Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfähigkeit und Anspruch auf Jahresleistungs- und Punktprämie eines Berufsfußballspielers
Leitsatz (amtlich)
Sieht eine Prämienregelung für Berufsfußballspieler vor, daß der Spieler im Falle einer „Verletzung” sechs Wochen lang so behandelt wird, als habe er an Punktspielen teilgenommen, so ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wenn der Spieler aufgrund einer sonstigen Erkrankung, die weder spiel- noch trainingsbedingt war, nicht teilnehmen konnte.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157, 162 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 1998 – 12 Sa 497/98 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger eine restliche Jahresleistungsprämie und eine sog. Punktprämie zustehen.
Der Kläger ist Berufsfußballspieler. Aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages war er vom 1. Juli 1995 bis zum 30. Juni 1996 bei dem beklagten Fußballverein als Lizenzspieler tätig. Der Beklagte spielte seinerzeit in der 1. Bundesliga. Der Kläger war einer seiner Torhüter.
Der Kläger bezog ein monatliches Grundgehalt von 15.000,00 DM. Zudem hatte er Anspruch auf Zahlung einer Jahresleistungsprämie. Deren volle Höhe betrug 150.000,00 DM. Ihr tatsächlicher Umfang hing davon ab, in wie vielen Pflichtspielen der Kläger eingesetzt würde. Bei einem Einsatz in 21 bis 30 Spielen standen ihm 75 %, ab dem 31. Einsatz standen ihm 100 % der Prämie zu. In einer zwischen dem Beklagten und dem bei ihm gebildeten Spielerrat getroffenen „Prämienregelung für die Saison 95/96” heißt es dazu, die Jahresleistungsprämie erhalte nur der Spieler, der im Spiel eingesetzt worden sei. Nach Nr. 2 der Prämienregelung erhielten die Spieler ferner „Spielprämien für Pflichtspiele (Punktprämien)”. Für Meisterschaftsspiele in der 1. Bundesliga betrug deren volle Höhe bei einem Sieg 4.500,00 DM. Ihr tatsächlicher Umfang hing von der Dauer des Einsatzes ab. Für einen „Torwart mit Zeiteinsatz” betrug er 100 %.
Nach Nr. 8 der Prämienregelung wurden „einem verletzten Stammspieler … von Eintritt der Verletzung 6 Wochen die Spiele für die Bewertung der Jahresleistungsprämie angerechnet sowie die angelaufenen Punktprämien vergütet”. Als Stammspieler galt, wer in drei Meisterschaftsspielen hintereinander und von Anfang an eingesetzt worden war. In Zweifelsfällen sollte ein in bestimmter Weise zusammengesetzter Ausschuß entscheiden.
Gegen Ende der Saison 1995/96 stand der Abstieg des Beklagten in die 2. Bundesliga fest. Der Kläger hatte angekündigt, den Verein zu verlassen und zum FC B zu wechseln. Am 18. Mai 1996 stand das letzte Pflichtspiel in der 1. Bundesliga an. Wenige Tage zuvor bestellte der Beklagte den bisherigen Assistenztrainer zum Interimstrainer. Der Vorstand bat ihn, den Kläger beim kommenden Spiel nicht einzusetzen. Maßgeblich dafür waren auch finanzielle Erwägungen. Der Kläger hatte bis dahin 30 Pflichtspiele absolviert. Am 17. Mai 1996 meldete sich der Kläger krank. Sein Arzt bescheinigte ihm Arbeitsunfähigkeit bis zum 20. Mai 1996. Statt des Klägers setzte der Trainer am 18. Mai 1996 den zweiten Torhüter ein, der schon im April 1996 in vier Spielen mitgewirkt hatte. Die Mannschaft des Beklagten gewann das Spiel.
Bei Saisonende erhielt der Kläger die Jahresleistungsprämie in Höhe von 75 %. Eine Punktprämie für das letzte Spiel erhielt er nicht. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es stünden ihm sowohl diese als auch die restlichen 25 % der Jahresleistungsprämie in Höhe von 37.500,00 DM zu. Er hat behauptet, ohne seine Arbeitsunfähigkeit wäre er auch am letzten Spieltag eingesetzt worden. Unabhängig davon habe ihn der Beklagte wegen Nr. 8 der Prämienregelung so zu stellen, wie wenn er eingesetzt worden wäre. „Verletzung” im Sinne dieser Regelung und sonstige Arbeitsunfähigkeit seien gleichzusetzen. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte selbst sei in der vorausgegangenen Saison so verfahren und habe einem an einer Infektion erkrankten Spieler die Jahresleistungsprämie gutgeschrieben.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 42.000,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, der Kläger wäre unabhängig von seiner Erkrankung auch aus sportlichen Gründen im letzten Spiel nicht mehr eingesetzt worden. Da er sich in einem sportlichen Leistungstief befunden und sein Ausscheiden aus der Mannschaft festgestanden habe, habe der zweite Torwart weitere Spielerfahrung sammeln sollen. Mangels „Verletzung” greife auch Nr. 8 der Prämienregelung nicht ein.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klageforderung besteht nicht. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf die restliche Jahresleistungsprämie noch ein Anspruch auf die Punktprämie für das Spiel am 18. Mai 1996 zu.
I. Die vertraglichen Anspruchsvoraussetzungen sind nicht erfüllt.
1. Die Regelungen über die Jahresleistungsprämie und die Punktprämie sind allerdings Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden. Über die Jahresleistungsprämie haben schon die Parteien selbst am 10. Mai 1995 eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Die Punktprämie hat ihre Grundlage zwar allein in Nr. 2 der zwischen dem Beklagten und dem Spieler vereinbarten „Prämienregelung für die Saison 95/96” vom 31. August 1995. Die gesamte Prämienregelung ist aber zumindest konkludent Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Dies steht zwischen den Parteien außer Streit.
2. Nach den Bestimmungen in Nr. 1 und Nr. 2 der Prämienregelung ist für beide Prämienansprüche grundsätzlich die tatsächliche Teilnahme am Spiel erforderlich. Am 18. Mai 1996 war der Kläger nicht eingesetzt. Es sind damit weder die Voraussetzungen für die vollständige Zahlung der Jahresleistungsprämie noch die für die Zahlung der Punktprämie erfüllt.
3. Der Beklagte muß den Kläger auch nicht wegen Nr. 8 der Prämienregelung so stellen, als habe er am Pflichtspiel vom 18. Mai 1996 teilgenommen. Nach Nr. 8 der Prämienregelung werden zu Gunsten eines „verletzten Stammspielers” sechs Wochen lang die Pflichtspiele bei der Berechnung der Jahresleistungsprämie berücksichtigt. Außerdem werden ihm die angefallenen Punktprämien gezahlt. Zwar war der Kläger unstreitig Stammspieler im Sinne dieser Regelung. Er war am 18. Mai 1996 aber lediglich erkrankt und nicht „verletzt”. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Der Senat folgt seiner Vertragsauslegung im Ergebnis und weitgehend in der Begründung.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, nicht jede Erkrankung stelle zugleich eine Verletzung im Sinne der Nr. 8 der Prämienregelung dar. „Verletzung” und „Krankheit” seien Begriffe unterschiedlicher Bedeutung. Daß beide auch für die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht gleichbedeutend seien, ergebe sich aus § 2 und § 8 des Arbeitsvertrages. Dort heiße es, der Kläger habe „im Falle einer berufsmäßigen Verletzung oder Erkrankung” den Vereinsarzt aufzusuchen, es sei denn, daß dies aus wichtigem Grund, „zB bei auswärtiger Erkrankung oder Verletzung” nicht möglich sei; nach den gesetzlichen Bestimmungen habe er Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung, wenn er „sich verletzt oder anderweitig erkrankt”. Da Nr. 8 der Prämienregelung nur eine Verletzung und nicht auch eine Erkrankung erwähne, spreche dies für eine bewußte Einschränkung. Daß der Mannschaftskapitän als Zeuge ausgesagt habe, unter Fußballspielern seien eine Verletzung und eine Erkrankung dasselbe, sei für die Auslegung ohne Bedeutung. Schließlich spreche auch der erkennbare Zweck der Regelung für ein enges Begriffsverständnis. Nur trainings- oder spielbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen sollten ausgeglichen werden. Dafür, daß die Regelung beim Beklagten gleichwohl anders gehandhabt worden sei, bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Hinweis des Klägers auf einen einzigen Ausnahmefall genüge nicht.
b) In der Revisionsinstanz ist nur die Auslegung sogenannter typischer Vertragserklärungen durch das Berufungsgericht voll nachprüfbar(BAGE 4, 354; BAGE 5, 221 und seitdem ständige Rechtsprechung). Ob Nr. 8 der Prämienregelung eine solche Erklärung ist, steht nicht fest. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, ob sie für die Spieler des Beklagten auch außerhalb der Saison 1995/96 noch gilt und bei anderen Fußballvereinen ebenfalls üblich ist. Zu seinen Gunsten kann aber unterstellt werden, daß es sich um eine regelhafte und typische Vertragserklärung handelt. Denn auch einer unbeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts stand.
aa) „Verletzung” und „Erkrankung” sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht gleichbedeutend. Zwar mag man von einem Verletzten auch mit Blick auf die Verletzung sagen können, er sei krank. Aber es ist nicht richtig zu sagen, jeder Kranke sei zugleich verletzt. Die Ausdrücke sind nicht deckungsgleich. „Verletzung” ist der engere Begriff. Ein medizinisch regelwidriger körperlicher Zustand beruht auf einer Verletzung, wenn er durch eine meist plötzliche äußere Einwirkung (Verwundung, Beschädigung) oder eine physiologische Überbeanspruchung hervorgerufen wurde. Vom Begriff Krankheit oder Erkrankung wird dagegen (auch) jede andere Ursache der Regelwidrigkeit erfaßt.
bb) Ein anderer als der allgemeine Sprachgebrauch liegt Nr. 8 der Prämienregelung nicht zugrunde. Auch dort wird der Ausdruck „Verletzung” in seiner engeren Bedeutung verwendet. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht dies aus den einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages abgeleitet. Sowohl in § 2 Buchst. b als auch in § 8 Satz 4, Satz 5 des Arbeitsvertrages ist von „Verletzung oder Erkrankung” bzw. von „Verletzung oder anderweitiger Erkrankung” die Rede. Dies zeigt, daß die beiden Begriffe in den beim Beklagten gebräuchlichen Regelungswerken nicht deckungsgleich, sondern mit unterschiedlicher Bedeutung gebraucht wurden. Aus der Gegenüberstellung von „Verletzung” und „anderweitiger Erkrankung” geht hervor, daß erstere nur einen Teil der letzteren erfassen soll.
cc) Dafür, daß der Kläger dies anders verstehen durfte, gibt die Aussage des Mannschaftskapitäns, Verletzung und Erkrankung seien für Fußballspieler dasselbe, nichts her. Angesichts des gegenteiligen allgemeinen Sprachgebrauchs hätte der Kläger für einen branchenspezifischen anderen Wortgebrauch näher vortragen müssen.
dd) Mit der allgemeinen, engen Bedeutung des Begriffs „Verletzung” decken sich auch Sinn und Zweck der Bestimmung in Nr. 8 der Prämienregelung. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß derjenige Spieler privilegiert werden soll, der sich im Training oder Spiel körperliche Beeinträchtigungen zugezogen und sich auf diese Weise um die Möglichkeit eines oder mehrerer künftiger Einsätze gebracht hat. Dem Kläger ist einzuräumen, daß der Begriff „Verletzung” darüber hinaus auch Fälle erfassen kann, denen ein Bezug zu Training oder Spiel gänzlich fehlt, etwa Verletzungen aufgrund eines Unfalls im Straßenverkehr bei einer Privatfahrt. Dies spricht jedoch allenfalls für eine teleologische Reduktion der Regelung in Nr. 8 und nicht dafür, den Begriff „Verletzung” auch auf Fälle anderweitiger Erkrankung zu erstrecken. Ob Sinn und Zweck der Regelung es erfordern, sie auch dann auf Fälle nicht verletzungsbedingter Erkrankungen anzuwenden, wenn die Erkrankung trainings- oder spielbedingt ist (etwa Erkältung beim Training), war nicht zu entscheiden. Der Kläger hat eine solche Ursache nicht behauptet.
Im dargelegten Sinne des Wortes war der Kläger nicht „verletzt”. Ein Anspruch aus Nr. 8 der Prämienregelung auf Zahlung der restlichen Jahresleistungsprämie und der Punktprämie für das Spiel am 18. Mai 1996 besteht nicht.
II. Auch nach Maßgabe des Entgeltfortzahlungsgesetzes hat der Kläger keinen Prämienanspruch.
1. Zwar war der Kläger als Berufsfußballspieler in einer für die 1. Bundesliga spielenden Mannschaft Arbeitnehmer(dazu BAG 17. Januar 1979 – 5 AZR 498/77 – AP BGB § 611 Berufssport Nr. 2 und seitdem in ständiger Rechtsprechung). Gemäß § 4 Abs. 1 EFZG in seiner bis zum 30. September 1996 geltenden Fassung war ihm damit im Krankheitsfall das ihm zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht der gesetzliche Entgeltfortzahlungsanspruch aber nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung und damit den Verlust des Gehaltsanspruchs war(BAG 22. August 1984 – 5 AZR 539/81 – AP BGB § 616 Nr. 65 mwN auch aus der Literatur). Daran hat sich durch die Ersetzung der verschiedenen Lohn- und Gehaltsfortzahlungsvorschriften durch das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994 nichts geändert.
2. Im Streitfall ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Es hat nicht allein die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dazu geführt, daß er im Pflichtspiel am 18. Mai 1996 nicht eingesetzt wurde. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß der Trainer zum einen aus Rücksicht auf die finanziell motivierten Bitten des Vorstandes und zum anderen aus sportlichen Gründen von einem Einsatz des Klägers im letzten Pflichtspiel der Saison auch dann abgesehen hätte, wenn dieser nicht erkrankt wäre. Das Landesarbeitsgericht hat sich diese Feststellungen zu eigen gemacht und teilweise konkretisiert. Ihnen zufolge wäre der Kläger selbst bei Arbeitsfähigkeit zumindest deshalb nicht zum Einsatz gekommen, weil dem anderen Torhüter die Möglichkeit weiterer Spielerfahrung gegeben werden sollte. Verfahrensrügen hat der Kläger nicht erhoben. Die Feststellungen der Vorinstanzen sind damit für das Revisionsgericht bindend, § 561 Abs. 2 ZPO.
Das Verhalten des Trainers, den Kläger jedenfalls auch aus den genannten sportlichen Gründen am 18. Mai 1996 nicht mehr einzusetzen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es hält sich im Rahmen seines Ermessens. Der Kläger kann aus diesem Grund Entgeltfortzahlung für den 18. Mai 1996 nicht verlangen.
Ob der Entschluß, den Kläger nicht einzusetzen, auf ausschließlich finanzielle Erwägungen bei Vorstand und Trainer hätte gestützt werden können oder ob dies mit der Folge des § 162 Abs. 1 BGB gegen Treu und Glauben verstoßen hätte, bedarf keiner Entscheidung.
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Ackert, Buschmann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.01.2000 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 212 |
BB 2000, 1358 |
ARST 2000, 235 |
FA 2000, 230 |
NZA 2000, 771 |
AP, 0 |
AuA 2000, 449 |
AUR 2000, 278 |
Wüterich / Breucker 2006 2006, 315 |