LSG-Urteil: Krankenkasse muss Kosten für Genium-Kniegelenk tragen

Zum Ausgleich einer Behinderung haben gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln. Bietet ein kostenaufwändiges Hilfsmittel einem behinderten Versicherten einen wesentlichen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur kostengünstigeren Alternative, so ist dies von der Krankenkasse zu gewähren.

Die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln durch die Krankenkasse muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Kann ein Versicherter die Gebrauchsvorteile eines teureren Hilfsmittels jedoch tatsächlich nutzen, so hat er Anspruch auf eine Versorgung mit einem Genium-Kniegelenk anstelle eines C-Leg. Dies entschied der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 28.11.2017.

Versorgung mit Genium-Kniegelenk beantragt

Ein Mann aus dem Landkreis Offenbach erlitt aufgrund eines Sportunfalls im Jahre 2012 den Verlust seines linken Unterschenkels im Kniegelenk. Die Krankenkasse versorgte ihn mit einem Beinprothesensystem (C-Leg). Bald darauf beantragte der 82-jährige Mann eine Beinprothesenversorgung mit einem Genium-Kniegelenk, da er hiermit eine deutliche Verbesserung der Geh- und Stehfähigkeit erreiche. Die Krankenkasse lehnte dies ab. Das C-Leg-Prothesensystem für 28.000 Euro sei ausreichend. Das knapp 46.000 Euro teure Genium-Kniegelenk lasse demgegenüber keine erheblichen Gebrauchsvorteile für den beinamputierten Mann erwarten.

LSG: Versorgungsanspruch aufgrund deutlicher Gebrauchsvorteile

Die Darmstädter Richter haben die Krankenkasse verurteilt, die Kosten für das Genium-Kniegelenk zu tragen. Der Anspruch auf Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich - wenn also das Hilfsmittel dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion diene - umfasse bei Prothesen grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile biete.

Genium-Kniegelenk ermöglicht höchsten Mobilitätsgrad

Aufgrund des im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens sei davon auszugehen, dass im Vergleich zum C-Leg-System das Genium-Kniegelenk dem Kläger wesentliche Vorteile insbesondere beim Übersteigen von Hindernissen, beim Stehen auf schrägem Untergrund sowie beim Treppensteigen und Rückwärtsgehen im Wechselschritt biete. Der 82-jährige Mann könne diese Gebrauchsvorteile aufgrund seiner körperlichen und geistigen Voraussetzungen - die denen eines etwa 60-Jährigen entsprächen - auch nutzen. So erreiche er mit dem Genium-Kniegelenk den höchsten Mobilitätsgrad 4, während er mit der C-Leg-Versorgung in den Mobilitätsgraden 2 bis 3 verbleibe. Die Genium-Prothese stelle daher für den Kläger die einzige Möglichkeit dar, die aufgrund der Amputation des linken Unterschenkels bestehende Behinderung nahezu vollständig auszugleichen.

 

Hinweis: Hessisches LSG, Urteil v. 28.11.2017, L 1 KR 211/15

Hessisches Landessozialgericht
Schlagworte zum Thema:  Hilfsmittel, Krankenkasse, Kostenübernahme