965 eintretende Versicherungsfälle. Eine solche Gesetzesänderung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn eine entsprechende Regelung bereits nach bisherigem Recht gegolten hätte.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Juni 1963 zurückzuweisen.

Die Klägerin, die das Verfahren nach dem Tode ihres Ehemannes fortsetzt, beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Allerdings wäre die Berechnung des Knappschaftsruhegeldes in dem Bescheid vom 17. Januar 1962 nicht zu beanstanden, wenn es sich um eine völlig selbständige Neufeststellung dieser Rente handeln würde. Das gilt insbesondere für die hier streitige Zuordnung der Kriegsdienstzeit von August 1939 bis Juli 1945 als Ersatzzeit zur ArV. Da der letzte Beitrag des Klägers vor der Kriegsdienstzeit nicht zur KnV, sondern zur ArV geleistet worden ist, kann sie gemäß § 50 Abs. 3 RKG nicht bei der KnV angerechnet werden. Diese Vorschrift gilt nach Art. 2 § 7 Abs. 1 KnVNG auch für Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1957 eingetreten sind. Wie im Urteil des Senats vom 25. August 1965 (BSG 23, 270), auf das hier Bezug genommen wird, ausgeführt ist, hat der zweite Absatz dieser Übergangsregelung nur Bedeutung für nach früherem Recht anerkannte Ersatzzeitarten, die in § 51 RKG n. F. nicht mehr aufgeführt sind, hingegen werden die einschränkenden Bestimmungen des neuen Rechts über die Zuordnung von Ersatzzeiten zur KnV von dieser Übergangsregelung nicht betroffen. Die Beklagte hätte daher bereits bei der Rentenumstellung zum 1. Januar 1957 die Kriegsdienstzeit des Versicherten im 2. Weltkrieg zu seinen Ungunsten bei der ArV anstatt bei der KnV berücksichtigen müssen. Für den vorliegenden Rechtsstreit kommt es darauf an, inwieweit die Beklagte bei Feststellung des Ruhegeldes an ihre zugunsten des Versicherten unrichtige Feststellung der Umstellungsrente gebunden ist.

Zu der Auffassung des LSG, im letzten Satz des § 53 Abs. 5 RKG i. d. F. d. KnVNG sei eine Besitzstandswahrung vorgeschrieben, hat der Senat in seinem Urteil vom 10. Dezember 1964 (BSG 22, 142) dargelegt, daß als "Mindestrente" im Sinne dieser Vorschrift nicht die Rente in bisheriger Höhe, sondern eine unter entsprechender Anwendung von § 53 Abs. 3 RKG - also mit Weiterberücksichtigung einer bisher angerechneten Zurechnungszeit - für den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres neu zu berechnende Rente anzusehen sei. Da im vorliegenden Fall eine Zurechnungszeit nicht in Betracht kommt, würde eine so errechnete Vergleichsrente aber nicht höher sein als das von der Beklagten festgestellte Ruhegeld.

Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich hier nicht um eine völlig neue Rentenfeststellung, sondern um die "Umwandlung" der bisherigen Rente in eine nach Art und Voraussetzungen (Erfüllung der großen Wartezeit) höherwertige Rente, also einen Sonderfall der Rentenfeststellung handelt, wobei nicht die bisherige Rente wegfällt und eine andere Rente dafür gewährt wird, sondern die alte Rente durch zusätzliche Berücksichtigung etwa inzwischen zurückgelegter Versicherungs- und Ausfallzeiten aufgestockt werden soll (s. Urteil des 12. Senats vom 21. Juni 1963 - BSG 19, 190). Wortlaut und Systematik der Umwandlungsvorschriften lassen aber hinreichend sicher erkennen, daß der Gesetzgeber eine solche Umwandlung in eine höherwertige Rente nur als mögliche Verbesserung für den Empfänger angesehen und jedenfalls nicht gewollt hat, daß der Eintritt eines in der Stufenfolge höheren Versicherungsfalles etwa dazu führt, im Wege der Umwandlung eine bisher zu hoch gewährte Rente herabzusetzen. Eine sinn- und zweckentsprechende Auslegung des Begriffes "Umwandlung" kann daher nicht zu einem solchen Ergebnis führen. Der 12. Senat hat in seinem o. a. Urteil - und zwar nicht zur unmittelbaren Begründung seiner Entscheidung, sondern nur am Rande - diesem Begriff entnommen, daß die einzelnen Bestandteile der alten Rente, selbst wenn sie zu Unrecht anerkannt sind, für die neue Rente unverändert erhalten bleiben sollen. Damit würde eine irrtümlich zu hoch festgesetzte Rente nicht nur in ihrer Höhe bestehen bleiben, sondern in dieser unrichtigen Höhe sogar die Grundlage für eine nach den Umwandlungsvorschriften gebotene Aufstockung bilden. Weniger weitgehend wäre es, die "Umwandlung" insoweit als Fortsetzung der alten Rente anzusehen, als der Versicherungsträger trotz der erforderlichen Neuberechnung an die bewilligte Höhe gebunden bleibt, so daß also, falls der bei der Umrechnung mit "richtigen" Werten errechnete Betrag niedriger liegt, der bisherige monatliche Rentenzahlbetrag weiter zu gewähren ist.

Inzwischen hat nun das RVÄndG in Art. 1 § 3 Nr. 10 eine Neufassung der Umwandlungsvorschriften gebracht; nach § 53 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 53 Abs. 3 Satz 5 RKG nF ist bei Umwandlung einer Knappschaftsrente in ein Knappschaftsruhegeld mindestens der bisherige Rentenzahlbetrag zu gewähren. Wenn diese Neufassung auch erst mit Wirkung vom 1. Januar 1966 in Kraft getreten ist (Art. 5 § 10 Buchst. d RVÄndG), auf den vorliegenden Versicherungsfall also keine Anwendung findet, so ist sie doch zur Auslegung der bisher geltenden Fassung heranzuziehen. Man kann ohne Bedenken annehmen, daß der Gesetzgeber die hier wesentliche Frage bereits bei der Abfassung des KnVNG in gleicher Weise geregelt haben würde, wenn er damals schon ihre Regelungsbedürftigkeit erkannt hätte, zumal diese Art der Besitzstandswahrung im KnVNG auch an anderer Stelle vorkommt (Art. 2 § 17 und § 21 Abs. 5).

Man kann auch nicht aus der Neufassung des Gesetzes den Schluß ziehen, der Gesetzgeber habe die Besitzstandswahrung bewußt erst für die Zukunft einführen, es für die Vergangenheit aber zulassen wollen, daß eine Rente bei der Umwandlung in eine höherwertige Rente auch herabgesetzt werden könnte. Eine solche Schlußfolgerung wäre allenfalls dann möglich, wenn bereits eine gefestigte Rechtsprechung in dieser Richtung vorgelegen hätte. Da aber die Frage, ob und in welchem Umfang die Rentenumwandlung nach § 53 RKG i. d. F. d. KnVNG eine Besitzstandswahrung zum Inhalt hat, bisher noch offen war, enthält die Neufassung des Gesetzes zu diesem Punkte nur eine Bestätigung dessen, was bisher schon dem Begriff "Umwandlung" bei richtiger Auslegung zu entnehmen war, also eine gesetzliche Interpretation, nicht eine inhaltliche Änderung. Sowohl der erkennbare Wille des Gesetzgebers wie auch praktische Erwägungen lassen es hiernach geboten erscheinen, bereits für die Zeit zwischen Inkrafttreten des KnVNG und des RVÄndG den § 53 RKG insoweit entsprechend der neuen gesetzlichen Regelung auszulegen.

Da im vorliegenden Fall nur die Weitergewährung des bisherigen Zahlbetrages im Streit ist, brauchte der Senat zu der in dem o. a. Urteil des 12. Senats vertretenen Auffassung, bei der Rentenumwandlung seien die bisherigen Rentenbestandteile ungeprüft und unverändert zu übernehmen - das würde hier über die Erhaltung des Zahlbetrages hinaus zu einer Rentenerhöhung führen - letztlich keine Stellung zu nehmen. Die Entscheidung des LSG ist jedenfalls gegenüber der Revision der Beklagten aufrechtzuerhalten.

Die Revision der Beklagten ist demgemäß zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Einverständnis der Beteiligten konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 124 Abs. 2 i. V. m. §§ 153, 165 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324391

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