Zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen

Funktionalität, Dateiformat und Programmiersprache eines Computerprogrammes sind nicht vom urheberrechtlichen Schutz umfasst. Ideen und Grundsätze, auf denen eine Software beruht, können auch nicht durch Lizenzverträge geschützt werden.

Hintergrund

Der Entscheidung des EuGH liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des englischen High Court zugrunde. Die dortige Klägerin hatte ein System entwickelt, mit dem die Nutzer bestimmte Anwendungen in einer von der Klägerin entwickelten Programmiersprache ausführen konnten. Die Beklagte analysierte eine von der Klägerin ebenfalls erstellte Lernausgabe und entwickelte daraufhin eine alternative Software, welche die Funktionalität weitgehend übernahm. Dabei hatte die Beklagte keinen Zugang zum Quellcode der ursprünglichen Software. Die Klägerin war der Auffassung, dass durch dieses Verhalten ihre Urheberrechte verletzt seien. Der High Court wendete sich daraufhin mit einem umfangreichen Fragenkatalog zur Auslegung der sogenannten „Software-Richtlinie“ an den EuGH.  

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 2.5.2012 (C-406/10; SAS Institute Inc. vs. World Programming Ltd)

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass zwar Quellcode und Objektcode einer Software urheberrechtlich geschützt seien, dieser Schutz aber weder die Funktionalität, noch die Programmiersprache oder das Dateiformat umfasse.  Hierbei handele es sich nicht um die nach der Richtlinie geschützten Ausdrucksformen eines Computerprogrammes.  Ein zu umfassender Schutz würde nach Auffassung des Gerichts zur Monopolisierung von Ideen führen und die technische Entwicklung hemmen.

Zudem entschied der EuGH, dass die Ideen und Grundsätze, auf denen eine Software beruht, auch nicht durch Regelungen in Lizenzverträgen  geschützt werden können. Solche Regelungen seien unwirksam. Der Nutzer sei daher berechtigt, eine Software zu testen und zu beobachten um auf dieser Grundlage unter Verwendung derselben Programmiersprache und desselben Dateiformats seine Funktionalität zu übernehmen.

Nicht bezweifelt hat der EuGH, dass ein Benutzerhandbuch grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz genießen könne. Allerdings gelte dies nicht bereits für einzelne Elemente wie Schlüsselwörter, Syntax, Befehle und Kombinationen von Befehlen, die Optionen, die Voreinstellungen sowie Wiederholungen aus Wörtern, Zahlen oder mathematischen Konzepten. Darin liege einzeln betrachtet noch keine geistige Schöpfung. Erst durch eine Zusammenstellung erlange ein solches Werk eine ausreichende Schöpfungshöhe. Ob die Vervielfältigung einzelner Passagen durch die Beklagte eine Urheberrechtsverletzung darstelle, müsse das Ausgangsgericht prüfen.

Anmerkung

Die Entscheidung des EuGH ist sicherlich kein Freibrief für Softwarenachahmungen. Eine Urheberrechtsverletzung liegt jedenfalls immer dann vor, wenn ein Zugriff auf den Quellcode erfolgt oder der Objektcode dekompiliert wird und die Nachahmung darauf beruht. Dies hat der Gerichtshof noch einmal deutlich zu verstehen gegeben. Demgegenüber sind die Funktionen eines Computerprogrammes nicht schutzfähig.

Bemerkenswert ist allerdings, dass der Gerichtshof auch seiner Befürchtung Ausdruck verliehen hat, ein zu weitreichender Schutz von Software könne zu einer „Monopolisierung von Ideen“ führen und damit dem Wettbewerb schaden. Dieser Befürchtung wird wohl auch die Politik in der nach wie vor umstrittenen Frage der Ausweitung von Softwarepatenten in der Europäischen Union Rechnung tragen müssen. Dies gilt umso mehr, als auch in den USA, in denen es traditionell einen  Patentschutz für Software gibt, dieses Urteil durchaus registriert wurde. So hat nach der Entscheidung des EuGH der im Rechtsstreit zwischen Google und Oracle zuständige Richter die dortigen Parteien aufgefordert, zu dem Urteil Stellung zu nehmen.

Rechtsanwälte Dr. Wolfgang Schmid, Sebastian Hoegl, LL.M. (Wellington), Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg

Schlagworte zum Thema:  Urheberrecht, Software