Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldrecht: Privatnutzung eines Dienstwagens als Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Für die zeitliche Zuordnung von leistungsrelevantem Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum gilt das Lebensmonatsprinzip, auch im Hinblick auf geldwerte Vorteile in Form der Überlassung eines Dienstwagens.
2. Auch elterngeldrechtlich stellt bereits die bloße Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens für die Privatnutzung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar.
3. Die grobe Pauschalierung des einkommenssteuerrechtlichen Zuflusses einer Privatnutzung berechtigt nicht dazu, ohne Ansehen der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit den Vorteil gleichmäßig auf den Kalendermonat zu verteilen und so zum Teil in den Bezugszeitraum hineinzuverlagern.
4. Die Entgeltabrechnung, die den pauschalierten Vorteil ausweist, trifft keinerlei Aussagen zur Verteilung innerhalb des Kalendermonats - von daher existiert auch keine entsprechende Vermutungswirkung.
Normenkette
BEEG § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3 S. 1, § 2c Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 1 Abs. 1 S. 1; EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 8 Abs. 2 S. 2, § 19
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft das Begehren des Klägers, höheres Elterngeld zu erhalten.
Der inzwischen 38-jährige Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Vater des am 19.05.2015 geborenen Kindes K. A.. Zur Familie gehören zwei - am 19.01.2010 und am 15.09.2011 geborene - ältere Kinder. Während des streitgegenständlichen Zeitraums war der Kläger mit K.s Mutter verheiratet und lebte mit dieser und den drei gemeinsamen Kindern in einem Haushalt. Der Kläger war und ist als Justiziar bei der Firma R. AG, O-Stadt, beschäftigt. Vor K.s Geburt arbeitete er in Vollzeit mit 40 Wochenstunden.
Am 16.05.2015 beantragte der Kläger Elterngeld für die Lebensmonate eins und acht von K.. Er teilte mit, während der von ihm beantragten Lebensmonate werde er keine Erwerbstätigkeit ausüben, was er auch realisierte. Zu seinem Einkommen im Bemessungszeitraum gab er an, er habe einen geldwerten Vorteil in Form eines Dienstwagens erhalten. Diesen werde er aber während des Bezugszeitraums abgeben. Überhaupt werde er im Bezugszeitraum keine Einkünfte haben.
Mit dem Elterngeldantrag legte der Kläger Verdienstabrechnungen für den Zeitraum Mai 2014 bis April 2015 vor. Stets waren für "Privatfahrten" 535 EUR an geldwerten Bezügen aufgeführt (Lohnart 873), des weiteren unter Lohnart 874 "Whg/Arbeit ST- und Svpfl" und unter Lohnart 875 "Whg/Arbeit p. St." wechselnde Bezüge, wobei der unter Lohnart 874 genannte Betrag stets der höhere war. Die Arbeitgeberin des Klägers nahm im Hinblick auf den Sachbezug "Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte" schon von Beginn des Bemessungszeitraums an beim Lohnsteuerabzug eine Einzelbewertung vor. Einzelbewertung bedeutet, dass der Arbeitgeber für Vorteile aus einer Dienstwagenüberlassung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht einen pauschalierten Betrag als geldwerten Bezug vorsieht und davon Lohnsteuer einbehält und abführt, sondern sich insoweit an den tatsächlich durchgeführten Fahrten orientiert. Von dem auf der Grundlage dieser Einzelbewertung ermittelten Resultat errechnete die Arbeitgeberin einen bestimmten Anteil, den sie pauschal versteuerte (0,30 EUR pro Entfernungskilometer). Vom Rest wurde Lohnsteuer abgeführt. Ansonsten weisen die Verdienstabrechnungen folgende Bezüge auf:
* Die monatliche Grundvergütung ("Gehalt") betrug von Mai 2014 bis Februar 2015 8.250 EUR, für die Monate März und April 2015 9.400 EUR.
* In allen zwölf Monaten wurde ein Zuschuss Kinderbetreuung bzw. ein Kindergartenzuschuss in Höhe von jeweils 350 EUR gewährt.
* Im Monat Dezember 2014 erhielt der Kläger zusätzlich eine Bonuszahlung in Höhe von 8.250 EUR.
Die Arbeitgeberin bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 27.05.2015, man habe vereinbart, dass der Firmenwagen diesem während der Elternzeit nicht zur Verfügung stehe.
Mit Bescheid vom 24.08.2015 bewilligte der Beklagte vorläufig Elterngeld für die Lebensmonate eins und acht jeweils in Höhe von 1.664,85 EUR. Als Bemessungszeitraum zog er die Phase Mai 2014 bis April 2015 heran. Zunächst ermittelte er die Elterngeldleistung ohne Berücksichtigung von Einkommen im Bezugszeitraum. In diesem Zusammenhang berechnete er ein Elterngeld-Netto in Höhe von 4.410,98 EUR. Daraus ergab sich wiederum ein monatliches Elterngeld in Höhe von 2.867,14 EUR, das auf den Höchstbetrag von 1.800 EUR gekürzt wurde. Zu den 1.800 EUR addierte der Beklagte 180 EUR als Geschwisterbonus.
Sodann ermittelte der Beklagte die Leistung unter Anrechnung von Einkommen des Klägers im Bezugszeitraum. Dazu teilte er in der Begründung des Bewilligungsbescheids mit, in den beiden bewilligten Lebensmonaten habe der Kläger Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit...